Landeshauptstadt: Mit der Nebelmaschine übers Minenfeld Zukünftige Manager auf Abwegen Siemensmitarbeiter in der Kita „Sandscholle“ Zeremonienmeister für ein Flammenspektakel
Für den Film „Zwei Brüder“ inszenierte Uli Nefzer vier Monate lang Spezialeffekte in Kambodscha Der 26-jährige Potsdamer Sven Kluge kam mit der „Hot-Fire-Group“ bei der Grill-WM auf Platz 13
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Für den Film „Zwei Brüder“ inszenierte Uli Nefzer vier Monate lang Spezialeffekte in Kambodscha Der 26-jährige Potsdamer Sven Kluge kam mit der „Hot-Fire-Group“ bei der Grill-WM auf Platz 13 Von Sabine Schicketanz Mitten im Dschungel von Kambodscha liegt Angkor, der steinerne Wald. Er ist gigantisch, das größte religiöse Bauwerk der Welt, ein Kulturerbe. In den Relikten aus dem Reich der Khamer haben, im Herbst vor zwei Jahren, Menschen aus der westlichen Welt ihre Zelte aufgeschlagen. Sie kommen aus vielen Ländern, aber nur wenige, ein gutes Dutzend, kommen aus Deutschland. Ihr Chef ist Uli Nefzer, seine Firma „Nefzer Babelsberg GmbH“ hat ihren Hauptsitz in der Babelsberger Medienstadt. Sie sorgt für Spezialeffekte in Filmen, für Nebel, Schüsse, Feuer. Die Nefzers haben Routine im Außergewöhnlichen. Doch diese Dreharbeiten mit dem französischen Regisseur Jean-Jacques Annaud im Dschungel von Kambodscha – sie sind selbst für Uli Nefzer „eines der spannendsten Projekte“ überhaupt. „Zwei Brüder“ heißt der Film, für den Nefzer mehr als vier Monate in dem südostasiatischen Land verbringt, und seine Hauptrollen sind nicht mit Menschen besetzt. Regisseur Annaud erzählt die Geschichte der beiden Tigerbrüder Kumal und Sangha. 30 Tiger, davon 18 Babys, werden für den Film gecastet, von Tiertrainer Thierry Le Portier geschult, nach Kambodscha geflogen. Dort steckt man sie aber nicht in Käfige – hinter Gitter muss stattdessen die Filmcrew. Die erste Begegnung mit einem Tiger lässt nicht lange auf sich warten. „Gleich am ersten Drehtag hat eine Tigerin ausprobiert, was der Käfig so kann – und ein dickes Loch hineingerissen“, sagt Uli Nefzer. Gefährlicher als die Raubtiere aber sind für die Filmcrew die Minen. Sechs Millionen der brutalen Waffen befinden sich nach Jahrzehnten des Bürgerkriegs im kambodschanischen Boden. „Wir hatten immer ein Minensuchteam vor Ort, man durfte nirgends hingehen, wo sie nicht schon gewesen waren.“ Besonders für das Nefzer-Team macht das die Arbeit schwierig. Mindestens 150 oder 200 Meter entfernt von der Kamera muss es seine Nebelmaschinen aufstellen, um die Stimmung zu erzeugen, die sich Regisseur Annaud für seine Bilder wünscht. Eine lange Distanz, wenn die Erde vermint ist. Unter diesen Umständen sind die Improvisationskünste Uli Nefzers gefragt. Was Regisseur Annaud erwartet, weiß er genau. Bereits 1988 hatte Nefzer mit Annaud seinen ersten Tierfilm gedreht, „Der Bär“. Der Streifen sorgte für Furore, und der Filmemacher vergaß den Special Effects-Fachmann nicht. Als Annaud 2001 für den Film „Stalingrad - Enemy at the Gates“ nach Babelsberg kam, waren Nefzer und sein Team wieder mit von der Partie. „Ich möchte gern, dass dieses und dieses und jenes umfällt. Und wann können wir drehen?“, so gebe Annaud die Anweisungen für die Spezialeffekte, sagt Nefzer. Für ihn, den „Special Effects Supervisor“, heißt das: Viele Kleinigkeiten in wenig Zeit möglich machen. Dabei ist er Entbehrlichkeiten gewohnt. „Ich war 1984/85 für den Film ,Peter der Große“ sieben Monate in Russland. Da musste man aus allem etwas bauen.“ Nach Kambodscha ließ Nefzer sich sieben Tonnen Werkstattmaterial fliegen. „Eine Menge Nebelmaschinen, und allein zwei Container für das Feuer.