Landeshauptstadt: Kunst regierte über Gefahr
Die Uraufführung von Salman Rushdies „Die Satanischen Verse“ im Hans Otto Theater verlief friedlich
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Berliner Vorstadt - Die Aufregung vorher war groß. Größer wohl, als es die Bedrohung selbst je war. Trotzdem, das Polizeiaufgebot am Sonntagnachmittag vor dem Hans Otto Theater war unübersehbar. Der Grund: Eine nicht nur inhaltlich diskutable Weltpremiere von Salman Rushdies „Die satanischen Verse“ als Theaterspiel. Die im Vorfeld vereinzelt kolportierte Vermutung, es könne zu Protesten von Muslimen vor dem Theater kommen, bestätigte sich nicht. Gänzlich ungestört ging die vierstündige Vorstellung über die Bühne.
„Nie waren vorher konkrete Gefährdungen bekannt und auch während der Vorstellung haben wir nichts feststellen können“, sagte gestern Rudi Sonntag, Pressesprecher des Polizeipräsidiums Potsdam. Wie viele Beamte gestern um und im Theater an der Schiffbauergasse im Einsatz waren, wollte Sonntag aber nicht sagen. Neben den uniformierten Beamten vor dem Theater wurde auch Polizei in Zivil im Haus eingesetzt, darüber hinaus standen Reserveeinheiten für den Ernstfall bereit.
Es war die Uraufführung eines Stücks nach der literarischen Vorlage des indisch-britischen Autors Rushdie. Gegen ihn besteht seit 1989 ein religiöses Todesurteil des damaligen iranischen Ayatollah Khomeini, weil er in den „Satanischen Versen“ angeblich den Islam verunglimpft haben soll. Das Buch erzählt von zwei indischen Immigranten, die in einer Traumwelt als Engel und Teufel über Mystik, Religion, westliche Welt und Islam philosophieren.
Waren die Proteste bei Erscheinen des Buches riesig, blieben sie vor der Theaterpremiere verhältnismäßig gering. Fast alle Vertreter islamischer Gruppen hatten zu Gelassenheit aufgerufen. Der Islamrats-Vorsitzende Ali Kizilkaya bedauerte indes die Aufnahme des Stückes in den Spielplan und sprach von provokativer Verletzung der religiösen Gefühle von Muslimen. Aber Polizei-Pressesprecher Rudi Sonntag betonte nur immer wieder: „Es gibt keine konkrete Bedrohung.“
Das Gefahren-Szenario wegen vermeintlich gar gewalttätiger Proteste kritisierten nicht zuletzt die Premieren-Gäste selbst. Kaum einer fühlte sich bedroht. Lea Rosh, Vorsitzende des Hans Otto Theater-Fördervereins winkte auf die Frage, ob sie besonders angespannt sei, nur ab. „Ich lasse mich doch nicht von ein paar verrückten Islamisten in die Flucht schlagen.“ Auch Schauspielerin Anja Kling betonte: „Ich bin keineswegs ängstlich“, und umschrieb die Stimmung im Vorfeld mit „schräg“. „Der Mensch neigt ja schnell zu Panik, da kommt wohl deshalb Hysterie auf.“ Potsdams Kulturbeigeordnete Gabriele Fischer (parteilos) meinte: „Das war von den Medien hochgepuscht.“ In der Pause waren alle etwaigen Bedenken längst vergessen und die ersten Diskussionen über die Inszenierung in vollem Gange. Innerhalb der Künstlerfamilie Wolff/Feldmeier teilte sich die Meinung. Während Rita Feldmeier auf der Bühne stand, hatte Ehemann Achim Wolff im Parkett zu tun, die „schwere Kost“ zu verdauen. „Ich fühle mich allein gelassen“, sagte der Regisseur. Tochter Magdalena zeigte sich hingegen gefesselt und fühlte sich wie Bruder Maximilian, selbst Schauspieler, in ihrer Fantasie beflügelt.
„Es ist eine tolle, spannende Reise“, so auch der erste Eindruck von Schauspielerin Claudia Michelsen. Sie begeisterte sich vor allem an dem Assoziationsreichtum und an der feinen Ironie, die das vielschichtige Bühnenerlebnis bot. Schauspielerin Angelica Domröse fand das Ganze etwas schwer verständlich, während Ehemann und Kollege Hilmar Thate herausstrich, wie wichtig es sei, solche Themen ins Theater zu bringen. „Das passiert viel zu selten. Auch dem Mut sowie der gedanklichen Verknüpfung der beiden Stücke ,Faust I“ und ,Satanische Verse“ zolle ich meinen großen Respekt.“
Potsdams künftiger Intendant, Tobias Wellemeyer, sah sich durch diese Regiearbeiten von Uwe Eric Laufenberg zusätzlich motiviert, was die eigenen Perspektiven betreffe. „Es ist ein starkes, leidenschaftliches Projekt zu große Fragen unserer Zeit.“ Bei allen kontroversen Diskussionen über die Inszenierung gab es am Ende viel Beifall und Bravorufe.
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