zum Hauptinhalt

Landeshauptstadt: Liebe bis in den Tod

Rabenschwarz und bonbonbunt: „The Voices“ ist der zweite Babelsberg-Film von Marjane Satrapi. Zur Deutschlandpremiere am Dienstagabend gab es ein herzliches Wiedersehen

Stand:

Ein abgeschlagener Frauenkopf im Kühlschrank, der zu sprechen beginnt und sich Gesellschaft wünscht, ein fieser Kater auf dem Sofa, der mit dem treudoofen Hund über Moral zankt, und eine bezaubernd schöne Kollegin auf der Arbeit, die aber statt zum Date im China-Restaurant lieber zur Karaoke-Party geht: Das Leben von Jerry – Hollywood-Star Ryan Reynolds – ist nicht immer einfach. Aber ohne die von der Psychiaterin verschriebenen Tabletten ist es einfach weniger trist und besser zu ertragen, findet der gutmütige Fabrikarbeiter. Dem Zuschauer von „The Voices“, dem neuen Film der iranisch-französischen Regisseurin Marjane Satrapi („Persepolis“), dämmert aber bald, dass die Realität nicht ganz so bonbonbunt ist, wie Jerry sie sich vorstellt. Schließlich entpuppt sich die vermeintlich gute Seele sogar als gemeingefährlicher Serienmörder. Am Dienstagabend feierte die rabenschwarze Komödie, die vom Studio Babelsberg koproduziert wurde, Deutschlandpremiere in Berlin.

Es ist der zweite Babelsberg-Film von Marjane Satrapi – nach „Huhn mit Pflaumen“. Sie sei von den Filmhandwerkern und dem gesamten Team von Babelsberg überzeugt, sagte die Regisseurin den PNN: „Ich arbeite liebend gern hier!“ An den Babelsbergern schätze sie nicht nur Verlässlichkeit und Qualität: „Wir haben auch auf der persönlichen Ebene eine sehr gute Beziehung aufgebaut, es gibt einen gemeinsamen Sinn für Humor.“

Das war auch am Premierenabend spürbar. Das Wiedersehen mit den Studio-Chefs Carl L. Woebcken und Christoph Fisser, aber auch Szenenbildner Udo Kramer oder Requisiteur Alexis Teller war herzlich, statt der üblichen Rote-Teppich-Atmosphäre herrschte eine beinahe familiäre Stimmung im Kino in der Kulturbrauerei. „Es macht so einen Spaß, mit ihr zu arbeiten“, schwärmte Studio-Chef Fisser: „Sie ist ein ganz wunderbarer Mensch und eine fantastische Regisseurin.“ Wenn sie irgendwann einmal sterbe, erklärte Satrapi wiederum mit einem Augenzwinkern, dann wolle sie, dass die Babelsberger ihr Begräbnis organisieren. „Da kann ich sicher sein, dass alles klappt.“

„The Voices“ ist der erste englischsprachige Film der Exil-Iranerin, die für ihr Kinodebüt, den Animationsfilm „Persepolis“ nach ihrem gleichnamigen Comicbuch, eine Oscar-Nominierung erhalten hatte. Nach der Nominierung habe es jede Menge Drehbücher und Angebote aus den USA gegeben, erzählte Satrapi. Das Buch von „The Voices“ habe sie sofort überzeugt: „Das war so abgedreht, dass ich es einfach machen musste.“

An die Dreharbeiten vor zwei Jahren in Berlin und Potsdam habe sie nur gute Erinnerungen. Mit Szenenbildner Udo Kramer („Nordwand“) und den Filmhandwerkern unter Leitung von Construction Manager Robert Samtleben wurde eine geradezu bilderbuchhafte Version des mittleren Westens der USA geschaffen – von der Badewannenfabrik übers klassische Diner bis zur gigantischen Bowling-Halle, auf deren Dach Jerrys Wohnung untergebracht ist. Die schwarze Komödie kommt dabei äußerst farbenfroh daher. Pink, Himmelblau und strahlendes Gelb dominieren die Leinwand – „die Version aus den Augen eines großen Kindes, eine heile Welt“, charakterisiert Udo Kramer das von ihm entworfene Szenenbild. Umso verstörender wirken im Kontrast die Szenen, in denen Jerry seine Opfer blutig um die Ecke bringt und effektvoll in Plastedosengröße zerlegt.

Hollywood-Beau Ryan Reynolds ist für die Rolle des Psychopathen, der trotz alledem irgendwie doch liebenswert ist, nicht unbedingt derjenige, der einem zuerst einfällt, räumte Regisseurin Satrapi nach dem Film im Gespräch mit Filmuni-Professor Martin Hagemann ein. „Aber wenn man ihn in ,Green Lantern’ gesehen hat, weiß man, dass er ein guter Schauspieler ist“, erklärte sie weiter – in einem so scheußlichen Film eine einigermaßen gute Figur zu machen, sei schon eine Leistung. Reynolds zur Seite stehen Anna Kendrick („Up in the Air“) und die Britin Gemma Arterton, die bereits für „Hänsel und Gretel: Hexenjäger“ in Babelsberg drehte.

Jerrys Wohnung mussten die Filmhandwerker sogar in zwei Varianten bauen, wie Construction Manager Robert Samtleben erzählte: Einmal in der strahlenden Fassung, in der Jerry sie erlebt, und einmal als das mit Blut verschmierte und verdreckte Loch, dessen Anblick ungebetene Gästen sofort alarmiert. Auch der Kühlschrank musste speziell präpariert werden – um die darin im Regal liegenden sprechenden Köpfe möglich zu machen. Mit seinen tierischen Gefährten hat sich Reynolds am Set nicht immer gut verstanden. Besonders der Kater zeigte sich so störrisch wie im Film und fügte dem Schauspieler einige Kratzer zu.

Regisseurin Marjane Satrapi, die in Paris lebt, hat mittlerweile auch in Berlin-Mitte eine Wohnung: „Berlin ist für Deutschland, was New York für die USA ist – völlig anders als der Rest“, sagt sie. Dass sie Jerry eine depressive Berliner Mutter – Valerie Koch – andichtet, hat aber eher etwas mit den Kriterien für Filmfördergelder zu tun, erzählt die Regisseurin freimütig. Während des Drehs habe sie auch Potsdam erkundet, badete zum Beispiel im See, besuchte die Schlösser und bewunderte grandiose Villen.

Sie plant auch schon ein neues Projekt mit Babelsberg, über das sie aber noch nicht sprechen will – „ich bin abergläubisch“. Dem Studio werde sie treu bleiben, sagte Satrapi den PNN: „Ich werde immer nach Babelsberg zurückkommen – die werden mich so schnell nicht los.“

Kinostart ist am 30. April unter anderem im Babelsberger Thalia-Kino

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })