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Doppelt. Anhand von Zwillingen wollen Forscher Ernährungsformen testen.

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Von Silke Hornemann: Mensch ist nicht gleich Mensch

Ernährungsforscher des DiFE in Bergholz-Rehbrücke untersuchen, wie Zwillinge auf verschiedene Essgewohnheiten reagieren

Stand:

Das Jahr 2011 ist vom Bundesforschungsministerium zum Jahr der Gesundheitsforschung benannt worden. In den PNN stellen Wissenschaftler des Deutschen Instituts für Ernährungsforschung (DIfE) aktuelle Ergebnisse aus dem Bereich Gesundheit und Ernährung vor.

Herzinfarkt, Schlaganfall und Typ-2-Diabetes – auch bekannt als Alterszucker – sind verbreitete und schwere Erkrankungen, die sich durch eine gesunde Ernährung günstig beeinflussen lassen. Doch welche Ernährungsform ist am besten geeignet, um diesen Krankheiten vorzubeugen oder sie zu bessern? Gibt es ein Patentrezept, das für alle Menschen gilt oder sind auch individuelle Unterschiede zu berücksichtigen? Dies sind Fragen, denen auch Wissenschaftler des Deutschen Instituts für Ernährungsforschung (DIfE) in Potsdam-Rehbrücke nachgehen.

In der Tat ist Mensch nicht gleich Mensch. Und so wie unser Erbgut unsere Augenfarbe bestimmt, beeinflusst es auch die Art und Weise, wie wir auf Nahrung reagieren. Das wohl bekannteste Beispiel für eine solche Wechselwirkung ist die Milchzuckerunverträglichkeit. Während die einen Milch problemlos vertragen, führt ihr Verzehr bei anderen zu Durchfall, Blähungen und Bauchkrämpfen.

Die Ursache hierfür liegt in unseren Genen. Der Mensch ist normalerweise so programmiert, dass er, sobald er von der Muttermilch entwöhnt ist, die Fähigkeit verliert, Milchzucker zu verwerten. Dies trifft zum Beispiel auf den größten Teil der afrikanischen oder asiatischen Bevölkerung zu. Dagegen vertragen viele Menschen anderer ethnischer Gruppen Milch auch noch im Erwachsenenalter. Hierzu zählen schätzungsweise 75 bis 85 Prozent der Nordeuropäer. Sie verdanken diesen Umstand einer Genmutation, die etwa vor 9 000 Jahren in Nordeuropa auftrat. Die Mutation bewirkt, dass die Aktivität des Verdauungsenzyms Laktase lebenslang erhalten bleibt und so der Milchzucker im Dünndarm verdaut und aufgenommen werden kann. Auf diese Weise trägt er zur Energieaufnahme bei und verursacht keine Verdauungsprobleme in den unteren Darmregionen. Wissenschaftler gehen davon aus, dass die Fähigkeit, Milch auch noch im Erwachsenenalter als Nahrungsquelle nutzen zu können, mit einem Selektionsvorteil verbunden war, wodurch sich die Mutation durchsetzen konnte.

Doch selten ist der Zusammenhang so klar wie bei der Milchzuckerunverträglichkeit. Denn bei Diabetes oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen ist nicht nur ein einzelnes Gen am Krankheitsentstehen beteiligt, sondern mehrere Gene gleichzeitig. Ebenso spielen zahlreiche Ernährungsfaktoren eine mehr oder weniger starke Rolle. Dabei bestimmen die Gene nicht nur, wie wir auf Nahrung reagieren. Nach neuesten Erkenntnissen kann auch die Nahrung die Funktion einzelner Gene beeinflussen.

Um dieses äußerst komplizierte Wechselspiel zwischen Ernährung, Genen und Krankheitsentstehung zu untersuchen, bedarf es verschiedener wissenschaftlicher Strategien. In diesem Zusammenhang führen Wissenschaftler und Mediziner des DIfE unter der Leitung von Professor Andreas Pfeiffer eine Zwillingsstudie durch. Hiermit wollen sie die Effekte verschiedener Ernährungsformen auf den Zuckerstoffwechsel, den Leberfettgehalt und das Fettgewebe untersuchen.

Im Rahmen dieser Studie müssen Zwillingspaare über mehrere Wochen unterschiedliche Ernährungsformen einhalten. Alle Teilnehmer erhalten dabei individuell angepasste Ernährungspläne sowie eine ausführliche Ernährungsberatung. Parallel untersuchen die begleitenden Mediziner und Wissenschaftler in regelmäßigen Abständen die Stoffwechselreaktionen der Zwillingspaare. Die Teilnehmer selbst erhalten dadurch genaue Informationen, wie sie persönlich auf diese Ernährungsformen reagieren und welche Form für sie gesund oder eher ungünstig ist. Aber auch die Wissenschaft profitiert.

Eineiige Zwillinge verfügen über identische Gene. Treten ernährungsabhängige Stoffwechselreaktionen bei beiden Geschwistern gleichsam auf, weist dies darauf hin, dass diese genetisch beeinflusst sind. Eine Spur, welche die Forscher dann weiter verfolgen und genauer analysieren.

Nach den bisherigen Ergebnissen reagieren die Studienteilnehmer genetisch geprägt sehr individuell mit veränderten Blutzucker-, Cholesterin- und Triglyzeridwerten auf die einzelnen Ernährungsweisen. Dennoch sind noch weitere Untersuchungen notwendig, um zu sicheren Aussagen zu gelangen.

Die Ergebnisse solcher Zwillingsstudien könnten wesentlich dazu beitragen, individualisierte Ernährungsempfehlungen zu entwickeln. Aufgrund der besseren Erfolgsaussichten eines maßgeschneiderten Ernährungskonzepts wäre auch eine bessere Akzeptanz der Menschen zu erwarten, gegebenenfalls ihre Ernährung umzustellen - entweder um Krankheiten vorzubeugen oder zu deren Besserung beizutragen.

Die Mitarbeiter der Abteilung Klinische Ernährung am DIfE suchen dringend noch weitere interessierte eineiige, aber auch zweieiige Zwillingspaare, um ausreichend Daten für verlässliche Ergebnisse sammeln zu können. Interessenten können sich im Internet auf www.dife.de unter dem Stichwort Aktuelles über die so genannte NUGAT-Studie informieren. Weitere Informationen gibt es unter der Telefonnummer: (033200) 88 778.

Die Autorin ist ärztliche Mitarbeiterin der Abteilung Klinische Ernährung und leitet die NUGAT-Studie am Deutschen Institut für Ernährungsforschung (DIfE). Ihr Forschungsziel ist, zur Aufklärung der Mechanismen des Metabolischen Syndroms beizutragen und Grundlagen für gezielte Präventionsstrategien zu erarbeiten.

Silke Hornemann

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