
© Mike Wolff
Von Jan Brunzlow und Henri Kramer: Nachwehen für freie Schulen
Die Educon-Affäre hat freie Schulen in Verruf gebracht. Das Land fordert acht Millionen Euro Förderung zurück
Stand:
Es ist eine der größten Affären der Schullandschaft in Brandenburg – nun soll es erste Konsequenzen nach dem Crash des überregional tätigen Bildungsdienstleisters Educon geben. So sollen bei künftigen Genehmigungen von Schulen in freier Trägerschaft – „außer in begründeten Ausnahmefällen“ – beispielsweise keine Honorarverträge von Lehrkräften mehr zugelassen werden, kündigte Stephan Breiding vom Bildungsministerium an. Ohnehin werde untersucht, ob die Zuschussverordnung für Ersatzschulen überarbeitet werden muss, sagte der Ministeriumssprecher. Derzeit finanziert das Ministerium zwei Jahre nach dem Start einer Privatschule 94 Prozent der Personalkosten, das erhobene Schulgeld des Trägers muss die weiteren Kosten einspielen. Ob dies so bleibt, wird derzeit diskutiert.
Von dem nach eigenen Angaben früher größten Privatschulbetreiber des Landes – Educon – sind inzwischen nur noch Streit, Klagen und Zahlungsrückforderungen übrig geblieben. Nun könnte der Fall Educon Auswirkungen auf künftige Privatschulgenehmigungen im Land haben. Die SPD-Landtagsfraktion hat sich auf ein neues Modell geeinigt, das Einsparungen bei den freien Trägern und mehr Kontrolle vorsieht. Die neue Bildungsministerin Martina Münch (SPD) hat bei ihrer Vereidigung vor einer Woche bereits deutlich gemacht, worauf es ihr in Zukunft ankommt. Die von der SPD-Landtagsfraktion angeschobene, umstrittene Reform der Finanzierung sowie der Qualitäts- und Zugangsstandards bei den freien Schulen im Land sei auch ihre Linie, betonte Münch. „Es kann nicht sein, dass Privatschulen so eklatant bevorzugt werden“, sagte die neue Ministerin. Die Förderung der Privatschulen in Brandenburg sei zudem höher als anderswo in Ostdeutschland. Sie kritisierte, dass staatliche Schulen in der vergangenen Zeit geschlossen und wenig später am selben Ort private Träger Schulen eröffnet hätten.
Potsdam spielt bei den Privatschulen eine besondere Rolle. Deren Anzahl werde in den kommenden Jahren weiter steigen, erklären die Schulplaner der Landeshauptstadt in ihrem Schulentwicklungsplan. Schon jetzt lernen mehr als 20 Prozent der Schüler – also jeder Fünfte – an einer allgemeinbildenden privaten Schule in der Landeshauptstadt. Die zuständige Schulbeigeordnete Iris Jana Magdowski (CDU) sieht dabei auch die Kommune finanziell entlastet, sagte sie unlängst. Auch der Potsdamer Landtagsabgeordnete Steeven Bretz (CDU) hält nicht viel vom Vorschlag der SPD. Der Antrag gehe in die falsche Richtung. „Den Geldhahn zuzudrehen löst die Probleme des öffentlichen Bildungssektors nicht“, sagte Bretz. Der Erfolg der Privatschulen sei „eine Klatsche und zeige die Defizite im öffentlichen Bildungsbereich“.
In einer kürzlich vorgestellten Studie der Friedrich-Ebert-Stiftung hat Manfred Weiß die allgemeinbildenden Privatschulen in Deutschland unter die Lupe genommen und untersucht, ob sie eine „Bereicherung oder Gefährdung des öffentlichen Schulwesens“ darstellen. Das Ergebnis: Während sich die Privatschulkritiker die in der Untersuchung dargestellten Nachteile herausgepickt haben, rückt der Verband deutscher Privatschulverbände die für Privatschulen positiven Ergebnisse der Studie ins Licht. Konsequenzen wird die Studie wohl nicht nach sich ziehen. Vielleicht aber Ereignisse wie der Fall des einstigen Bildungsdienstleisters Educon. Seit vergangenem September prüft das Ministerium sein Regelwerk für private Schulen. „Ob und in welchem Umfang die Educon-Erfahrungen in die Regelungen eingehen, ist noch offen“, sagte Breiding.
Seit einem Jahr sorgt Educon für Schlagzeilen. Erst hatte es eine Razzia der Staatsanwaltschaft Potsdam gegeben. Kurz darauf hatte das brandenburgische Bildungsministerium drei staatlich geförderte Privatschulen der Educon-Gruppe in Potsdam und Cottbus geschlossen. Es ging vor allem um den Verdacht, dass Educon im Schuljahr 2009/10 in mehr als 500 Fällen Schülerzahlen gefälscht habe, um Zuschüsse zu erschleichen. Auch für die Jahre davor vermuten Ermittler laut den PNN vorliegenden Polizeivermerken Manipulationen mittels verfälschter Klassenbücher – um Zuschüsse zu erschleichen. Die Educon-Gruppe bestreitet alle Vorwürfe. Angesichts der Affäre hieß es aus dem Ministerium im vergangenen September, speziell würde geprüft, ob Verfahrensänderungen beim Nachweis der Zahl der Schüler und ihres Schulbesuchs erforderlich sind. Das ist offenbar vom Tisch. Die Abrechnung an Schulen in freier Trägerschaft „erfolge“ über die Verwendungsnachweisprüfung. Tiefenprüfungen wie bei Educon würden auch künftig nur anlassbezogen und in Einzelfällen durchgeführt, sagte Breiding. „Es gibt keinen Grund, alle freien Schulträger unter Generalverdacht zu stellen.“ Neue Verstöße ähnlicher Art seien nicht gefunden worden, so Breiding weiter.
Zugleich wird die Affäre im Ministerium auch in anderer Hinsicht weiter eine Rolle spielen. Aktuell seien von Educon derzeit 31 Klagen gegen das Ministerium anhängig, sagte Breiding. Unter anderem hatte die Landesbehörde im vergangenen Juli Anträge der Educon auf Errichtung von zwei Grundschulen in Potsdam und Cottbus abgelehnt – „wegen Unzuverlässigkeit des Trägers“, wie Breiding sagte. Andersherum verlangt auch das Ministerium noch Geld von dem Bildungsträger – knapp acht Millionen Euro der Zuschüsse fordert es zurück. Um den Druck zu erhöhen, hat inzwischen auch das Ministerium eine Strafanzeige wegen des Verdachts der Insolvenzverschleppung gestellt. Bei der Staatsanwaltschaft Potsdam heißt es seit Monaten, die bei den Razzien gefundenen Datenträger würden ausgewertet.
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