
© Andreas Klaer
Schlösserstiftungschef Hartmut Dorgerloh im PNN-Interview: „Man kann die Probleme nicht nur bei uns abladen“
Schlösserstiftungschef Hartmut Dorgerloh spricht im PNN-Interview über den hohen Sanierungsbedarf im preußischen Welterbe, die Schließung historischer Sehenswürdigkeiten und das schwierige Verhältnis zur Stadt Potsdam.
Stand:
Herr Dorgerloh, haben Sie den Sekt eigentlich schon kalt gestellt?
Wieso? Auf das neue Jahr habe ich schon in der Silvesternacht angestoßen.
Im zweiten Masterplan zur Rettung bedrohter Preußenschlösser können Sie ab 2018 wohl 400 Millionen Euro ausgeben – mehr als doppelt so viel wie bei der ersten Auflage. Hatten Sie mit so viel gerechnet?
Wir hatten auf so viel gehofft. Denn wir müssen verstärkt investieren, damit die in vielen Fällen stark geschädigten Welterbedenkmale endlich alle in der Substanz saniert werden können. Die Dachsanierung am Neuen Palais muss weitergehen, auch am Orangerieschloss sind wir noch längst nicht fertig. Wir müssen außerdem endlich das neue Besucherzentrum an der Historischen Mühle bauen und auch das Restaurant am Neuen Palais. Für vieles haben wir im ersten Masterplan die Grundlagen gelegt und insofern ist das deutliche Plus für die zweite Auflage auch eine Bestätigung unserer Arbeit. Das freut uns natürlich und insofern – ja, der Sekt ist kalt gestellt. Es wird übrigens schon bald weitere Gelegenheiten geben, eine Flasche aufzumachen, wenn im kommenden Jahr die nächsten Projekte fertig werden.
Zum Beispiel?
Der Marmorsaal im Neuen Palais wird fertig, der ja in so schlechtem Zustand war, dass er baupolizeilich gesperrt werden musste. Der sieht jetzt übrigens ganz toll aus. Nach Abschluss der Fassadensanierung in diesem Jahr wird auch die Wiederherstellung der Terrassenanlagen des Schlosses Babelsberg beendet, die Wasserspiele im Park Babelsberg werden erstmals seit 100 Jahren wieder fließen, wir legen den Grundstein für das neue Stiftungsdepot in der Friedrich-Engels- Straße und wir weihen das Wissenschafts- und Restaurierungszentrum auf dem Gelände des früheren Hans Otto Theaters in der Zimmerstraße ein.
Apropos Wasserspiele im Park Babelsberg: Da geben Sie viel Geld für ein Projekt aus, das kein lebender Mensch je gesehen hat, wogegen wirklich dringende Vorhaben wie die Römischen Bäder, die ja schon einsturzgefährdet sind, im ersten Masterplan entgegen der Ursprungsplanung nicht berücksichtigt wurden.
Die Römischen Bäder sind ja weiterhin fürs Publikum geöffnet. Der bauliche Zustand ist sicherlich ernst, aber wir haben in den vergangenen Jahren auch manches dafür getan, dass sich der Zustand nicht weiter verschlechtert. Es war sinnvoll, mit der Sanierung noch zu warten und dafür die Bausubstanz so gründlich wie möglich zu untersuchen, damit wir die bestmögliche Planung bekommen. Und im Park Babelsberg ging es uns ja nicht vordergründig darum, die Wasserspiele wiederherzustellen – die sind ja im wahrsten Sinne des Wortes nur der Ausfluss des unterirdischen Wasserleitungssystems. Das wollten wir wieder instand setzen, weil es für die Wasserversorgung des gesamten Parks unverzichtbar ist und die Gärtner nicht mehr mit dem Wasserwagen durch den Park fahren müssen.
Trotz der Investitionen müssen Sie einige der kleineren Schlösser fürs Publikum schließen, darunter die Moschee und das Belvedere auf dem Klausberg. Wie verträgt sich das mit dem Stiftungszweck, das Welterbe öffentlich zugänglich zu machen?
Um Schlösser im klassischen Sinne handelt es sich dabei ja nicht. Es sind historische Sehenswürdigkeiten, die sonst nur in der Saison und auch dann nur an den Wochenenden geöffnet waren. Die müssen wir schließen, damit wir im kommenden Jahr einen ausgeglichenen Haushalt bekommen. Das halte ich für vertretbar.
