
© Andreas Klaer
Landeshauptstadt: Mit Knigge auf dem Weg zum Erwachsenwerden Der Humanistische Verband bereitet Schüler mit Kursen und Ausflügen auf die Jugendfeier vor
Getuschel im französischen Gourmetrestaurant Juliette in der Potsdamer Jägerstraße: Über 20 Schüler haben gerade an den festlich gedeckten Tafeln Platz genommen. Ein leises „Gerade sitzen“ ist von einem der Tische zu vernehmen.
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Getuschel im französischen Gourmetrestaurant Juliette in der Potsdamer Jägerstraße: Über 20 Schüler haben gerade an den festlich gedeckten Tafeln Platz genommen. Ein leises „Gerade sitzen“ ist von einem der Tische zu vernehmen. Eine der Schülerinnen setzt sich eine der kunstvoll zu einer Lilienblüte gefalteten Servietten auf den Kopf und nimmt ihren wie eine Krone wirkenden Kopfschmuck sogleich wieder ab. Formvollendetes Benehmen will gelernt sein – und genau darum soll es heute hier gehen: In einem Knigge-Kurs wollen die Teenager lernen, wie man sich in einem Restaurant korrekt benimmt.
Organisiert hat diesen Benimmkurs der Humanistische Verband, der die Schüler mit Kursen wie diesen auf ihrem Weg zur Jugendfeier begleiten möchte. „Jugendfeier“ und nicht „Jugendweihe“, wie Martina Winkler vom Humanistischen Verband betont. Eine Weihe sei nun einmal eine religiöse Handlung, die Jugendfeier grenze sich davon ab. Außerdem sei der Begriff „Jugendweihe“ aus Zeiten der DDR belastet.
Die an diesem Montag im Juliette erschienenen Teenager wollen ihre Jugendfeier im kommenden Jahr begehen. Unter anderem mit einem Stylingkurs, einem Besuch im Bundestag oder diesem Knigge-Kurs im Juliette werden sie auf die Welt der Erwachsenen vorbereitet. Heute also ist Etikette gefragt: Wie halte ich ein Sektglas? Darf man anstoßen? Und wer betritt überhaupt als Erster das Restaurant: die Frau oder der Mann?
Theaterschauspieler Josip Culjak erläutert den Schülern an diesem Montagnachmittag, warum der Mann zuerst das Lokal betritt. Im Mittelalter habe er beim Eintreten in das Haus erst prüfen müssen, „ob die Luft rein ist“. Nachdem Culjak seine Erklärung beendet hat, deutet er an, in das Restaurant einzutreten und gibt sich sogleich eine halbe Backpfeife. Genau diese Situation habe der Mann früher der Dame ersparen wollen. Drinnen im Juliette geht es sogleich weiter mit den Annehmlichkeiten für die Dame: „Der Herr hilft der Dame beim Hinsetzen“, sagt Culjak und demonstriert, wie der Herr den Stuhl von hinten sanft an die Dame heranzuschieben habe. Schieben? Nein, eigentlich hebt er ihn heran, wie Culjak zeigt. Gescharre auf dem Boden ist schließlich zu vermeiden.
Das Benimm-Korsett hört in einem feinen Restaurant eigentlich nie auf, werden die Schüler gleich feststellen. Ständig gibt es etwas zu beachten. Der 14-jährige Benni zum Beispiel wusste bislang nicht, dass man sich die Serviette auf den Schoß legt. Doch eine andere Benimm-Regel beherrscht der Jugendliche bereits perfekt: Das Pilzsüppchen mit Brotcroutons löffelt er restlos aus, ohne dabei den Teller anzukippen. „Muss man jahrelang üben“, sagt der Junge und lächelt dabei verschmitzt. Die 14-jährige Camille findet hingegen besonders interessant, welches der vielen Gläser eines feinen Gedecks für welches Getränk gedacht ist.
Aber wie ist das eigentlich, darf man im Restaurant ein Essen reklamieren, nur weil es nicht schmeckt? Der 13-jährige Gregor weiß die korrekte Antwort: Er würde es nicht reklamieren, „sondern einfach nur stehen lassen“. Ja, dann habe man eben Pech gehabt, pflichtet ihm Organisatorin Winkler bei. Geschmack sei, nun ja, eben Geschmackssache. Dafür könne der Koch schließlich nichts.
Und auch wenn es lieb gemeint ist, die Teller solle man in der Regel nicht der Bedienung reichen, erklärt Culjak den Schülern: „Der Service hat immer ein System, wie er die Teller stapelt.“ Das würde dabei nur durcheinandergeraten.
Doch was sagt man zu so viel Benimm an einem Nachmittag? „Ich find’s eigentlich ganz interessant“, resümiert die 13-jährige Celina. Bald will sie auch einen vom Humanistischen Verband organisierten Kochkurs besuchen. Schließlich koche sie „eigentlich ganz gern“. Die Jugendfeier bedeute für sie die Aufnahme in den Kreis der Erwachsenen, erklärt sie. Ihr sei „schon immer“ klar gewesen, dass sie einmal Jugendweihe machen wolle. Auch Benni sieht das so: „Ich find einfach, dass es selbstverständlich ist, dass man Jugendfeier oder Konfirmation macht.“ Religiös sei er nicht, daher komme für ihn nur die Jugendfeier infrage.
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