Landeshauptstadt: Kaum Zeit für die DDR
Der Verband der Geschichtslehrer fordert mehr Stunden und eine andere Methodik
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Die Vermittlung von DDR-Geschichte dürfe nicht in den Freizeitbereich gedrängt werden oder vom Engagement einzelner motivierter Lehrer abhängen, sagt Günter Kolende, Vorsitzender des Brandenburger Geschichtslehrerverbands. Auch wenn wenn er sich über jedes Projekt, das das Interesse der Schüler an der deutsch-deutschen Vergangenheit weckt, sehr freut. Grundsätzlich sei es aber leider so, dass es in Brandenburg zu wenig Stunden Geschichtsunterricht gebe.
Auch das Projekt der Mauererforschung (siehe nebenstehender Artikel) lief auf freiwilliger Basis. Die Geschichtslehrerinnen der Goetheschule, Raika Seipold und Sabine Abraham, engagierten sich nach Dienstschluss. Beide klagten, dass im regulären Geschichtsunterricht für eine gründliche und angemessene Aufarbeitung der DDR-Geschichte kaum Zeit bliebe.
Seit Jahren setzt sich der Verband für eine Aufstockung des Umfangs des Geschichtsunterrichts ein. Stattdessen wurden es immer weniger Stunden, weil für das Fach LER (Lebenskunde, Ethik, Religion) auch noch Stunden abgeknapst wurden. Derzeit umfasst die Stundentafel in Klasse sieben und neun jeweils ein, in Klasse acht und zehn jeweils zwei Stunden Geschichtsunterricht. Am Ende der zehnten Klasse sollen die Schüler im 20. Jahrhundert angekommen sein. Das sei fast unmöglich, findet Kolende. Gründe dafür nennt er mehrere.
Zum einen fehle die Vertretungsreserve, die nach wie vor zu einer hohen Ausfallrate führt und es Lehrern sehr schwer mache, an Fortbildungen teilzunehmen. Es gebe hochinteressante Angebote, um die Lehrer methodisch-didaktisch fit zu bekommen, den Stoff der jungen Nachwendegeneration zu vermitteln. Und die Lehrer seien äußerst motiviert, sagt Kolende. Hinzu komme die Diskrepanz zwischen „Schulstunde und Küchentisch“. Die Kinder hören zu Hause manchmal noch immer etwas anderes als in der Schule. „Da müssen wir vermittelnd einschreiten“, sagt Kolende.
Grundsätzlich wünscht sich der ehemalige Lehrer für Geschichte und Deutsch eine Hinwendung zum modernen Geschichtsverständnis und zu einer zeitgemäßen Vermittlung. Bisher werde Geschichte zumeist nach herkömmlichem Verständnis epochal behandelt, das heißt chronologisch von der Urgeschichte über Aufklärung und Kapitalismus bis ins 20. Jahrhundert. „Diese Herangehensweise erleichtert oft den Bezug auf Zusammenhänge, Ursachen und Folgen“, sagt der Lehrer, aber man laufe Gefahr, einfach nicht alles zu schaffen.
Ein moderner Geschichtsunterricht geht von einer punktuellen Fokussierung aus, in der längsschnittartig Themen betrachtet werden. „Das erlaubt den Bezug auf Zeitgeschichte bis hin zur Gegenwart“, sagt Kolende. Unter diesem Aspekt würden bereits Geschichtsbücher überarbeitet und neu herausgegeben. Dabei sei die jüngste deutsche Geschichte ein Thema, das besondere Aufmerksamkeit verdiene. Die Vermittlung von Zeitgeschichte dürfe keineswegs dem Zufall überlassen werden. Die heutigen Schüler gehören mittlerweile zur ersten Generation, die die DDR nicht mehr selbst erlebt hat. „Die betrachten diese Epoche nicht anders als den Dreißigjährigen Krieg“, sagt Kolende. Diesem Fakt müsse auch der Unterricht in seiner Methodik Rechnung tragen. Dass allerdings gerade jetzt in Brandenburg sämtliche Fachberater abgeschafft werden, sei nicht förderlich, klagt der Verband. Steffi Pyanoe
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