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Zum Schluss ohne Lederjacke. Am überzeugendsten war Dieter „Maschine“ Birr an seiner Gitarre.

© Andreas Klaer

Landeshauptstadt: Menschen und „Maschine“

Dieter „Maschine“ Birr, Musiker und Komponist, stellte im „Oskar“ seine Solo-CD und sein Buch vor

Stand:

Kai Suttner, Techniker der Puhdys, kündigte an: „Ich muss Sie enttäuschen, das Buch von Dieter Birr ist kein Enthüllungsbuch!“ Der Moderator hatte Recht: Der Mittwochabend mit Puhdys Frontmann Dieter Birr im Drewitzer Begegnungszentrum „Oskar“, an welchem Birr sein Buch vorstellte, verlief relativ unspektakulär. Das beste an dem Abend war die entspannte Nähe, die die etwa 60 Gäste dann auch wohlwollend zur Kenntnis nahmen. „Ich dachte, hier sind 500 Leute“, sagt ein Besucher und freute sich: „In so einem Rahmen hat man mehr davon.“

Die Plauderei mit Moderator Suttner, immerhin langjähriges Crewmitglied der Band, begann leider etwas hölzern. Als hätte man Fragen und Antworten abgesprochen. Die Eingangsanekdote, eine Haustiergeschichte aus der frühen Familiengeschichte der Birrs, war zwar lustig, aber brachte den Abend auch nicht so ganz ins Rollen. Da ohnehin nur Hardcore-Puhdys-Fans im Saal saßen, hätte man weitaus lockerer reden können. Oder war das der Grund, dass musikalische Themen fast gänzlich außen vor blieben? Es ging vornehmlich um Dieters Kindheit, die ersten Erinnerungen des Flüchtlingsjungen an das Nachkriegsberlin. Es ging um häusliche Probleme der jungen Ehe, die häufige Abwesenheit des Musikers mit der erfolgreichen Band, die bald nicht nur durch die DDR tourte, es ging um Dieters Neigung zur Unordentlichkeit (das war vielleicht doch eine Enthüllung) und um Krankengeschichten. Will man detailliert hören, wie es Birr bei seiner Borreliose-Infektion erging?

Gott sei dank streute der Musiker hin und wieder ein paar Witzchen ein: Dass er sich damals das Rauchen abgewöhnte, denn mit einer Gesichtslähmung geht das ohnehin nicht – man zieht zu viel Nebenluft. Dass ihm damals der Arsch auf Grundeis gegangen sein muss, weil diese Auswirkung der Krankheit hätte bleiben können – das hörte man zwischen den Zeilen.

Beeindruckend waren sicher die Erinnerungs-Schnipsel aus der der DDR, an denen man spürte, wie kompliziert damals manches war. Dass man immer den richtigen Menschen zur richtigen Zeit kennen oder treffen musste, damit sich was zusammenschob. Und ja, die Anekdote mit dem Bootsmotor war durchaus lustig: Auf der Russlandtour kaufen sich alle Puhdys Bootsmotoren, die in der DDR angeblich heiß begehrte Tauschware sind. Sie schleppen sie in einer großen Kiste im Flieger von Stadt zu Stadt und schließlich nach Hause. Nur Dieter kriegt seinen nicht so recht verkauft. „Ich kann eine Gitarre verkaufen, keinen Bootsmotor.“

Das Buch „Maschine“ wurde nur mit wenigen Passagen vorgestellt. Geschrieben hat es Antenne-Brandenburg-Musikchef Wolfgang Martin, auch ein alter Bekannter aus dem Musikgeschäft. Tagelang erzählte ihm Birr von seinen Erinnerungen, Martin packte es in Worte. Das war die Bedingung für das Buch: Dass er es nicht selber schreiben musste, sagte Birr. Der ist und bleibt eben vornehmlich Musiker, Sänger und Gitarrist, Komponist. Zu spüren war das auch an dem Abend: Mit Gitarre am Hals fühlt sich Birr einfach wohler. Einige Lieder seines Soloalbums, das er 2014 produzierte, musste er natürlich singen. „Maschine“ – wie das Buch – heißt das Album. Altes neu aufgelegt, dazu kamen neue „Maschine“-Lieder, mit alten Bekannten und gestandenen Kollegen eingespielt, mit Julia Neigel, Wolfgang Niedecken von Bap, Toni Krahl von City, Uwe Hassbecker von Silly – und Enkeltochter Anabell. Dabei sind auch sanfte Liebeslieder mit einer Sprache, die wohl nur mit dieser „Maschine“-Stimme nicht kitschig klingen und berühren, gerade weil hier jemand singt, dem man Ahnung vom Leben zugesteht.

Die Akustik-Hörproben machten Lust auf die CD: Mit 70 Jahren ist noch lange nicht Schluss, das zeigte der Musiker. Vor allem machte der Abend neugierig auf jenen Song, der ein Gemeinschaftswerk von Birr und Niedecken ist. „Ich kann den Kerl – ganz ohne Scheiß – wirklich gut leiden“, schreibt der Bap-Mann im Buch „Maschine“ über den Kollegen aus dem Osten, der 1984 beim Konzert „Rock für den Frieden“ mit den Puhdys als Bap-Ersatz dienen musste. Die Kölner waren aus Gnatz abgereist, weil man ihnen einen wichtigen Titel von der Set-Liste gestrichen hatte. „Ich hab hinterher zu ihnen mal gesagt: ,Was hätte denn passieren können? Ihr wärt sicher nicht erschossen worden.’“

Am Ende gewinnt der Abend doch noch etwas an Saft. Birr zieht sich nun endlich die Lederjacke aus und singt noch was Neues, „Mein Weg“, extra für das Soloalbum geschrieben, und dann den Klassiker „Lebenszeit“, den kann jeder mitsingen, erst recht die Eisbärenhymne. „Na kommt“, macht „Maschine“ Mut, und die Mannen im Publikum in ihren Nachwendepuhdyspullis klatschen mit, singen „Hey, wir woll’n die Eisbär’n sehn“ und kommen in Bewegung, bis die Rückenlehnen der Stühle rhythmisch mitfedern.

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