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Landeshauptstadt: Liberale Terroropfer

Diskussion mit Rainer Eppelmann zur stalinistischen Verfolgung in den 50er Jahren

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Alle Drei hatten sich nach 1945 in den Jugendbeiräten der Liberaldemokratischen Partei (LDP, später LDPD) für eine freiheitliche Entwicklung in Ostdeutschland eingesetzt: der Potsdamer Wolfgang Schollwer, der Sachse Harry Schilka und der Anhaltiner Hansjochen Kochheim. Dafür wurden sie von der Staatssicherheit und dem Sowjetischen Geheimdienst verfolgt. Heute zählen sie zu den wenigen noch lebenden Zeitzeugen des stalinistischen Terrors in der ersten Hälfte der 1950er Jahre.

Die FDP-nahe Friedrich-Naumann-Stiftung hatte die Drei am Donnerstagabend zu einer Diskussion „Liberale in den Fängen des stalinistischen Terrors“ ins Babelsberger Trumanhaus eingeladen, einer Begleitveranstaltung zur gegenwärtig dort gezeigten Ausstellung „Erschossen in Moskau ...“ Der zu 25 Jahren Haft verurteilte Hansjochen Kochheim berichtete über die Hölle des sibirischen Zwangsarbeitslagers. Harry Schilka war mit einer Maßregelung davongekommen und blieb in der DDR. Wolfgang Schollwer entzog sich seiner Verhaftung durch die Flucht. Er arbeitete später im Ostbüro der FDP und im Planungsstab des Auswärtigen Amtes, der mit der „neuen Ostpolitik“ den Grundstein für die Überwindung der deutschen Teilung legte.

Auf der Veranstaltung wurde an die 75 Liberaldemokraten erinnert, die zwischen 1950 und 1953 durch sowjetische Militärtribunale zum Tode verteilt und im Moskauer Butyrka-Gefängnis erschossen wurden. Die Asche der insgesamt mindestens 927 Hingerichteten wurde auf dem Donskoi-Friedhof vergraben. Zur Aufklärung ihrer Schicksale haben nach 1990 das Historische Institut Facts & Files und die Stiftung Aufarbeitung der SED-Diktatur beigetragen. Deren Vorsitzender Minister a.D. Rainer Eppelmann erinnerte daran, dass es in der Menschenrechtsorganisation Memorial vereinigte Russen waren, die sich als Erste diesem schrecklichen Kapitel ihrer Geschichte gestellt und es aufgearbeitet haben. Dadurch hätten die Angehörigen nach jahrzehntelanger vergeblicher Suche endlich Gewissheit über das Schicksal der Opfer erhalten. Im Vorjahr wurde auf dem Klosterfriedhof ein Gedenkstein aufgestellt und ein Totenbuch veröffentlicht. Der Historiker Frank Drauschke, Facts & Files, stellte die Schicksale einiger Opfer, so des Jüterboger Lehrers Hans Cölln und der studentischen Widerstandsgruppe um Arno Esch dar.

In seiner Eingangsrede hatte Peter Menke-Glückert, Kuratoriumsmitglied der Naumann-Stiftung, die unzureichende Aufarbeitung des stalinistischen Terrors in Deutschland scharf kritisiert. Sie werde vor allem durch die Linkspartei behindert. Allerdings hob er die Mitglieder der LDP in der DDR generell in den Rang von Widerstandskämpfern gegen das Regime. „Der Eintritt in diese Partei bedeutete eine Entscheidung gegen die Karriere“, erklärte er. Die Mehrzahl der etwa 80 000 LDPD-Mitglieder wie auch der anderen so genannten Blockparteien hatte sich jedoch mit dem DDR-Staat arrangiert.

Ausstellung „Erschossen in Moskau ..., Trumanhaus, Karl-Marx-Straße 2, Tel. 7019-197, zu besichtigen bis 4. Oktober

Erhart Hohenstein

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