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Landeshauptstadt: Lustgarten im Grenzland

Der Gutspark Groß Glienicke trägt viel Geschichte in sich: Die Bewohner des Ortsteils haben nun ein Spendenfest gefeiert

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Groß Glienicke - Unleserliche Graffitis überziehen graues Mauerwerk, das einst als herrschaftlicher Eingang prunkte. Die verwitterten Steine gehören zur so genannten Neugierde, dem Türmchen am Eingang des Gutsparks in Groß Glienicke. Der Bau ist behelfsmäßig eingerüstet, das Dach fehlt. Historische Fotografien zeigen eine andere Neugierde: Mit einem Ziegeldach, der schlanke Turm am Eingang einer kunstvoll angelegten Parklandschaft.

Das war vor rund 100 Jahren. Otto Lehmberg sammelt die Bilder von damals. Und er ist einer von denen, die möchten, dass der Gutspark ähnlich wie früher wirkt. Der 80-Jährige wohnt in der Nähe des Areals. Vor mehr als dreißig Jahren ist er nach Groß Glienicke gezogen. Damals war der Park für ihn Sperrgebiet. „Dort lief die deutsch-deutsche Grenze genau durch“, erzählt Lemberg. Erst nach der friedlichen Revolution 1989 konnten er und viele andere Groß Glienicker den Gutspark wieder zu ihrem Ort zählen: „Wir ließen das Gelände schnell unter Naturschutz stellen, damit es nicht zu Bauland werden konnte.“

Otto Lehmberg recherchierte auch die Geschichte des Parks. Mehrere Bände mit alten Fotos, Postkarten und Zeitungsartikeln hat der frühere Vorsitzende des Groß Glienicker Kreises zusammengestellt. Er blättert die Sammlung bedächtig durch, zeigt auf die Bilder, erzählt Details zu dem rund zwölf Hektar großen Park. Dessen Historie reicht mehr als 300 Jahre zurück, denn ein barocker Lustgarten soll auf dem damaligen Rittergut schon zwischen 1666 und 1703 geschaffen worden sein. Doch bis zum 19. Jahrhundert dauerte es, bis aus der Anlage ein großzügiger Landschaftspark entstand. „Ende des 19. Jahrhunderts kam ein Parkteich mit Inselbrücken hinzu", sagt Lehmberg. Als neuer Parkeingang wurde das Ensemble aus dem Potsdamer Tor und der Neugierde errichtet, das erste Betonbauwerk Brandenburgs. Ein Familiengrab des damaligen Besitzers Otto von Wollank kam dazu. „Doch seine Erben gingen pleite.“ Und, so meint Lehmberg, mit Kriegsbeginn sei das Schicksal des von da an verwaisten Parks besiegelt gewesen: Er verwilderte. Im September 1945 brannte das angrenzende Herrenhaus und musste abgerissen werden. Nachdem Groß Glienicke 1947 geteilt wurde, befand sich der Park fortan im Grenzland, diente ab 1952 als Sperrzone und Schutzstreifen. „Dies hatte natürlich auch Positives: Die Natur holte sich im Osten ihren Urzustand zurück“, sagt Lehmberg. So konnten sich Biotope ungestört entwickeln. Nur der Teich habe gelitten, weil Abwässer eingeleitet wurden. Im Westteil wurde der Park dagegen als Dauercampingplatz genutzt. Doch nach dem Beschluss, den Park unter Naturschutz zu stellen, passierte zehn Jahre außer Müllsammelaktionen nicht viel, weil Geld fehlte. Allerdings wurde der Park zusätzlich noch als Denkmal anerkannt. „Richtig los ging es wieder mit der Eingemeindung nach Potsdam vor vier Jahren“, sagt Lemberg. Ab 2005 wurde bereits das Potsdamer Tor neben der Neugierde mit rund 20000 Euro aus Spendengeldern renoviert.

Seit Mai nun hat der Park sein eigenes Pflegewerk, also eine Analyse darüber, was in den nächsten Jahren getan werden muss und wo es noch Probleme gibt. Laut der Studie liegt beispielsweise noch Bauschutt im Grenzstreifen, dazu käme anfallender privater Müll und Vandalismus. Ebenso würden einige Pflanzenarten andere regelrecht verdrängen. Dazu kommt der schlechte Zustand noch erhaltener Bauten und Ruinen. „In diesem Gelände sind alle Arbeiten ein ständiger Spagat zwischen Natur- und Denkmalschutz“, sagt Ortsbürgermeisterin Doris Maria Langenhoff. Diese widerstreitenden Interessen habe das von der Stadt Potsdam beauftragte Parkpflegewerk jetzt größtenteils gelöst. Auf Dutzenden Seiten werden in der Analyse nötige Maßnahmen erläutert. Welche Wege werden wieder hergestellt, welche Sichtachsen sollen entstehen - schon zu diesen beiden Fragen werden 25 Antworten gegeben. 16 Punkte beschäftigen sich damit, wie der sich ausbreitende Spitzahorn eingedämmt werden kann und was dafür neu gepflanzt wird. Ebenso wird beschrieben, welche Pflege für den Park wie oft und wo nötig ist, um überhaupt den momentan erreichten Zustand zu erhalten.

Denn einige der früheren Wege sind inzwischen wieder angelegt, die sich durch den Waldpark schlängeln. Im verblassenden Licht einer untergehenden Sonne hat das historische Gelände seinen besonderen Reiz, da immer wieder einmal kleine alte Gemäuer zwischen den hohen Baumstämmen auftauchen: Halb verfallene Geschichte, still im Halbdunkel der Dämmerung.

Bei der Erneuerung der historischen Bauten im Park wollen die Groß Glienicker wieder selbst aktiv werden. Die Neugierde und ein paar dazu gehörende Mauern. Jüngst fand dazu ein Spendenfest unter dem Titel „Stimmen im Park“ statt, 300 Euro wurden dabei gesammelt. „Der Groß Glienicker Kreis hat für die Neugierde schon mehrere Tausend Euro gesammelt – allerdings benötigen wir rund 80 000 Euro“, sagt Ortsbürgermeisterin Langenhoff.

Geld fehlt auch für eines der gravierendsten Probleme des Parks: Der Pegel des darin angelegten Teichs sinkt ständig, weil Zuflüsse verstopft oder zerstört sind und zudem in der Umgebung immer weniger Wasser vorhanden ist. „In knapp einem halben Jahr wird ein hydrologisches Gutachten zeigen, ob und wie das Gewässer zu retten ist“, sagt Langenhoff. Auch Otto Lehmberg kennt das Problem des Wassermangels, sieht jeden Sommer, wie der Teich im Park wegtrocknet und Entengrütze übrig bleibt. Er hoffe, dass sich auch dafür eine Lösung finde. Denn zwar hätte der Park an sich keine besonderen historischen Baumeister wie Lenné vorzuweisen, doch sei er allein schon für die Ortsgeschichte ein wichtiges Zeugnis, sagt Lehmberg: „Außerdem könnte der Park einen schönen Ortseingang von Berlin nach Potsdam bilden." Dann auch ohne Graffiti.

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