“ Gemeint mit dem „Feuer“ ist ein ausgewachsener Waldbrand, bei dem im Film die Tiger in Gefahr geraten. Drei Kilometer Leitung für Flüssiggas verlegen Nefzer und sein Team dafür, für den Brandschutz müssen sie selbst sorgen – mit mehreren 5000 Liter fassenden Wasserbassins, die rund um das Set aufgebaut werden. Eine Woche lang werden die Feuerszenen gedreht, bei 35 Grad Hitze, einer Luftfeuchtigkeit von fast einhundert Prozent und an einem Ort namens Phnom Koulen, der mit Fahrzeugen nicht zu erreichen ist. Zwei Monate dauern die Bauarbeiten für die neue Straße mit zehn Brücken, welche die Filmcrew in die Nähe von Phnom Koulen bringt, doch die letzten Kilometer müssen noch immer per pedes überbrückt werden. Fast fünf Wochen verbringt Uli Nefzer dann in Mondol Kiri, abgelegen in den Bergen, normalerweise gibt es hier weder Wasser noch Strom. Die Crew lebt in 120 Zelten wie in einem Flüchtlingscamp, gemeinsam mit den Einheimischen baut sie für die Dreharbeiten sieben neue Hütten. „Eine gehörte dem Häuptling, er saß dann auch sofort drin und hat gefeiert.“ Und bis er nicht fertig ist, kann eben diese Hütte nicht gefilmt werden. „Ich glaube, für die Leute dort hat mit diesem Film ein neues Zeitalter begonnen“, meint Nefzer. Als das komplette Team mit 150 Fahrzeugen eingetroffen war, hätten sich die Einheimischen von den vielen Menschen wohl „schon gestört“ gefühlt. Mit Pferden, zu Fuß und mit Helikoptern, die allerdings nicht landen sondern nur Material herablassen können, geht es zum nächsten Drehort auf einen Berg. „Jean-Jacques Annaud ging immer voraus – und er war immer schneller als alle anderen.“ Bei einer der „Bergetappen“ habe der 60-Jährige sich einen Spaß gemacht, erzählt Nefzer: Annaud erklimmt als Erster eine besonders steile Stelle und fotografiert anschließend alle, die ermattet hoch geschlichen kommen. „Es ist faszinierend, mit Jean-Jacques Annaud zu arbeiten – er will sehr viel, und er ist so stur, dass er es dann auch kriegt.“ Wie beispielsweise aus der Werkstatt des Special Effects-Chefs ein 350 Meter langes Nylonnetz, das per Knopfdruck in Sekundenschnelle hochschnellt, falls ein Tiger tatsächlich das Weite suchen will. „Das Netz musste flach auf dem Boden liegen, damit es nicht im Bild zu sehen ist.“ Oder aber einen Anhänger mit Überlänge, auf dem ein Tiger, der im Film mit einem gewaltigen Satz auf dem Dach eines Transportwagens landet, ausreichend Anlauf auf den Sprung nehmen kann. Doch die Strapazen, die Uli Nefzer für „Zwei Brüder“ auf sich genommen hat, sind für ihn kaum der Rede wert. „Anstrengend war jeder Tag“, sagt er. Aber das sei nun einmal so. Und mehr als „eine ganze Menge Impfungen, festes Schuhwerk und die Hilfe der Leute, die dort leben“, habe er für die Dschungel-Dreharbeiten nicht gebraucht. Ausgezahlt hat sich der Einsatz dagegen schon: In den USA ist die französisch-britische Ko-Produktion bereits in die Kinos gekommen, dort hat der Film unter dem Titel „Two Brothers“ in vier Wochen 18 Millionen Dollar eingespielt. Für die „Nefzer Babelsberg GmbH“, die zur Hälfte der jüngst verkauften Studio Babelsberg GmbH gehört, und „Die Nefzer GmbH“, die Filialen in Schwäbisch Hall und London hat, nicht nur ein zahlenmäßiger Erfolg. Die Arbeit an einem solchen Film sorgt in Hollywood für ein gutes Renommee der Babelsberger. „Ganz wichtig für neue Aufträge sind die Credits“, sagt Uli Nefzer – die Liste der Filme, an denen die Special Effects-Fachleute mitgewirkt haben. Auf ihr finden sich neben „Zwei Brüder“ auch die jüngsten Hollywood-Produktionen aus Babelsberg: „The Bourne Supremacy“ mit Matt Damon, „In 80 Tagen um die Welt“ mit Jackie Chan und demnächst wird der zweite Nefzer-Geschäftsführer Gerd Feuchter wohl dabei sein, wenn Oscarpreisträgerin Charlize Theron in Babelsberg den Science-Fiction-Streifen „Aeon Flux“ dreht. „Zwei Brüder“ wird für Uli Nefzer aber nicht allein wegen der außergewöhnlichen Dreharbeiten ein besonderer „Credit“ auf der Liste bleiben: In Kambodscha lernte er seine heutige Ehefrau Saem kennen. „Sie war Köchin in einem Hotelrestaurant – und hat mindestens dreimal die Woche für Jean-Jacques gekocht.“ Babelsberg - Wie die Aktion bei den Kleinen in der Kindertagesstätte „Sandscholle“ ankam, brauchte gestern niemand zu fragen. Ein Blick genügte. 