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Landeshauptstadt: Kopie in der Kopie

Ein Stück Sanssouci fürs Landtagsschloss: Im Innenhof wird ein Kunstwerk von Florian Dombois aufgebaut

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Gelb im Innenhof des Landtags. Das gabs noch nie. Wer jetzt durch das Fortunaportal den Innenhof betritt, dem fällt sofort der neue Farbklecks auf, der zwischen sattem Rasengrün und dem Puderrosa der Schlossfassade fremdelt. Gelb leuchtet die Kunst am Bau, zwei riesige Skulpturen des Kölner Künstlers Florian Dombois, der im vergangenen Jahr den Wettbwerb um die künstlerische Ausstattung des neuen Landtags gewann. Seit dem gestrigen Donnerstag werden sie nun aufgestellt, die beiden Aluminiumkonstrukte, jeweils vier miteinander kreuzartig verbundene Metallhohlkörper, Platten eigentlich, die in ihrer Gesamtwirkung an das Zentraloval des Schlosses Sanssouci erinnern sollen.

„Zugabe“ hat Dombois seine Werke genannt, vielleicht weil sie wie Fremdkörper provozieren, andererseits aber aufgrund ihres hohen Wiedererkennungswerts im kollektiven Gedächtnis fast überall stehen könnten. Nichts ist so sehr Potsdam wie dieses Motiv.

„Ich hatte heute schon zwei Kaufanfraggen“, sagt Christian Heß. Der Schlosser der Berliner Firma Ferrotec, die monatelang an dem Werk gearbeitet hat und jetzt Transport und Aufstellung übernimmt, findet das amüsant. „Ich hab gesagt – natürlich, wir produzieren das! Wenn Sie genügend Lust drauf haben...“ Heß lächelt vor sich hin. Und rechnet vor: Allein das Aluminium, etwa sechs Tonnen, käme auf geschätzt 30 000 Euro. „Der geringste Teil aller Kosten!“

Aber Gucken kostet nichts. Bei schönstem Kaiserwetter ziehen am Flatterband der provisorischen Baustelle viele Touristen vorbei, schauen irritiert oder interessiert, stellen Fragen, fotografieren. Ob das eine Filmkulisse wäre, fragen manche. Sie liegen gar nicht so falsch, die Bemalung der Alu-Oberfläche führten zwei Theatermaler aus Stahnsdorf aus, die auch Kulissenbilder fertigen. Steht man nur wenige Meter von den Aluwänden entfernt, wirken der gelbe Sandstein, Vasen, Skulpturen und die kleinen geschwungenen Dachgauben sehr plastisch, bildet die wassergrüne Kuppel ganz überraschend eine Linie mit dem Dach der Nikolaikirche. Die Kunst bekommt eine Form. Wenn alle Teile stehen, wird man hinein- und darunter hindurchgehen können.

Bis alles steht und fertig ist, wird es noch ein wenig dauern. Zuletzt muss noch die jeweilige Bodenplatte mit Sandstein ausgelegt werden. Erst am 7. Juni, so der Künstler Florian Dombois, ist die offizielle Einweihung. Dombois, der in Zürich eine Professur an der Kunsthochschule innehat, ist erst Donnerstag eingeflogen. Im Schatten stehend beobachtet er, wie die Ferrotec-Männer mit Kran und anderem Gerät hantieren. Der zarte Rasen ist mit Spanplatten abgedeckt und so vor schwerem Gerät geschützt, lange Holzbalken, mit Teppich umwickelt, liegen aus, um darauf die Aluteile sanft zu lagern, bevor sie senkrecht aufgestellt und miteinander verbunden werden. Fast sieben Meter sind sie hoch, 3,50 Meter breit, gut 15 Zentimeter die Hohlkörper dick. Und je 800 Kilogramm schwer.

Sie müssen einzeln herangebracht werden, weil sie nicht liegend transportiert werden können. Jedes Teil wird senkrecht auf einem flachen Hänger festgezurrt. Unter manchen Brücken kommen sie nur knapp durch, sagt Heß. Das erste Teil steht gegen Mittag, lange wartet man auf das nächste. „Das verzögert sich, weil es auf der Stadtautobahn einige Unfälle gegeben hat“, sagt jemand. Ob die Kunst auf dem Hänger versichert ist? Heß runzelt die Stirn. „Klar, muss ja“, sagt ein Kollege.

Florian Dombois ist auf der Dachterasse des Landtags, von wo aus das unfertige Objekt wie ein Modellbausatz aussieht. Unten bleibt ein Ehepaar aus Bonn vor der Kunst stehen. Als Preußenfan gefällt ihm das, sagt der Mann, und gegen moderne Einflüsse hat er auch nichts. „In Bonn regt man sich derzeit über eine Beethovenskulptur von Markus Lüpertz auf“, sagt er und schüttelt den Kopf. Auch eine Dame aus Berlin schüttelt den Kopf. „Erstmal abwarten“, sagt sie, „wie das Ganze dann am Ende tatsächlich aussieht.“ „Ach was, das wird schon, alles andere ist auch geworden“, sagt ihre Begleiterin.

„Natürlich bin ich aufgeregt“, sagt Dombois. Er hat zwar zuvor Modelle gebastelt, aber Vorstellung und Realität seien nicht immer dasselbe. Und wenn es nicht jedem gefällt? Bei Kunst geht es nicht ums Gefallen, sagt er, es gehe um das Entstehen von neuen Beziehungen und Bedeutungen. Ganz bewusst hat er die Standorte für beide Skulpturen ausgewählt, versetzt und nicht symmetrisch angeordnet. „Hier ist alles auf Sichtachse, dem füge ich mich nicht.“ Außerdem sollen die Kunstkritiker mal nicht so ungeduldig sein. Manches brauche Zeit, bis es sich einfügt. „The proof of the pudding is in the eating“, zitiert er plötzlich ein englisches Sprichwort: Erst wenn man den Pudding isst, weiß man, ob er schmeckt.

Dann kommt das Auto mit Hänger und nächstem Teil auf den Alten Markt gefahren. „Lkw ging nicht, wäre zu schwer gewesen, weil unterm Schloss die Tiefgarage ist“, sagt Heß. Aufgrund des großen Wendekreises fädelt sich der Fahrer rückwärts durch das Fortunaportal. Zu den Seiten und nach oben bleiben ihm je 20 Zentimeter Luft. Das kostbare Stück Sanssouci-Imitat kommt an den Kranhaken, dann werden Gurte gelöst und die Platte schwebt auf den Rasen. Bis Dienstag, so schätzt Christian Heß, werden sie die acht Puzzleteile zu den zwei Pavillons zusammengesetzt haben. Anschließend werden Feinarbeiten erledigt. Zwei ägyptische Fachhochschul-Studenten schauen zu und interessieren sich für die Technik. Und dass hier Potsdams Geschichte mit der Moderne verbunden wird, sagt einer, sei gut für die Stadt.

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