"Social Freezing" auch in Potsdam: Kinderwunsch auf Eis gelegt
Das Einfrieren von Eizellen, das sogenannte Social Freezing, ist nun auch in Potsdam möglich. Bislang nutzten vor allem Krebspatientinnen diese Methode.
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Potsdam - Es hat bundesweit eine moralische Debatte ausgelöst: das „Social Freezing“, bei dem große US-Firmen wie Facebook und Apple ihren Mitarbeiterinnen das Einfrieren der Eizellen bezahlen. Jetzt geht das Kinderwunschzentrum Potsdam mit dieser Methode, eine Schwangerschaft ohne medizinische Gründe auf später zu verschieben, in die Offensive. Das Zentrum, das in den Bahnhofspassagen seine Praxis hat, kooperiert dafür nun auch mit der Rostocker Firma Seracell, die das „Social Freezing“ bundesweit für Frauen anbieten will.
Bislang wurde das Einfrieren von Eizellen hauptsächlich von Krebspatientinnen genutzt, sagt der Arzt Dr. Kay-Thomas Moeller vom Kinderwunschzentrum. Denn die Strahlen- oder Chemotherapie erhöhe die Gefahr einer späteren Unfruchtbarkeit. Wie sich die Nachfrage für das „Social Freezing“ unter gesunden Frauen entwickle, sei schwer abzusehen. Moeller geht aber davon aus, dass es gesellschaftlich zu einem Umdenkprozess kommt: „Dass es ab 35 Jahren mit der Fruchtbarkeit eng ist, wird bisher noch nicht so wahrgenommen“, sagt er.
"Freezing" wie eine Versicherung
Auch für das „Freezing“ könne die Frau nicht viel älter als 35 Jahre sein. Das Auftauen der Eizellen und eine künstliche Befruchtung würde er bis zu einem Alter von maximal 45 Jahren vornehmen. Um den zweiten Schritt gehe es den bisher bei ihm behandelten Frauen aber nicht: „Sie wollen auf normalem Wege schwanger werden.“ Zur Sicherheit aber ließen sie ihre Eizellen rechtzeitig einfrieren. Zu ihm kämen etwa Single-Frauen, die beruflich länger ins Ausland gehen und nicht damit rechnen, den passenden Partner zu finden. Moeller vergleicht das „Freezing“ mit einer Versicherung: „Das macht man, damit man es nicht benutzen muss.“ Dass sich wie in den USA in Deutschland Firmen finden, die das „Social Freezing“ für Mitarbeiterinnen anbieten, glaubt Mathias Freund, der medizinische Direktor von Seracell, nicht: „Ich denke, in Deutschland ist man vorsichtiger.“ Seracell wende sich in erster Linie an Frauen, die ein leicht organisierbares und bezahlbares Angebot suchen. „Wenn Firmen das anbieten wollen, sind sie aber herzlich willkommen.“
Die Entscheidung dafür oder dagegen ist nicht nur eine Frage der persönlichen Einstellung, sondern auch des Geldes. Die Kosten für die Lagerung der Eizellen sollen bei knapp 300 Euro pro Jahr liegen, so Freund. Hinzu kommt der Eingriff, für den mit rund 2500 Euro zu rechnen sei, und die Kosten für Medikamente – vor der Entnahme müssen Hormone gespritzt werden.
Eizelle wird in Sekundenbruchteilen schockgefrostet
Wie das eigentliche Einfrieren der Eizellen funktioniert, sei bereits länger bekannt, sagte Freund. Die 2002 aus der Universität Rostock heraus gegründete Firma beschäftigt nach eigenen Angaben rund 50 Mitarbeiter, produziert unter anderem für die Krebsbehandlung Stammzellen und unterhält seit 2008 auch eine Nabelschnurblutbank.
Die Herausforderungen beim „Social Freezing“ seien der Transport und die langfristige und sichere Lagerung der entnommenen Eizellen, so Freund. Denn die Zellen dürften während des gesamten Prozesses eine bestimmte Höchsttemperatur nicht überschreiten. Die Zellen würden nach der Entnahme in der Kinderwunschpraxis innerhalb von Sekundenbruchteilen auf minus 196 Grad – der Temperatur von flüssigem Stickstoff – heruntergekühlt und so in ein zentrales Lager in Rostock gebracht. Minus 150 Grad dürfen bei Transport und Lagerung nicht überschritten werden. Das sei durch spezielle Lagertanks gesichert, die auch vergleichsweise unabhängig von der Stromversorgung seien. Theoretisch könnten die Zellen unbegrenzt gelagert werden, sagt Freund.
Lesen Sie hier: Autorin Jana Haase ordnet die umstrittene Methode ein.
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