Sie sprechen von Ihrem Jahresetat, über dessen Höhe ja die Stiftungsgeber, also der Bund, Berlin und Brandenburg entscheiden. Muss der erhöht werden?
Das ist unser Wunsch. Die großen Schäden an vielen Denkmalen rühren ja daher, dass in der Vergangenheit zu wenig für den Bauunterhalt getan worden ist. Die Zuwendungsgeber sind mit uns im Gespräch über das nächste Finanzierungsabkommen zum Stiftungsetat. Da geht es etwa um die Frage, wie Tarifsteigerungen aufgefangen werden können – auch, was den Mindestlohn angeht. Und wir verhandeln auch über mehr Geld für die Gartenpflege und natürlich den Bauunterhalt.
Gerade haben Sie gemeinsam mit der Stadt das 25-jährige Jubiläum der Aufnahme der preußischen Schlösser und Gärten in die Unesco-Welterbeliste gefeiert, dabei ist das Verhältnis zwischen der Stadt und der Stiftung so schlecht wie lange nicht mehr.
Ich möchte es eher als spannender denn je bezeichnen. Wirklich schlimme Krisen hat es in den 90er-Jahren gegeben, etwa als es um die Bebauung am Glienicker Horn ging oder das Welterbe durch den Bau des Potsdam-Centers Gefahr lief, auf die Rote Liste der Unesco zu kommen. Im Vergleich dazu haben wir heute ein weitaus besseres Verhältnis zur Stadt, und damit sind auch die Einwohner gemeint, die laut Umfragen sehr stolz auf das Welterbe sind.
Da haben Sie aber noch vor Kurzem das Gegenteil behauptet. Bei einer Veranstaltung zum Welterbe-Jubiläum hatten Sie sowohl die Stadt als auch die Bevölkerung scharf kritisiert. Tenor: Die Stadt schätze ihr Welterbe nur, weil es sie nichts kostet.
Es ging mir um ein klares Signal über die Feierstunde hinaus. Ich nenne Ihnen ein Beispiel. Die Situation im Neuen Garten hat in diesem Sommer dramatische Züge angenommen. Die Zahl der Menschen, die im Heiligen See baden, nimmt von Jahr zu Jahr zu, es gab mehr Schäden und mehr Müll. Das muss auch die Stadt und die Bevölkerung beunruhigen. Wir haben dafür kein Patentrezept, aber man kann das Problem nicht nur bei der Stiftung abladen. Wir müssen uns gemeinsam überlegen, wie wir mit diesem schwierigen Thema umgehen.
Schließen Sie aus, dass die Badestelle geschlossen wird?
Das Baden ist und bleibt dort geduldet. Aber die Rahmenbedingungen müssen geklärt werden. Auch die Stadt könnte im Neuen Garten Verstöße ahnden, etwa wenn dort gegrillt wird oder Hunde ihr Geschäft verrichten. Denn es geht dort schließlich um die Einhaltung von Regeln, die auch im übrigen Stadtgebiet gelten.
Die Eiszeit zwischen Stadt und Stiftung hat auch mit dem Verhältnis zwischen Ihnen und dem inzwischen abgewählten Baudezernenten Matthias Klipp zu tun. Dass Sie mit ihm gar nicht konnten, ist ein offenes Geheimnis.
Eine konstruktive Zusammenarbeit setzt voraus, dass man unsere Anliegen ernst nimmt. Das habe ich zu Beginn der Amtszeit von Herrn Klipp sehr wohl gesehen. So hat er sich sehr stark dafür eingesetzt, dass der frühere Intershop in der Schopenhauerstraße wegkommt und dort, in der Verlängerung des Hauptwegs von Sanssouci, eine Grünfläche entsteht. Das ist ein deutlicher Gewinn für dieses Areal. Es hat dann aber einen Punkt gegeben, wo ich das Gefühl hatte, dass es nur noch um ein Kräftemessen ging. Daraus wird in der Regel keine gute Politik. Ich denke aber, dass sowohl in der Bauverwaltung als auch unsererseits immer der Wille vorhanden war, sachorientiert zu arbeiten.
Haben Sie ein rotes Telefon zum Oberbürgermeister?
Ja.
Wie häufig haben Sie es im letzten Jahr benutzt?
Wir hatten mehr ernste Gespräche, als uns beiden lieb war. (lacht)
Dabei ging es sicher auch um den Zaun am Pfingstberg, über den seit eineinhalb Jahren gestritten wird. Inzwischen wird sogar darüber diskutiert, ob die Stadt den Park der Villa Henckel saniert und nicht Springer-Vorstand Mathias Döpfner. Was halten Sie von dieser Lösung?
