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Positiver Verlauf bei den Verhandlungen zur jüdischen Theologie an der Universität Potsdam
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Die institutionelle Verankerung der Jüdischen Theologie an der Universität Potsdam nimmt Gestalt an. Brandenburgs Wissenschaftsministerin Sabine Kunst sagte den PNN, dass die Gespräche darüber an der Hochschule einen positiven Verlauf nehmen würden. Der Vizepräsident für Lehre und Studium der Universität, Thomas Grünewald, sagte dazu, dass die Universität eine wissenschaftsadäquate Organisation der jüdischen Theologie innerhalb der Hochschule verwirklichen will. Der Fakultätsbegriff sei allerdings ein Arbeitstitel, er werde unter Vorbehalt benutzt: „Wir werden erst zum Schluss entscheiden, ob dies im klassischen Sinne eine Fakultät sein muss“, erklärte Grünewald am Mittwoch am Rande einer Veranstaltung zur Theologie an den deutschen Hochschulen.
Der Uni-Vize zeigt sich optimistisch, bis zur Jahresmitte einen Organisationsvorschlag für die jüdische Theologie zu präsentieren, der von den anderen Fakultäten mitgetragen wird. „Ich bin relativ zuversichtlich, dass wir das schaffen werden.“ An der Potsdamer Universität könne die Diskussion um das Vorhaben ohne größere Vorbelastungen geführt werden, weil es kein Konfliktpotenzial mit einer bereits bestehenden Fakultät für Theologie gibt. Grünewald betonte auch, dass eine jüdisch-theologische Fakultät anders konstruiert werden müsse, als eine christliche. „Es geht nicht darum einen Klerikalisierungsprozess zu übertragen“, erklärte er. Es soll etwas Eigenständiges entstehen. Die jüdische Theologie soll in einer Querstruktur an der Uni etabliert werden. „Es gibt viele Personen und Disziplinen an der Universität, die kooperieren wollen.“ Das reiche von der Religionssoziologie bis zur Physik. Zu den klassischen jüdischen Theologen sollen „affine Kollegen“ hinzukommen, die das Spektrum erweitern. Das liegt ganz im Sinne von Ministerin Kunst, die auf der Theologie-Konferenz der Adenauer Stiftung eine stärkere Öffnung zu den anderen Disziplinen und eine größere wissenschaftliche Sichtbarkeit der deutschen Theologien gefordert hatte.
Die jüdische Theologie soll nach Grünewalds Vorstellungen mitten in der Hochschule platziert werden: „Damit soll der Universität durchaus ein religionswissenschaftlich-theologischer Schwerpunkt gegeben werden.“ In der Universität gebe es viel Sachverstand für das Thema. „Wenn wir das geschickt neu zusammenführen, dann können wir mit vergleichsweise begrenzten Mitteln beginnen“, sagte Grünewald. Er plädiert dafür, nicht zu warten, bis eine gut ausgestattete Fakultät auf den Beinen steht, sondern mit dem was vorhanden ist, das Projekt umgehend zu beginnen.
Zu einem bundesweiten Tauziehen um eine Fakultät für jüdische Theologie war es zum Jahreswechsel gekommen, nachdem Thüringens Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht (CDU) im Dezember die Gründung einer jüdisch-theologischen Fakultät zusammen mit dem Potsdamer Abraham Geiger Kolleg an der Universität Erfurt vorgeschlagen hatte. Das Geiger-Kolleg hatte zuvor zögerliche Verhandlungen mit dem Land Brandenburg bemängelt. Ein klares Bekenntnis zu dem Vorhaben wurde gefordert. Neben Erfurt führte das Rabbinerseminar auch Gespräche mit der Universität Nürnberg-Erlangen. In der Auseinandersetzung über die Fakultätsgründung hatte der Direktor des Geiger-Kollegs, Walter Homolka, mit dem Weggang des 1999 gegründeten Rabbinerseminars nach Thüringen gedroht. Mit konkreten Ergebnissen der Verhandlungen in Brandenburg rechnet Homolka nun im Juli dieses Jahres. „Dann werden auf einer Stiftungsratssitzung des Rabbinerseminars die einzelnen Verhandlungsergebnisse aus den verschiedenen Bundesländern vorgestellt und eine Entscheidung getroffen werden“, sagte er am Donnerstag den PNN. Die Verhandlungen im Gesprächskreis Jüdische Theologie der Universität Potsdam bezeichnete er als konstruktiv. „Ich erkenne die große Bereitschaft der Universität, Jüdische Theologie als Chance zu begreifen.“
Die Universität hatte zuvor ihre Absicht erklärt, sich mit dem Geiger-Kolleg gemeinsam beim Land dafür einzusetzen, dass bis zum Haushaltsjahr 2013 die finanziellen Voraussetzungen für die Fakultät geschaffen werden. Der neue Präsident der Universität, Oliver Günther, hatte sich zu Jahresbeginn eindeutig zu dem Vorhaben bekannt. Auch Brandenburgs Landtag hatte im Februar ein Zeichen gesetzt und sich für den Verbleib des Geiger-Kollegs in Potsdam ausgesprochen.
Eine Fakultät für jüdische Theologie wäre für ganz Deutschland ein historisches Novum. An einer deutschen Hochschule hat es bis heute noch keine eigenständige Fakultät für jüdische Theologie gegeben. Die Stärkung der theologischen Ausbildung der Rabbiner geht auf den Wissenschaftsrat zurück, der an deutschen Hochschulen eine Gleichstellung der islamischen und jüdischen Theologie mit den christlichen gefordert hatte.
Der Vorsitzende der Allgemeinen Rabbinerkonferenz (ARK), Rabbiner Henry G. Brandt, spricht sich für die zügige Gründung einer jüdisch-theologischen Fakultät an einer staatlichen Universität aus. „Wir brauchen sie, und es wäre auch ein Vervollständigung der deutschen Geschichte“, sagte Brandt am Mittwoch auf der Konferenz der Adenauer-Stiftung in Berlin. Der Wissenschaftsrat, die Rabbinerkonferenz und die Kultusministerkonferenz stehen zum Standort Potsdam, auch weil Berlin-Brandenburg sich gegenwärtig zu einem Zentrum des neu erwachenden jüdischen Lebens in Deutschland entwickelt.
An der Universität Potsdam studieren am Abraham-Geiger-Kolleg bereits seit 2001 künftige Rabbiner für jüdische Gemeinden in ganz Europa. Mit dem 1994 eingerichteten interdisziplinären Studiengang „Jüdische Studien“ hat sich die Forschung und Lehre in diesem Bereich zu einem bundesweit wie international bedeutenden Universitätsangebot entwickelt. Am Institut für Jüdische Studien sind derzeit fast 300 Studierende immatrikuliert.
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