Vorstoß von Brandenburgs Finanzminister Görke: Kritik aus Potsdam am kostenlosen Kita-Jahr
Was passiert mit den frei werdenden Mitteln des gescheiterten Betreuungsgeldes? Brandenburgs Finanzminister Christian Görke (Die Linke) möchte damit ein beitragsfreies Kita-Jahr einführen. Doch dafür erntet er viel Kritik.
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Potsdam - Viel Skepsis und Ablehnung, kaum Unterstützung: Der Vorschlag des Linke-Finanzministers Christian Görke für ein beitragsfreies letztes Kita-Jahr in Brandenburg ist in Potsdam auf Kritik gestoßen. Unter anderem sagte Sozialdezernentin Elona Müller-Preinesberger (parteilos) auf PNN-Anfrage, es sei „äußerst fraglich“, was sich damit für die Kinder verbessern würde. Auch Kita-Träger und Stadtpolitiker sowie die Grünen im Landtag kritisierten den Görke-Vorstoß.
Nach dem Aus für das Betreuungsgeld hatte der Landesfinanzminister am Sonntag eine Beitragsfreiheit für das letzte Kita-Jahr wie im Nachbarland Berlin ins Gespräch gebracht. Finanziert werden solle dies aus den frei werdenden Mitteln des Bundes – Görke rechnet mit 27 Millionen Euro pro Jahr, die dafür verwendet werden könnten, das Vorschuljahr elternbeitragsfrei zu gestalten.
Geplatztes Betreuungsgeld: Nun mehr Geld für Kita-Betreuung
Müller-Preinesberger hatte sich dagegen schon nach dem vom Bundesverfassungsgericht verfügten Aus für das Betreuungsgeld dafür ausgesprochen, mit dem Geld die Qualität der Betreuung zu verbessern. Am Dienstag sagte sie, damit könne die Chancengleichheit der Kinder beim Übergang von der Kita in die Schule duch ein „Mehr an Betreuung und Bildung“ erhöht werden: „Das wäre sehr gut angelegtes Geld für unser Land im Sinne von Investitionen in unsere Zukunft.“ Außerdem verwies sie auf die Absicht der Stadt, einkommensschwächere Familien bei Kitas ohnehin stärker zu entlasten. Auch Potsdams SPD-Chef Mike Schubert sagte, dass Geld solle besser in die Qualität der Kita-Betreuung gesteckt werden.
Wie berichtet hat Potsdam bei der Kitabetreuung ein Qualitätsproblem. Laut einer Studie der Bertelsmann-Stiftung wird in Potsdam der gesetzliche Betreuungsschlüssel für Kinder im Krippenalter von eins zu sechs verfehlt – rechnerisch muss – nach Abzug etwa von Krankheitszeiten – jeder Erzieher in der Landeshauptstadt zehn Kinder betreuen, hatte die zuständige Expertin der Stiftung vorgerechnet. Bei den ab dreijährigen Kitakindern sei de facto jede Erzieherin sogar für knapp 17 Kinder zuständig – und dies sei noch konservativ gerechnet, so der Bertelsmann-Befund. Der vom Land gesetzlich vorgegebene Personalschlüssel liegt in diesem Bereich bei eins zu zwölf. Grund sei unter anderem, dass Potsdamer Eltern ihre Kinder pro Tag länger in die Kitas bringen, als das Land dies finanziert.
Geringverdiener würden nicht profitieren
Auch angesichts dieser Erhebung gibt es innerhalb der Landesregierung Widerstand gegen den Görke-Vorstoß. So hatte Bildungsminister Günter Baaske (SPD) bereits nach dem Urteil zum Betreuungsgeld erklärt, er halte gebührenfreie Kitas nicht für vorrangig: „Für Nutzer kostenfreie, den Steuerzahler aber teure Kitas würden vor allem die Mittelverdiener belohnen, da sie nach kommunalen Satzungen in der Regel prozentual mehr zahlen als Geringverdiener.“ Eltern, die aus sozialen Gründen schon weitgehend von Beiträgen befreit seien, hätten kaum etwas davon. „Das Geld sollte lieber den Kita-Kindern zugutekommen“, so Baaske.
Ähnlich äußerte sich am Dienstag auch der Chef des Paritätischen Landesverbands in Potsdam, Andreas Kaczynski. Er sagte auf Anfrage, ein beitragsfreies Kitajahr sei aus seiner Sicht „nicht sinnvoll“, weil es sich um eine Entlastung nach dem Gießkannenprinzip handele. Sinnvoller seien daher gezieltere Hilfen für sozial schwache Familien oder eben die Verbesserung der Kita-Qualität, so Kaczynski. Der Paritätische ist Dachverband der freien Wohlfahrtspflege und vertritt damit etliche Kita-Träger. Zurückhaltender äußerte sich die Potsdamer Arbeiterwohlfahrtschefin Angela Basekow: Sie empfahl der Politik, eine Minute Luft zu holen und genau zu überlegen, wie die Millionen verwendet werden könnten. Eine ausführliche Stellungnahme der Awo werde folgen.
Grüne im Landtag: Angleichung der Kita-Gebühren in Brandenburg
Kritik am Görke-Plan kam von den Grünen im Landtag: Aufgabe der Landesregierung müsse es vielmehr sein, für eine Angleichung der Gebühren in Brandenburg zu sorgen – so sei in einzelnen Kommunen die Beiträge doppelt so hoch wie anderswo. Zudem müsste es für die Ausstattung von Räumen und bei der Anschaffung von Spielmaterialen Qualitäts-Leitlinien geben, um auch hier die enorme Diskrepanz zwischen den Kommunen abzubauen, so die Grünen.
Dagegen verteidigte Linke-Landesvize Sebastian Walter den Vorstoß des Ministers. „Wir sollten keine Sozialpolitik nach Kassenlage machen, sondern zeigen, dass die finanzielle Entlastung der Eltern uns wichtig ist“, so Walter. Familien dürften sich nicht überlegen müsssen, ob sie sich ein zweites oder drittes Kind leisten können. Wie berichtet will die rot-rote Landesregierung den Personalschlüssel in den Kita landesweit erhöhen – den Trägern reicht dies allerdings nicht aus.
Forderung: Mehr Investitionen für Erzieher
Auch bei den Linken selbst gibt es Skepsis gegen den Görke-Vorstoß. Der ausgewiesene Jugendhilfe-Spezialist und Potsdamer Linke-Vizekreischef Stefan Wollenberg sagte den PNN auf Anfrage, seiner Meinung nach sollte das Geld in eine bessere Qualität bei der Kinderbetreuung gesteckt werden – und damit in mehr Erzieher und deren Fortbildung. Das letzte beitragsfreie Kita-Jahr sei im benachbarten Berlin vor allem eingeführt worden, um Hürden für Kita-Verweigerer vor der Grundschule zu senken – dieses Problem sei in Brandenburg deutlich kleiner. Größere Schwierigkeiten gebe es aber mit dem auch im bundesweiten Vergleich niedrigen Personalschlüssel in den Kitas, so Wollenberg.
Unmittelbar nach dem Urteilsspruch hatte sich zu Wochenbeginn auch Görkes Parteigenossin, die brandenburgische Familienministerin Diana Golze, dafür ausgesprochen, das freiwerdende Geld in die frühkindliche Förderung zu stecken. So sollten etwa Kindertagesstätten besser ausgestattet werden, so Golze.
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