140 angehende Führungskräfte von Siemens hatten den letzten Tag ihrer viertägigen „Weltkonferenz“ in Potsdam, die zu einer besseren Vernetzung der zukünftig weltweit agierenden Manager beitragen soll, in Potsdamer Kindergärten verlegt. Nach Vorträgen und Gruppenaufgaben wartete nun eine Herausforderung der besonderen Art für die aufstrebenden jungen Menschen aus über 30 Ländern. Sandra Schega, in München für die Personalentwicklung bei Siemens tätig, unterbrach ihren sechsmonatigen Lehrgang in Australien für die vier Tage in Potsdam. Schon im Mai wussten sie und die anderen 49 Teilnehmer von ihrem Besuch in der „Sandscholle“. Doch von Skepsis keine Spur. Schon die Vorbereitung – sieben Gruppen mussten verschiedene Programme vom Indianerkostümbasteln bis hin zum Fußballspiel organisieren – habe sie mehr als neugierig gemacht. Und so dauerte es gestern Mittag auch nicht lange, bis alle Siemensmitarbeiter von den Kindern in Beschlag genommen waren. „Zuerst gab es bei den Kleinen noch große Augen und vorsichtiges Staunen, dann aber waren sie schnell aufgetaut“, erzählte Sandra Schega, während zwei kleine Mädchen hartnäckig an ihrer Hose zerrten und sie zum Anfeuern bei einem Spiel aufforderten. Einer der Siemens-Leitfäden laute „Wir tragen gesellschaftlich Verantwortung“, erklärte Heidi Klose vom Siemens-Organisationsteam. Dazu gehöre das Engagement in dem Kindergarten. Hinzu komme, dass bei späteren Entscheidungen in den Führungsetagen das Emotionale auf der Strecke bleibe. Bei der Arbeit mit Kindern jedoch werde gerade Herzlichkeit und Gefühl erwartet. Außerdem werde man hier mit einer ganz neuen Situation konfrontiert, denn wenn Kindern etwas nicht passe oder sie langweile, dann gehen sie einfach. Eine Situation, mit der Manager im Berufsleben weniger zu tun haben, aber es nicht schadet, wenn sie lernen damit umzugehen. Monika Gorny, Leiterin der Kindertagesstätte „Sandscholle“, zeigte sich begeistert über die Organisation dieses Tages. Alles laufe wie am Schnürchen. Besonders interessant für die Kinder sei der Einblick in fremde Kulturen, der ihnen geboten werde. Da konnten die Kleinen beispielsweise Gummibärchen mit Stäbchen essen lernen oder grünen Tee trinken. Und sprachliche Probleme gab es auch nicht. Ist die Konferenzsprache Englisch, half man sich hier mit Händen, Füßen oder Musik. Und ob Brasilianer, Italiener oder Vietnamese, die Kinder verstanden jeden. Dirk Becker Einigermaßen seltsam klang die Anfrage, die vor geraumer Zeit Sven Kluge erreichte. „Wir wollen ein bisschen Blödsinn machen. Machst Du mit?“ Für den 26-jährigen Kluge keine Frage: „Blödsinn? Logisch, da bin ich dabei.“ Der angebliche Blödsinn allerdings stellte sich als ziemlich ernst zu nehmender Wettbewerb in einer außergewöhnlichen Disziplin heraus: Kluge fuhr im Juni zur Grill-Weltmeisterschaft in Pirmasens in der Südwestpfalz – gemeinsam mit einem Team des Unternehmens Rösle, das Edelstahl-Ausrüstungen für Grill und Bar herstellt. Den jungen Potsdamer, der im echten Job gemeinsam mit Vladislaw Davidenko die in Nuthetal ansässige Show & Bartending GmbH führt, nahm die „Hot-Fire-Group“ jedoch nicht als Grill- sondern als Zeremonienmeister mit nach Pirmasens. Während die Köche Raffinessen wie ein Lachsfilet auf Himbeer-Vinaigrette oder eine Buchenrauch-Forelle gefüllt mit Kräuter-Krabben über den Flammen zubereiteten, jonglierte Kluge gekonnt mit Shakern und Gläsern, unterhielt Publikum und Jury mit kleinen Zaubertricks, servierte die Gerichte, wählte die passenden Weine aus. Schnell sei klar gewesen, dass der Außenseiter – sein Team hatte sich neu gegründet und noch nie bei einer Grill-WM mitgemacht – vielleicht sogar zum Spitzenreiter werden könnte, sagt Kluge. „Anfangs hat man uns belächelt, und es ist ziemlich schwer, sich überhaupt für die WM zu qualifizieren.“ Letztendlich ist der Potsdamer mit der „Hot-Fire-Group“ zwar nicht Weltmeister geworden, doch nach Bewertung aller Kriterien, dazu gehörten neben dem Geschmack der gegrillten Gerichte auch der Unterhaltungswert des Teams, landete die Mannschaft auf Platz 13 von 62. „Für einen Neueinsteiger gar nicht so schlecht“, sagt Kluge. Mit der Platzierung darf die „Hot-Fire-Group“ nächstes Jahr bei der WM auf Bali antreten: „Das werden wir auch tun.“ Davor können Kluges Unterhaltungskünste jedoch auch in Potsdam bewundert werden: Bald wollen Davidenko und er hier eine neue „Location“ eröffnen – natürlich mit Bar. SCH
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