zum Hauptinhalt

Landeshauptstadt: Joop: Wegzug aus Potsdam „in Kürze“

„Wunderkind“ kündigt „neues Konzept“ an / Keine Aussagen zu Personalabbau und Kollektion 2011/2012

Stand:

Berliner Vorstadt - Die Potsdamer Tage von „Wunderkind“ sind gezählt: „In Kürze“, sagte gestern Designer Wolfgang Joop, würden Ateliers und Administration des von ihm gegründeten Mode-Unternehmens nach Berlin umziehen. „Zu viel Idylle ist nicht gut für das Business“, begründete der 66-jährige gebürtige Potsdamer Joop den Schritt. „Potsdam bleibt aber mein Kreativzentrum.“

Der Wegzug des Unternehmens aus der Berliner Vorstadt ist ein Verlust für die Landeshauptstadt. „Wir bedauern, dass der Firmensitz von ,Wunderkind’ nach Berlin zieht“, sagte gestern Potsdams Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD). Er sei aber überzeugt, dass Joop auch weiter ein Potsdamer und die „kreative Kraft“ seines Unternehmens der Region erhalten bleibe, so Jakobs. Eine Anfrage an die Verwaltung, eventuell behilflich zu sein, habe „Wunderkind“ nicht gestellt, hieß es gestern aus dem Rathaus.

Joop war nach der Wende euphorisch aus Hamburg in seine Geburtsstadt Potsdam zurückgekehrt, oftmals berief er sich auf seine Kindheit in Bornstedt und Spielstunden im Park Sanssouci als Quelle seiner Kreativität. Allerdings war seine 2003 in der Landeshauptstadt gestartete Unternehmung „Wunderkind“ offenbar in eine Krise geraten: Die Unternehmensstruktur werde seit Anfang 2009 „umgebaut“, hieß es gestern in einer Presseerklärung, damit seien „deutliche Veränderungen in der Personalstruktur“ einhergegangen (PNN berichteten). Darüber, wie viele Beschäftigte „Wunderkind“ entlassen hat, wollte das Unternehmen gestern keine Auskunft geben. Auch blieb offen, wie viele Menschen weiterhin dort arbeiten. In der Erklärung von „Wunderkind“, das seit April 2010 unter Leitung von Geschäftsführer Markus Hennig steht, wird betont, dass sich das Unternehmen in den vergangenen zwei Jahren „deutlich positiv“ entwickelt habe. Im Verkauf seien 2010 zweistellige Zuwachsraten erreicht worden. Dennoch müssten der Ertrag weiter „deutlich“ verbessert und die Produkte „besser am Markt platziert“ werden.

Die Präsentation einer neuen „Wunderkind“-Kollektion für die Saison Herbst/Winter 2011/2012 auf der Pariser Modewoche ist jedenfalls abgesagt. Offizieller Grund: Die „Wunderkind“-Gesellschafter – Gründer Wolfgang Joop sowie die Kunstsammler und Wella-Erben Gisa und Hans-Joachim Sander – arbeiteten „einvernehmlich und gemeinsam“ am neuen Konzept. Informationen, wonach es zwischen den Gesellschaftern Differenzen gebe und gegeben habe, dementierte „Wunderkind“ gestern: Derartige Spekulationen entbehrten jeglicher Grundlage, hieß es in der Erklärung. Offen blieb, ob es eine neue „Wunderkind“-Kollektion für die kommende Saison geben wird.

„Ich wollte unbedingt eine Marke schaffen, die international Erfolg hat – das ist mir gelungen“, sagte Joop gestern zum Geschehen bei „Wunderkind“. „Jetzt müssen wir sehen, wie wir uns aufstellen, um mit weniger Investitionen – auch emotional und zeitlich – in die neue Zeit zu kommen.“ Die Aktivitäten müssten gebündelt und gestrafft werden.

Dazu gehört nach Angaben des Unternehmens der mögliche Einstieg weiterer Investoren und eine Ausweitung des Lizenzgeschäfts. Laut einem Bericht des „Spiegel“ gebe es eine Reihe von interessierten Investoren aus dem In- und Ausland. Unklar sind die derzeitigen Eigentumsverhältnisse im Unternehmen: Im vergangenen Sommer sollen die Gesellschafter Sander den 15-Prozent-Anteil von Joops langjährigem Geschäfts- und Lebenspartner Edwin Lemberg übernommen haben; Lemberg hatte sich aus dem Unternehmen zurückgezogen, Joop übernahm kommissarisch bis Juni 2010 die Geschäftsführung. Somit seien Sanders zu diesem Zeitpunkt mit 65 Prozent die Mehrheitseigner der Marke gewesen. Joop habe zu diesem Zeitpunkt 35 Prozent gehalten.

Bisher wird „Wunderkind“-Mode nach Unternehmensangaben in 80 „ausgesuchten und exklusiven“ Geschäften in 24 Ländern weltweit angeboten. Außerdem betreibt das Unternehmen selbst vier Geschäfte: In Berlin am Gendarmenmarkt und in der Tucholskystraße sowie in Kampen auf Sylt und in London. In Potsdam besitzt Joop die „Villa Wunderkind“ in der Seestraße, die er bisher weitgehend privat nutzt, sowie die Villa Rumpf in der Ludwig-Richter-Straße, bisher Firmensitz von „Wunderkind“. Beide Bauwerke liegen direkt am Ufer des Heiligen Sees.

In der Villa Rumpf hatte Joop 2003 seine erste „Wunderkind“-Kollektion präsentiert. Das Ziel war klar: „Wunderkind“ sollte „Deutschlands exklusivstes und teuerstes Modelabel“ sein, hatte Lemberg angekündigt. Die Kollektionen wurden auf den Fashion Weeks in New York und Paris präsentiert. Im Jahr 2007 stiegen die Sanders – sie ersteigerten 2008 auch die ehemals als Restaurant genutzte „Villa Kellermann“ am Heiligen See – als Gesellschafter ein. 2009 führte „Wunderkind“ neben der Damen- auch eine Herrenlinie ein, es wurde eine Kosmetiklinie lanciert und im vergangenen Sommer die preisgünstigere Mode-Linie „24 h“. Joop ist außerdem derzeit für mehrere Firmen als Kreativpartner tätig; er berät den Wäschehersteller „Schiesser“, die Warenhauskette „Galerie Kaufhof“ und das Unternehmen „medi“, für das er Stützstrümpfe designte. Jüngst ließ er über das Auktionshaus „Christie’s“ in Paris Art-deco-Möbel aus der „Villa Wunderkind“ versteigern. Der Erlös lag bei 2,6 Millionen Euro. S. Schicketanz/dpa

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })