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Von Jan Kixmüller: Mendelssohn-Medaille für Barenboim
Potsdamer Forschungszentrum für europäisch-jüdische Studien zeichnet den renommierten Dirigenten Daniel Barenboim aus
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Die Moses Mendelssohn-Medaille geht in diesem Jahr an Daniel Barenboim. Wie die PNN nun erfuhren, wurde der israelisch-argentinische Dirigent, der erst unlängst mit dem Auftritt seines arabisch-israelischen West-Eastern Divan Orchestra für Aufsehen sorgte, für die Auszeichnung des Potsdamer Moses Mendelssohn Zentrums (MMZ) ausgewählt. Barenboim wird die Auszeichnung am 3. Februar im Anschluss an ein Konzert unter seiner Leitung in der Berliner Staatsoper erhalten. Das Konzert an diesem Tag wird zu Ehren des 200. Geburtstages von Felix Mendelssohn Bartholdy gegeben. Daniel Barenboim erhält die Auszeichnung nach Auskunft des Mendelssohn-Zentrums, weil er „Herausragendes“ im Bereich deutsch-israelischer und israelisch-palästinensischer Beziehungen geleistet habe.
Seit 1993 wird die Moses Mendelssohn-Medaille von dem Potsdamer Forschungszentrum an verdienstvolle Persönlichkeiten verliehen, die sich im Sinne und in der Tradition des Denkens von Moses Mendelssohn für Toleranz und Völkerverständigung und gegen Fremdenfeindlichkeit engagiert haben. „Die mit der Medaille geehrten Persönlichkeiten stehen in ihrem Wirken mit den Zielen unseres Hauses in Übereinstimmung und fördern mit ihrem Engagement die Verbreitung des Toleranzgedanken in der Gesellschaft“, heißt es vom MMZ. MEHR... ]Die undotierte Mendelssohn-Medaille ist keine wissenschaftliche Auszeichnung, mit ihr sollen Menschen geehrt werden, deren Lebenswerk eine besondere Affinität zum Toleranzgedanken im Sinne Moses Mendelssohns aufweisen./MEHR... ]Träger der Mendelssohn-Medaille sind unter anderem Charlotte Knobloch (2008), MEHR... ]Ari Rath (2002), Arno Lustiger (1999), Ignatz Bubis und Manfred Stolpe (beide 1994).
Der 66-jährige Daniel Barenboim ist seit 1992 künstlerischer Leiter und Generalmusikdirektor der Staatsoper unter den Linden in Berlin. Von 1981 bis 1999 wirkte er als Dirigent der Bayreuther Festspiele, wo er „Tristan und Isolde“, „Die Meistersinger von Nürnberg“, „Parsifal“ und die Tetralogie „Der Ring des Nibelungen“ dirigierte. Als Barenboim 2001 in Israel bei einem Gastspiel der Berliner Staatskapelle einen Orchesterauszug aus Wagners „Tristan und Isolde“ als Zugabe spielte, wurde er mit heftiger Kritik bedacht. Musik von Richard Wagner darf wegen der antisemitischen Haltung des Komponisten und der Verwendung seiner Musik im Nationalsozialismus in Israel praktisch nicht öffentlich aufgeführt werden.
Mit seinem arabisch-israelischen West-Eastern Divan Orchestra setzt Barenboim zudem Zeichen für eine Annäherung von Israelis und Arabern im Nahostkonflikt. Im August 2005 spielte das Orchester ein vielbeachtetes Konzert in Ramallah, erst in diesen Tagen war es während des Gaza-Konfliktes erneut in Berlin auf die Bühne gegangen. Für sein Engagement hat der Dirigent bereits zahlreiche internationale Auszeichnungen erhalten. Im September 2007 war Barenboim neben dem Schriftsteller Paulo Coelho von UN-Generalsekretär Ban Ki-moon zum Friedensbotschafter der UNO ernannt worden. Auch erhielt der Musiker zahlreiche Grammy-Awards für seine künstlerische Leistung.
Dass Barenboim die Medaille nun in der Staatsoper unter den Linden erhalten wird, hat nicht nur etwas damit zu tun, dass dies seine künstlerische Wirkungsstätte ist. „Berlin ist für die Preisverleihung insofern ein besonderer Ort, weil dort nicht nur die Wurzeln des modernen Judentums im Sinne der Aufklärung liegen, sondern weil sich in der deutschen Hauptstadt seit 1989 auch wieder ein reges deutsch-jüdisches Leben entwickelt hat“, heißt es vom MMZ.
Das Moses Mendelssohn Zentrum (MMZ) für europäisch-jüdische Studien ist ein An-Institut der Universität Potsdam. MEHR... ]Die Gründung des MMZ erfolgte 1992 anlässlich des 50. Jahrestages der Wannsee-Konferenz und des 500. Jahrestags der Vertreibung der Juden aus Spanien. Seit dem Wintersemester 1994/95 beteiligte sich das am Potsdamer Neuen Markt gelegene MMZ maßgeblich an Aufbau und Entwicklung des Studiengangs „Jüdische Studien/Jewish Studies“ an der Universität Potsdam/MEHR... ].
Über die akademischen Leistungen hinaus sieht sich das Mendelssohn-Zentrum nach eigenen Worten verpflichtet, in der deutschen Gesellschaft sein zivilgesellschaftliches Mandat als geisteswissenschaftliche Forschungseinrichtung wahrzunehmen. „Wir setzen uns an Stellen, wo unserer Meinung nach der Bedarf nach Einmischung besteht, für verschiedene, auch in seinem akademischen Streben verankerte Ziele und ihre Durchsetzung in der Politik und der Bevölkerung ein“, heißt es von dem Institut. Als wichtigste Ziele wird hier der Kampf gegen Rechtsextremismus und Antisemitismus in der Bundesrepublik Deutschland und damit verbunden die Aufklärung breiter Bevölkerungsschichten über jüdisches Leben in Europa und über die Shoah genannt.
Das Forschungsinteresse des MMZ liegt auf den Schwerpunkten Geschichte, Religion und Kultur der Juden und des Judentums in den Ländern Europas von der Frühen Neuzeit bis in die Gegenwart, der Erforschung von Antisemitismus und Rechtsradikalismus, der Geschichte des Staates Israel und pädagogisch-didaktischen Aufgaben. Ein besonderer Akzent liegt laut MMZ auf der Beziehungsgeschichte zwischen Juden und nicht-jüdischer Umwelt. Die Forschungsarbeiten konzentrieren sich dabei auf Probleme der Integration, Akkulturation und „Assimilation“ und auf vergleichende sozialgeschichtliche Fragestellungen wie Lebensbedingungen, soziale und geografische Mobilität.
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