TERMINE UND VERANSTALTUNGEN ZUM WENDEHERBST: „Jeder Tote war einer zu viel“ Riss in der Mauer
Des 48. Jahrestages des Mauerbaus am 13. August 1961 wurde in Potsdam an vier Orten gedacht
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Es war ein sonniger Morgen gestern in Potsdam, genau wie an dem Sonntag vor 48 Jahren, an dem der Bau der Mauer begann. Von dem 160-Kilometer-Bollwerk, das die DDR-Führung damals rund um Westberlin bauen ließ, sind in Potsdam noch sechs Segmente übrig – in der Stubenrauchstraße am Griebnitzsee. Dort trafen sich gestern auf Einladung des Forums zur kritischen Auseinandersetzung mit DDR-Geschichte e.V. rund 30 Bürger zum Jahrestag des Mauerbaus. Erstmals stehen die Mauerreste, für deren Erhalt der Verein lange kämpfte, jetzt unter Denkmalschutz. „Das freut uns besonders“, betonte Manfred Kruczek vom Vorstand. Forum-Mitglieder hatten in der Vergangenheit ein Holzkreuz mit einer Gedenktafel für hier zu Tode gekommene Flüchtlinge aufgestellt. Mit dem jetzigen Zustand des Ortes ist Forums-Mitglied Detlef Grabert nicht zufrieden: Der Mauerrest müsste geweißt und die Weiden davor entfernt werden. Nachholbedarf sieht Linda Teuteberg, FDP-Landtagskandidatin und Forum-Mitglied, auch bei der Vermittlung von DDR-Geschichte an Schulen: Die „zweite deutsche Diktatur“ müsse obligatorisches Thema in der Sekundarstufe eins werden. Jugendliche bräuchten ein Grundwissen, um Strukturmerkmale einer Diktatur zu erkennen und kritische Fragen stellen zu können. „Die Auseinandersetzung hat nichts mit Spaltung zu tun, sondern ist die Voraussetzung für Versöhnung“, betonte sie.
Zahlreiche Bürger, Politiker und in der DDR Verfolgte erinnerten gestern im ehemaligen Staatssicherheitsgefängnis Lindenstraße 54 an den Bau der Mauer am 13. August 1961. Allein an der Berliner Mauer wurden 136 Menschen zumeist bei Fluchtversuchen getötet. Dies ist der aktuelle Stand des gemeinsamen Projekts der Gedenkstätte Berliner Mauer und des Zentrums für Zeithistorische Forschung Potsdam (ZZF). „Jeder Tote war einer zu viel“, wie Claus Peter Ladner von der Fördergemeinschaft für die heutige Lindenstraße 54 sagte. Die stellvertretende Ministerpräsidentin Brandenburgs, Johanna Wanka (CDU), nannte die Mauer „ein deutliches Zeichen staatlicher Schwäche“. Vor aller Welt habe die DDR sich nicht anders zu helfen gewusst, als ihre Menschen einzusperren. Bewegt zeigte sich die Kulturministerin vom Schicksal des türkischen Jungen Cetin Mert, der auf Westberliner Seite an seinem fünften Geburtstag beim Spielen in die Havel gefallen war. Vom westlichen Ufer traute sich kein Helfer hinterherzuspringen – aus Angst vor Schüssen der DDR-Grenzer. Die DDR-Seite verweigerte Hilfe, erst zwei Stunden später wurde seine Leiche geborgen. Das Beispiel verdeutliche die Unmenschlichkeit, die es bedeutet, durch eine Stadt eine scharf bewachte Mauer zu ziehen, sagte Johanna Wanka. Für die Gedenkstätte Lindenstraße 54 kündigte die Ministerin ein starkes finanzielles Engagement der Landesregierung an. Einen „selbstkritischen Umgang mit der Vergangenheit“ forderte Bildungsminister Holger Rupprecht (SPD). „Ich habe Fehler eingestanden, und es ging mir hinterher besser“, so Rupprecht, der in der DDR als Lehrer arbeitete. Der Potsdamer Vorsitzende der Linken, Günther Waschkuhn, legte in der Gedenkstätte einen Kranz nieder.
SPD und CDU gedachten an zwei weiteren Orten der Maueropfer. Die Bundestagsabgeordnete Andrea Wicklein und Landtagskandidat Mike Schubert (beide SPD) eröffneten mit Beträgen aus der eigenen Tasche eine Spendensammlung zur Erneuerung der beschädigten Mauergedenkstele bei Steinstücken. Die Mauer stand nur 28 Jahre, „doch für uns bestand sie eine Ewigkeit, die Freiheit war so weit entfernt wie der Mond“, so Andrea Wicklein. Die CDU beging den Jahrestag an der Glienicker Brücke. Der DDR-Bürgerrechtler und Bundesbeauftragte für Menschenrechtspolitik und humanitäre Hilfe, Günter Nooke (CDU), erinnerte daran, dass auch westdeutsche Politiker vor 1989 erklärten, „die Mauer gehört zur Statik des europäischen Hauses“. Die Wende 1989 nannte er „die einzige erfolgreiche Freiheitsrevolution in Deutschland“. Jana Haase/Guido Berg
Am 3. September stellt die Potsdamer Autorin Grit Poppe in der Gedenkstätte Lindenstraße 54/55 ihren neuen Roman „Weggesperrt“ über den DDR-Jugendwerkhof Torgau vor. Beginn ist um 19 Uhr. Zum Buch „Der Riss in der Mauer“ über die Folgen der ungarischen Grenzöffnung für die DDR sprechen am 17. September um 19 Uhr der Schweizer Autor Andreas Oplatka und Hans-Hermann Hertle vom Potsdamer Zentrum für Zeithistorische Forschung (ZZF) in der Lindenstraße. Am 6. Oktober, 19 Uhr, berichten ehemalige DDR-Oppositionelle bei einer Veranstaltung des Forum-Vereins in der Heilig-Geist-Gemeinde, Kiezstraße 10, von ihren Erfahrungen. Potsdamer Wende-Aktivisten kommen am 8. Oktober bei einer Podiumsdiskussion in der Lindenstraße zu Wort. Am 20. Oktober spricht Manfred Kruczek vom Forum um 19.30 Uhr im Pfarrhaus von St. Peter und Paul, Am Bassin 2, zum Thema „DDR-Opposition unter dem Kirchendach“. Am 5. November gibt es dort einen Vortrag mit Diskussion zum „Ende der DDR-Staatssicherheit“. Am 8. November lädt Forum Kinder ab der 4. Klasse in den Malteser Treffpunkt Freizeit ein: Dort sprechen um 15 Uhr Potsdamer aus Ost und West über die Nacht des Mauerfalls. Am 9. November lädt Forum um 12 Uhr zur Gedenkveranstaltung zum 20. Mauerfalljubiläum in die Stubenrauchstraße ein. Am 19. November spricht Thomas Wernicke um 18 Uhr im Stadthaus über die Geschichte der Stadtverordnetenversammlung und den Neuanfang 1990. Am 3. Dezember wird um 19 Uhr in der Lindenstraße die Ausstellung Das „Lindenhotel“ als Potsdamer „Haus der Demokratie“ eröffnet. Am 5. Dezember berichten dort Zeitzeugen von der Besetzung der Stasi-Gebäude und der Formierung des „Stasi-Auflösungskomitees“ im Herbst 1989. JaHa
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