Unser Auftrag ist es, den Park historisch weitgehend originalgetreu wiederherzustellen, ihn gut zu pflegen und so weit wie möglich öffentlich zugänglich zu machen. Da wir uns als Stiftung vor allem auf die königlichen Gebäude und Parks konzentrieren müssen, haben wir nicht die Mittel, um auch die anderen Objekte, die von uns verwaltet werden, adäquat zu sanieren und zu betreiben. Daher brauchen wir für solche Objekte jemanden, der das finanzieren kann. Die Stadt wird sich gut überlegen, ob sie die vergleichsweise hohen Kosten, die für die Wiederherstellung des Parks der Villa Henckel und dessen Pflege nötig sind, wirklich übernehmen will. Ich habe den Eindruck, dass die finanzielle Lage, was die Pflege von Grünflächen angeht, auch bei der Stadt ziemlich angespannt ist. Schließlich wurde gerade der Eintritt im Volkspark erhöht, um den Pflegezustand zu verbessern.
Der Streit am Pfingstberg steht ja durchaus exemplarisch für den Spagat, den die Stiftung zu leisten hat zwischen den Interessen der Potsdamer und der Aufgabe, das ihr anvertraute Kulturerbe für die ganze Menschheit zu bewahren. Wie lässt sich dieses Problem lösen?
Vergleichbare Situationen haben wir in anderen Städten auch. So wird etwa in Berlin darüber diskutiert, wie sich das Baden in der Spree sich mit dem Welterbestatus der Museumsinsel verträgt. In Potsdam ist die Situation besonders sensibel, weil die Stadt wächst. Das birgt Konfliktpotenziale. Wir hatten nach den Querelen um das Potsdam-Center und die Bebauung des Glienicker Horns damals eine Leitplanung zum Umgebungsschutz des Welterbes vereinbart. Diese sollte für alle Beteiligten Orientierung bleiben, auch wenn sich Bedürfnisse ändern – wie im Park Babelsberg, wo nun aus einem einfachen Bolzplatz am Parkrand ein richtiger Fußballplatz geworden ist.
Sie geben das Stichwort: Babelsberger Park. Die Stiftung hat sich lange mit der Stadt vor Gericht um die Flächen am Strandbad gestritten, die Urteile sind inzwischen viele Jahre alt. Warum hat sich bislang nichts getan?
Wir haben mit den Bäderbetrieben der Stadtwerke einen langfristigen Grundstückstausch vereinbart. Einen besonderen Handlungsdruck gibt es zwar nicht und wir haben auch Verständnis dafür, dass die sich die Bäderbetriebe derzeit ganz auf das neue Bad am Brauhausberg konzentrieren. Nach dessen Fertigstellung erwarten wir aber schon, dass die Vereinbarung bald umgesetzt wird.
Wie soll das konkret aussehen?
Es geht um eine deutliche Verbesserung der Situation vor Ort. Für die Badbesucher muss es neue Umkleiden, Sanitäranlagen und gastronomische Angebote geben. Und es wäre sehr zu begrüßen, wenn diese Einrichtungen auch den Nutzern des neuen Fußballplatzes Nowawiese und den Parkbesuchern zur Verfügung stünden – die Freibadsaison läuft ja nicht das ganze Jahr über. Außerdem muss das Bad verkehrstechnisch besser angebunden werden, da geht es auch um Rettungswege und Fahrradstellplätze. Und wir als Stiftung haben dann die Chance, einige Gartenflächen im Park wiederherzustellen.
Schließt das den Seesportclub ein, dessen Pachtvertrag ja Ende 2017 ausläuft?
Wir sind uns mit der Stadt einig, dass der Seesportclub dort langfristig keine Perspektive hat. Deshalb war der Nutzungsvertrag auch immer befristet. Sollte aber auf dem Areal der Bäderbetriebe eine Möglichkeit geschaffen werden können, dass dort zumindest die Kinder- und Jugendarbeit des Vereins fortgesetzt werden kann, würde mich das freuen.
Für die Pflege des Parks Sanssouci zahlt derzeit die Stadt jährlich eine Million Euro. In diesem Jahr sollen die Potsdamer darüber abstimmen, ob das so weitergehen soll oder ob sie bereit sind, Eintritt für den Park zu bezahlen. Wie, glauben Sie, werden sich die Potsdamer entscheiden?
