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Am GFZ trainieren Seismologen aus aller Welt derzeit Erdbebenanalyse und Gefahreneinschätzung

Am GFZ trainieren Seismologen aus aller Welt derzeit Erdbebenanalyse und Gefahreneinschätzung Von Jan Kixmüller Nach dem schweren Erdbeben im türkischen Izmit 1999 war die Task-Force des Potsdamer GeoForschungsZentrums (GFZ) schnell zur Stelle. Insgesamt 30 Stationen zur Erfassung der Nachbebentätigkeit wurden vor Ort aufgebaut, eine genaue Analyse der Ursachen des Bebens folgte. Ergebnis: Die ohnehin schon hohe Wahrscheinlichkeit, dass es in den kommenden 30 Jahren in der Millionen-Metropole Istanbul zu einem Beben der Stärke sieben oder mehr mit verheerenden Schäden kommen wird, ist weiter gestiegen. „Nun ist es unsere Aufgabe, die einheimischen Wissenschaftler von der Gefährdung zu unterrichten und sie in unseren Methoden auszubilden“, erklärt Dr. Claus Milkereit vom GFZ. Derzeit läuft am GFZ ein fünfwöchiger internationaler Trainingskurs zur Seismologie, aus 17 Ländern kommen die 25 Teilnehmer, hauptsächlich aus der von der Tsunami-Katastrophe betroffenen Region Südostasiens. Im Mittelpunkt der Ausbildung, die teils vom GFZ selbst getragen wird und zum Teil vom Auswärtigen Amt, der UNESCO und anderen Geldgebern, stehen die Sammlung und Auswertung der seismologischen Daten sowie die Gefährdungseinschätzung. „Wir wollen die Kursteilnehmer für unsere Methoden begeistern, damit sie an ihrem Job nicht verzweifeln“, sagt Milkereit. Viele von den jungen Wissenschaftlern tragen in ihren Heimatländern – darunter Indonesien, Ghana, Indien, Bangladesch, Türkei aber auch Bulgarien – in staatlichen Behörden oder an Hochschulen Verantwortung, ohne dass für ihre Arbeit ausreichend staatliche Gelder zur Verfügung stehen. Meist würden erst nach Katastrophen wie dem Tsunami Mittel für Schutzmaßnahmen freigegeben. Die Potsdamer Forscher unterrichten die Kursteilnehmer nun darin, wie mit den seismischen Geräten umzugehen ist, wie sie aufzubauen und zu schützen sind. Wichtig ist auch eine treffende Einschätzung der weiteren Gefährung. „Was ist der Unterschied eines Bebens der Stärke sechs oder sieben – das muss man einschätzen können“, so Milkereit. Für die Analyse der Gefährdung in einer spezifischen Region bedarf es einer großen Zahl von seismischen Daten. Wie man an sie heran kommt und wie man sie interpretiert, das wird derzeit am GFZ vermittelt. „In vielen Entwicklungsländern herrsche noch die Ansicht, dass es sich um Geheimdaten handelt“, so Milkereit. Aber mitnichten: Die Daten sollten weltweit frei zugänglich sein. Dafür setzt sich das GFZ seit Jahren ein. Ein Ergebnis davon ist das Datennetz GEOFON, das frei im Internet zugänglich ist (Siehe Hinweis). Um die Kenntnisse für genau Prognosen von Erdbeben geht es in dem Kurs allerdings nicht. Solche Vorhersagen dürften auch in den kommenden Jahrzehnten nur schwer möglich sein, schätzt der Experte für Erdbeben-Magnituden Prof. Peter Bormann vom GFZ. Bei der Politik fehle es oft am Verständnis für die Forschungsarbeit: Manch ein Politiker frage gar, wie viele Erdbeben sich durch die Forschung schon hätten verhindern lassen.Was die Wissenschaft allerdings leisten könne, sei die genaue Beobachtung und Auswertung der seismischen Aktivitäten. „So können wir eine erhöhte Wahrscheinlichkeit ermitteln, wie etwa für Istanbul“, erläutert Bormann. Die Konsequenzen daraus muss nach Ansicht von Bormann die Politik ziehen: „Bestehende Bebauung muss entsprechend gesichert werden, Neubauten dürfen nur nach strikter Einhaltung der Normen errichtet werden.“ Dass dem oft nicht so ist, weiß Bormann aus langjähriger Erfahrung. Die Politik würde meist nur kurzfristig planen. „Bei der Prävention von Erdbebenschäden müssen wir aber heute tätig werden, um die Folgen der Katastrophen von morgen abzumildern.“ Es gehe auch darum, dass in bestimmten Regionen grundsätzlich nicht gebaut werden dürfe. „Dafür wollen wir bei den Teilnehmern unseres Kurses den Blick schärfen“, erklärt der Seismologe. Er nennt das „vorbeugende katastrophenbewusste Kultur“. Die Schäden, die nach Erdbeben auftreten seien meist Ergebnis von politischer Ignoranz. Ein anderer Grund sei allerdings auch die Armut vieler betroffener Ländern. Dort sei ein Training wie derzeit am GFZ kaum denkbar. Letztlich hat das GFZ aber auch selbst etwas von seinem Engagement. Aus eigener Erfahrung kann Claus Milkereit berichten, dass es sich auszahlt, wenn bei den Einsätzen der Task-Force in den betroffenen Ländern vom GFZ ausgebildete Experten vor Ort zur Verfügung stehen. Das Training zeige Wirkung, schließlich sei ein exakte Erdbebenortung essentiell für die weitere Gefahreneinschätzung. Und so zählt die Ausbildung auch mit zu dem 45-Millionen-Euro-Paket, das Deutschland zur Frühwarnung nach der Tsunami-Katastrophe geschnürt hat. Rund fünf Millionen Euro davon fließen in Schulung und Weiterbildung. Die Potsdamer Geoforscher wissen allerdings nicht erst seit dem Tsunami, wie wichtig solche Fortbildungen sind. Den Kurs gibt es schon seit 25 Jahren, vor dem GFZ wurde er vom Zentral Institut für die Physik der Erde (ZIPE) der DDR ausgerichtet. Wer nun glaubt, die Thematik habe für Deutschland keine Relevanz, der irrt. Prof. Bormann und seine Kollegen warnen schon seit Jahren vor einem starken, zerstörerischen Erdbeben in der Kölner Region. Und auch hier lässt die Vorbeugung zu wünschen übrig: Die Potsdamer Geoforscher haben festgestellt, dass sowohl die Hochhäuser als auch die Einfamilienhäuser teilweise genau dort gebaut wurden, wo sie aufgrund ihrer Schwingungseigenschaften am stärksten gefährdet sind. www.gfz-potsdam.de/geofon/seismon/globmon.html

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