
© Andreas Klaer
Landeshauptstadt: Neue Helfer im Notfall
Höhere Qualifikation, mehr Kompetenzen: Die ersten Rettungsassistenten absolvieren ihre Zusatzausbildung zu Notfallsanitätern
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Über den Mann auf dem Boden beugen sich mehrere gestandene Feuerwehrmänner. Ein Motorradunfall, Polytrauma – was ist zu tun? Im Brandenburgischen Bildungswerk für Medizin und Soziales auf dem Gelände des Bergmann-Klinikums absolvieren derzeit ein gutes Dutzend Rettungsassistenten ihre Zusatzausbildung zum Notfallsanitäter. Statt im Rettungswagen auf Einsätzen sitzen sie in den Schulungsräumen, lernen Kontra-Indikationen von Medikamenten und wie sie künftig differenzierte Diagnosen für den Notarzt erstellen. Sie erweitern ihr Wissen, um noch mehr Leben zu retten.
Seit Juni 2014 gilt ein neues Bundesgesetz: Rettungsassistenten sollen künftig Notfallsanitäter heißen – und mehr Kompetenzen mitbringen. Denn die bisherige Ausbildung zum Rettungsassistenten ist 24 Jahre alt und entspricht nicht mehr den Anforderungen an den Beruf. „Die Unzufriedenheit mit der Ausbildung wuchs über 20 Jahre“, sagt Christoph Ritscher. Er ist pädagogischer Leiter des Brandenburgischen Bildungswerkes für Medizin und Soziales. Allerdings sei eine Gesetzesänderung von einer Legislaturperiode zur anderen vertagt worden. Nun hat sich der Bundestag durchgerungen. Künftig soll die Ausbildung für die höchste nicht-ärztliche medizinische Qualifikation drei Jahre statt bislang zwei Jahre dauern.
In Brandenburg müssen rund 1300 Rettungsassistenten zusätzlich ausgebildet werden. Sechs Rettungsassistenten der Feuerwehr sind die ersten, die derzeit ihre Ausbildung auf den neuesten Stand bringen und in diesen Tagen ihre Notfall-Sanitäter-Prüfung absolvieren. Einer von ihnen ist der 38-jährige Karsten Kiekebusch. Seit fast 15 Jahren ist er bei der Potsdamer Feuerwehr. Er fährt den Rettungswagen, macht 24 Stunden Dienste und bringt viel Erfahrung mit. Bislang fand er sich allerdings oft in dem Dilemma, dass er selbst nur bedingt eingreifen und helfen konnte. Denn als Rettungsassistent war er eine Art Hilfsarbeiter. Die Hauptverantwortung hatte der Notarzt, rechtlich konnte ein Rettungsassistent belangt werden, wenn er sozusagen zu viel half. „Ich hatte immer wieder die Situation, dass ich vor dem Patienten stand und ich wusste, was zu tun ist, aber ich durfte nicht“, sagt Kiekebusch.
Als Notfallsanitäter darf Kiekebusch künftig schmerzstillende Medikamente verabreichen und Spritzen geben. Durch das neue Gesetz bekomme „das fahrende Volk“, wie Christoph Ritscher die Rettungsassistenten nennt, mehr Kompetenzen. Ritscher ist pädagogischer Leiter der Ausbildungsstätte, wo Kiekebusch derzeit lernt. „Je kompetenter, desto besser. Dadurch wächst die Professionalität, um die Notärzte zu entlasten.“ Stärker als in Potsdam sei dies im ländlichen Raum nötig. „Deutschland gehen die Notärzte aus“, sagt Ritscher. Denn mit Versorgungsengpässen auf dem Land steht Brandenburg nicht allein da, auch in Rheinland-Pfalz oder Sachsen-Anhalt herrscht Notarztmangel. Das soll das neue Notfall-Sanitäter-Gesetz zumindest abfedern.
Das Gesetz ist aber auch Antwort auf die gestiegenen Anforderungen an das Rettungswesen insgesamt. Allein in Potsdam ist seit 2007 die Zahl der Einsätze um ein Drittel gestiegen, insgesamt waren es im vergangenen Jahr 5000 Einsätze mehr als noch 2007. Die Bevölkerung wächst in Potsdam – das erfahren auf diesem Wege auch diejenigen, die zuerst an Ort und Stelle bei Unfällen sind. „Das Aufkommen ist inzwischen so groß, dass wir zusätzliches Material und mehr Personal stellen müssen“, sagt Rainer Schulz, Bereichsleiter bei der Berufsfeuerwehr. Auch wenn in ländlichen Regionen die Bevölkerung eher schrumpft, so ist dort die alternde Gesellschaft auf ein funktionierendes Rettungswesen angewiesen.
Durch die höhere Qualifikation der Notfallsanitäter, so hofft Ritscher, wachse auch die Attraktivität des Berufs. „Perspektivisch wird auch das Gehalt steigen“, ist er sich sicher. Aber der Blick auf das Geld und das Blaulicht, das man einschalten darf, genügten nicht als Motivation, so Ritscher. „Man braucht auch ein Gen, dass man das mag.“ Im kommenden Jahr soll die erste dreijährige Ausbildungsrunde für den neuen Beruf des Notfallsanitäters starten.
Grit Weirauch
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