Ich habe den Eindruck, dass es in Potsdam ein großes Verständnis dafür gibt, dass die Parks der Schlösserstiftung gut gepflegt werden müssen und dass das Geld kostet. Und ich glaube auch, dass die Bereitschaft der Potsdamer groß ist, dafür einen Beitrag zu leisten, wenn sie dafür im Gegenzug durch einen noch schöner gepflegten Park Sanssouci flanieren können. Ziel muss es sein, die Bürgerbefragung so ausgewogen zu formulieren, dass die Potsdamer auch wissen, worüber sie abstimmen. Nicht nur für uns, auch für die Stadt ist dieses Meinungsbild sehr wichtig.
Ihr Interesse geht zweifellos dahin, dass die Potsdamer mehrheitlich für einen Eintritt stimmen, weil Sie dann mehr Geld bekämen als derzeit von der Stadt. Was konkret haben Sie mit den zusätzlichen Mitteln vor?
Wenn es um den Erhalt der Welterbe-Gärten geht, ist für uns nicht das Wie, sondern das Ob entscheidend. Klar ist, dass es zwingend weiterer Mittel bedarf, wenn das Pflegedefizit deutlich verringert werden soll. Im Falle eines Parkeintritts rechnen wir mit einem Ertrag von bis zu drei Millionen Euro. Das Geld würde in die Parkpflege von Sanssouci fließen. Schon jetzt sieht man, wie sehr sich der Zustand des Parks Sanssouci mithilfe des Geldes der Stadt bereits verbessert hat. Dafür haben wir zu danken. Natürlich würden die zusätzlichen Mittel ebenfalls Sanssouci zugutekommen, denn es gibt dort noch sehr viel zu tun. Im Ergebnis hoffen wir darauf, dass dann noch mehr Besucher in den Park kommen.
Welche Besuchergruppen kommen denn überhaupt nach Potsdam? Gibt es da neue Trends?
Potsdam hängt maßgeblich vom Berlintourismus ab. Und die Bundeshauptstadt ist vor allem bei unseren Nachbarländern beliebt, aus denen demzufolge unsere größten Besuchergruppen kommen. Auch aus England und Spanien kommen viele Gäste. Zudem wächst die Zahl der chinesischen Besucher in Europa rasant. Bislang kommen diese Besucher vor allem nach Charlottenburg, wir versuchen sie aber nach Potsdam zu locken. Vor allem Schloss Cecilienhof dürfte interessant sein, denn auf der Potsdamer Konferenz wurden viele für China wichtige Entscheidungen getroffen.
Im vergangenen Jahr haben Sie dem 600. Jahrestag der Ankunft der Hohenzollern eine große Ausstellung im Schloss Charlottenburg gewidmet. Welche Jubiläen werden in diesem Jahr gefeiert?
Wir feiern den 25. Jahrestag der Wiedereröffnung von Schloss und Park Rheinsberg mit einer Ausstellung und im Schloss Schönhausen fragen wir in einer Sonderschau, wie und warum dieses Haus vor 50 Jahren zum Gästehaus der DDR-Regierung umfunktioniert wurde. Überdies beteiligen wir uns auch an dem Programm, das der Berliner Bezirk Steglitz-Zehlendorf anlässlich des 150. Todestags von Peter Joseph Lenné aufgelegt hat. Und wir richten den Blick schon auf 2017, wenn wir das Schloss Babelsberg mit einer Ausstellung über den Gartenkünstler Hermann von Pückler-Muskau eine Saison lang wieder für das Publikum öffnen.
Das Interview führte Peer Straube.
ZUR PERSON: Hartmut Dorgerloh, 53, wurde in Berlin geboren und wuchs in Potsdam auf. Bereits als Schüler verdiente er sich Taschengeld als Schloss- und Parkführer bei den Staatlichen Schlössern und Gärten Potsdam-Sanssouci. An der Humboldt-Uni studierte Dorgerloh Kunstgeschichte und Klassische Archäologie. Als Konservator am DDR-Institut für Denkmalpflege war er unter anderem für die Berliner Museumsinsel zuständig. Nach der Wende wechselte Dorgerloh ins Brandenburger Kulturministerium und übernahm das Referat für Denkmalpflege. Seit dem 1. August 2002 ist Dorgerloh Generaldirektor der Schlösserstiftung.
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