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Hochschulen in Brandenburg: Nicht befriedigend
Im Streit um Hochschulfinanzen erhält die SPD Druck aus den eigenen Reihen. Brandenburg soll mit rund 280 Millionen Euro für alle Hochschulen jährlich gerade mal so viel aufbringen, wie die TU Berlin allein kostet.
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Der hochschulpolitische Sprecher der Linken, Peer Jürgens, hat anhaltender Kritik an der Hochschulfinanzierung der rot-roten Koalition widersprochen. Die Statistik, wonach Brandenburg deutschlandweit den letzten Platz bei den Hochschulausgaben pro Einwohner belegt, sei überholt. „Ich bin sicher, dass Brandenburg mit den Zahlen von 2013 oder 2014 nicht mehr so schlecht dasteht“, sagte Jürgens den PNN. Zusätzlich werde es mit den vereinbarten Hochschulverträgen regelmäßig Mittelerhöhungen für die Tarifanpassungen geben, was in anderen Bundesländern die Hochschulen selbst finanzieren müssten. Die Lage sei insgesamt gesehen zwar nicht befriedigend: „Aber derart katastrophal wie oft behauptet ist es nicht mehr.“
Professor Heinrich T. Vierhaus vom Lehrstuhl Technische Informatik der Brandenburgisch Technischen Universität Cottbus (BTU) hatte gegenüber dieser Zeitung bemängelt, dass Brandenburg mit rund 280 Millionen Euro für alle Hochschulen jährlich gerade mal so viel aufbringe, wie die TU Berlin allein koste. Hinzu komme, dass das Land Brandenburg ohne Medizinische Fakultät ohnehin wesentlich geringere Kosten habe als andere Bundesländer. Mediziner, die in Brandenburg arbeiten, müssen in anderen Bundesländern ausgebildet werden.
Brandenburgs Finanzminister Helmuth Markov (Linke) hatte mit der Bemerkung, dass Brandenburg nicht zu viele Studierende auf Kosten anderer Länder ausbilden dürfe, die Debatte ausgelöst. Vierhaus hält dem entgegen, dass gerade in der Informatik rund 60 Prozent der Absolventen in der Region bleiben würden. Die Verfügbarkeit von Absolventen mit einer international orientierten Ausbildung sei für die Region von großer Bedeutung. Hiesige High-Tech-Firmen und Institute seien auf sie angewiesen.
Der Studierendenausschuss AStA der Universität Potsdam warnte indes vor einer Zerschlagung der Potsdamer Informatik. Die Universität plant kleinere profilierte Studiengänge mit stärkerem Bezug zu einzelnen Fachwissenschaften. AStA-Referent Paul Möller gab zu bedenken, ob eine Auffächerung am Ende nicht eine Abnahme in der Qualität der Lehre bedeutet und dem Ruf der Potsdamer Informatik schadet.
Die Kritiker am brandenburgischen Hochschulkurs warnen zudem vor ungewollten Kosten. Sollte sich Brandenburg darauf beschränken, nur gezielt für den regionalen Bedarf Studierende auszubilden, müsste es nach Plänen der SPD in Zukunft eventuell Ausgleichszahlungen an andere Bundesländer leisten. Die Bundes-SPD hatte mit Zustimmung aus Brandenburg beschlossen, dass Länder mit vergleichsweise zu geringen Ausbildungsbeiträgen im Hochschulbereich Ausgleichszahlungen an diejenigen Länder leisten sollten, die ihre Aufgaben besser erfüllen. Die Potsdamer SPD-Bundestagsabgeordnete Andrea Wicklein sagte dazu, dass man nicht abwarten dürfe, bis auf Brandenburg solche finanziellen Ausgleichsforderungen zukommen.
Das befüchtet Linke-Politiker Jürgens hingegen nicht. Ein solches Modell habe bisher nirgendwo eine politische Mehrheit gehabt. Zudem habe Brandenburg in den letzten Jahren sehr viele Studierende aus den anderen, vor allem den alten, Bundesländern aufgenommen. „Also selbst wenn so ein Modell käme, würde ich da für Brandenburg kein Problem erkennen“, so Jürgens. Dass Brandenburg in den 1990er-Jahren auf Empfehlung des Wissenschaftsrates keine eigene Medizinische Fakultät aufgebaut hat, hält Jürgens nach wie vor für richtig. „Ich halte es auch für vollkommen verfehlt, wenn jedes Land Studienplätze für alle möglichen Fachrichtungen aufbauen würde, die es eventuell brauchen könnte.“ So bilde Brandenburg beispielsweise bundesweit als einziges Land liberale Rabbiner aus, wovon ganz Deutschland profitiere.
Ein weitaus dramatischeres Bild der Lage zeichnet der Nachwuchs des Koalitionspartners SPD. Juso-Landesvorsitzende Juliane Meyer sagte den PNN, dass innerhalb der nächsten fünf Jahre mindestens 50 Millionen Euro zusätzliches Landesgeld gebraucht würden, um den Bundesdurchschnitt bei Landesmitteln für Hochschulen zu erreichen. Zusätzlich müsse es Mittel zur Kompensation von Tarifsteigerung und Inflation geben, die berlinfernen Regionen müssten besser gefördert werden und für die Umstrukturierung der BTU Cottbus müssten kurzfristig mindestens 20 Millionen Euro zusätzlich fließen. „Die dafür erforderlichen Schritte sollten bereits in den Haushaltsentscheidungen für 2013/14 umgesetzt werden“, so Enrico Schicketanz vom Juso-Vorsitz. Von den derzeit rund 51 000 Studienplätzen im Land seien nur rund 31 000 finanziert. Die Betreuungsrelation Dozent-Student an Brandenburgs Hochschulen sei damit bundesweit eine der schlechtesten.
HINTERGRUND
Brandenburgs Finanzminister Helmuth Markov (Linke) hatte bei einem Besuch der Uni Potsdam Anfang Juli gesagt, dass es keinen Sinn mache, dass Brandenburg viele Studierende ausbilde, die dann nach dem Studium das Land wieder verlassen. Man müsse fragen, wie viele der Hochschulabsolventen das Land eigentlich brauche. Man könne nicht die Studienplätze weiter ausbauen, um für die anderen Bundesländer auszubilden. Die Potsdamer SPD-Bundestagsabgeordnete Andrea Wicklein hielt dem entgegen: „Wir brauchen mehr Investitionen in Bildung und in Wirtschaft.“
Brandenburg hat derzeit rund 51 000 Studierende, von Politik und Hochschulen werden derzeit allgemein 50 000 als sinnvolle Marke gesehen. Allerdings, so die Kritiker, müssten diese Studienplätze dann voll ausfinanziert sein. Markov sprach indes von einer aktuellen Steigerung der Hochschulausgaben. In dieser Legislaturperiode gebe es 130 Millionen Euro mehr für die Wissenschaft. Die Hochschulen sollen für fünf Jahre Planungssicherheit erhalten. Letztlich gehe es zurzeit aber darum, den vergleichsweise kleinen Landeshaushalt zu konsolidieren. (Kix)
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