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Von Anja Priewe: Künstlerische Selbstbehauptung

55 Jahre deutsche Filmkunst: Potsdamer Filmhochschule HFF feierte Jubiläum an der Berliner Volksbühne

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Heute gehört Thomas Heise zu den ganz großen Dokumentarfilmern in Deutschland. Dabei beginnt seine Karriere an der „Deutschen Hochschule für Filmkunst“ in Potsdam-Babelsberg wenig verheißungsvoll. Sein Hauptprüfungsfilm „Erfinder 82“ wird aufgrund politischer Einwände nicht angenommen. Nachdem Heise sich weigert den Film zu ändern, bedeutet diese Entscheidung das vorzeitige Ende seines Studiums. Danach arbeitet er als freiberuflicher Autor und Regisseur. Auf Initiative von Heiner Müller geht der Dokumentarfilmer schließlich an die Akademie der Künste nach Berlin.

Mittlerweile ist der Student von damals erwachsen geworden. Vergessen hat ihn an der Hochschule für Film und Fernsehen „Konrad Wolf“ (HFF) dennoch niemand. Heute gilt Heise vielen Studenten als Vorbild.

Und so war der Große Saal an der Berliner Volksbühne bis auf den letzten Platz besetzt, als am Mittwochabend Heises Film „Imbiss-Spezial“ aus dem Jahr 1989 zu sehen war. Schauplatz des 27-minütigen Dokumentarfilms ist eine Imbissbude im Berliner Bahnhof Lichtenberg. In schwarz-weißen Bildern zeigt Heise den Arbeitsalltag der Imbiss-Mitarbeiter in der Nacht zum 7. Oktober, dem 40. Jahrestag der DDR. Die Dokumentation, die als eine der wichtigsten Wende-Filme gilt, nimmt die Untergangsstimmung der Angestellten auf und kontrastiert sie mit der politischen Aufbruchstimmung dieser Tage.

„Es gibt eben auch berühmte Filmemacher, die kein Diplom an der HFF erlangt haben und aus denen trotzdem was geworden ist“, sagt HFF-Professorin Helke Misselwitz, die durch die Veranstaltung führte. Für Misselwitz, die selbst viele Jahre als Dokumentarfilmerin tätig war, zählt Thomas Heise heute zu den ganz großen Regisseuren. „Es ist Heises Reflexion gesellschaftlicher Dinge, die seinen Filmen eine ganz besondere Handschrift verleihen“, so die Professorin für Regie.

Mit dem Jubiläum zu 55 Jahren HFF entschieden sich die Veranstalter bereits zum wiederholten Mal für die Berliner Volksbühne. „Mit der Einrichtung verbindet uns von je her eine ganz besondere Beziehung – eine Art geistige Verwandtschaft, indem was Theater und auch Filme auszudrücken vermögen“, meint Helke Misselwitz.

Neben „Imbiss spezial“ warf der Episodenfilm „Mein 89“ einen anderen Blick auf die Wendezeit. Der Film, der gestern auch im rbb-Fernsehen zu sehen war, zeigt sechs Erinnerungen von HFF-Studenten an das Jahr 1989. Erzählt wird unter anderem die Geschichte der Kinder Frida und Max, die, inspiriert von der Montagsdemo in Leipzig und der Forderung nach freien Wahlen, in der heimischen Badewanne um die Freiheit der Wale kämpfen. Neben dieser erfrischenden Rückblende, erzählt eine andere Episode von der ganz persönlichen Tragödie des schwedischen Jungen Jöns Jönsen, dessen Eltern sich im Wendejahr scheiden lassen.

„Mein 89“ entstand als eine Koproduktion zwischen der HFF und dem rbb. Der Film gehört damit zu den weit über 3000 Spiel- und Dokumentarfilmen, die in den vergangenen 55 Jahren an der HFF entstanden sind. Viele dieser Arbeiten konnten internationale Erfolge verzeichnen. Heute zählt die Filmhochschule Potsdam-Babelsberg zu einer der bedeutendsten Ausbildungsstätte für den Filmnachwuchs. Nach 55 Jahren kann die HFF heute auf den Kampf um künstlerische Selbstbehauptung in der DDR-Zeit und die Erneuerung nach der Wende zurückblicken. Damit ist die Einrichtung die älteste und größte von fünf Medienhochschulen in Deutschland. Neben Thomas Heise gehören Andreas Dresen, Volker Koepp, Helke Misselwitz und Thomas Plenert zu den wohl bekanntesten Absolventen.

Zum offiziellen Festakt im Februar des kommenden Jahres an der Potsdamer HFF soll ein Buch unter dem Titel „Book of Fame“ erscheinen. Darin werden die Lebenswege von 55 Absolventen der Filmhochschule nachgezeichnet. „Auch wenn er sein Studium damals abgebrochen hat, wird Thomas Heise darin ganz bestimmt einen Platz finden“, verriet Martina Liebnitz von der Kommunikationsabteilung der Hochschule.

Anja Priewe

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