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Landeshauptstadt: Nichts bewegt sich
Potsdam will seine Attika-Figuren zurück. Berlin lässt das Thema lieber ruhen. Es könnte Auslöser für eine Denkmal-Rochade sein
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Berlin / Potsdam – Die Sandsteinskulpturen auf der Berliner Humboldt-Universität – ein Fall von Beutekunst? Das böse Wort benutzte Brandenburgs Generalstaatsanwalt Erardo C. Rautenberg in seinem Gastbeitrag für die PNN vom Wochenende. „Berliner Beutekunst gehört zurück nach Brandenburg“, schrieb Rautenberg. Die acht Figuren auf den Seitenflügeln der Universität sind längst zum Politikum geworden. Selbst Landtagspräsident Gunter Fritsch (SPD) wünscht sich eine Rückkehr der Figuren auf das neu gebaute Potsdamer Stadtschloss. Dort, auf dem alten Vorgängerbau, standen sie bis zum Schlossabriss Anfang der 60er Jahre. Weil damals auf der wiederaufgebauten Humboldt-Uni noch Platz war, verfrachtete man sie nach Berlin. 1975 wurde das Gebäude unter Denkmalschutz gestellt – samt Attika-Figuren.
In Berlin interessiert sich gegenwärtig kaum jemand für das Thema, mit Ausnahme der CDU. Deren kulturpolitischer Sprecher, Uwe Lehmann-Brauns, fordert seit langem die Rückgabe der Figuren. Ohne sie drohe dem Stadtschloss in Potsdam das Stigma einer seelenlosen Disney-Kulisse. „Die Schlösser in Potsdam und demnächst auch in Berlin sind neu, das ist auch ihr Problem.“ Für Lehmann-Brauns ist die Rückgabe auch im Berliner Interesse, denn im Potsdamer Neuen Palais stehen zwölf Marmorskulpturen aus dem ehemaligen Berliner Stadtschloss. Die Rückgabe könnte somit zum Rücktausch erweitert werden, damit wäre beiden Schlössern geholfen.
Die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten könnte das Kompensationsgeschäft problemlos abwickeln, denn in ihrem Besitz befinden sich alle betroffenen Figuren. Stiftungssprecher Frank Kallensee möchte den aktuellen Skulpturenstreit aber nicht mit bislang noch gar nicht erhobenen Ansprüchen verkomplizieren. Eigentlich möchte die Stiftung alles dort belassen, wo es sich befindet. Man sehe derzeit keinen „Grund, den bestehenden Leihvertrag mit der HumboldtUniversität zu kündigen“, sagt Kallensee.
Doch die Stiftung arbeitet nicht unabhängig von der Politik. Im Stiftungsrat sitzen paritätisch jeweils drei Vertreter von Bund und den Ländern Berlin und Brandenburg. Sollte sich Brandenburg mit dem Bund gegen Berlin verbünden, könnte der Leihvertrag von 1966 gekündigt werden. Für eine Rückgabe bräuchte man aber zusätzlich noch eine denkmalrechtliche Genehmigung des Berliner Landeskonservators, Jörg Haspel. Der hat sich bereits klar gegen eine Rückgabe ausgesprochen. Sein Kernargument ist, dass auch der zerstörerische Umgang mit historischen Bauten in der Nachkriegszeit als Zeitdokument schützenswert ist.Doch auch Haspel ist nicht unabhängig. Sein Dienstherr, Stadtentwicklungssenator Michael Müller (SPD), war nicht zu einer Stellungnahme zu bewegen. Bisher hielt sich Müller gerne aus denkmalpflegerischen Streitfragen heraus.
Unklar ist die Rolle des Bundes. Als Beauftragte für Kultur und Medien ist seit dem Herbst die Berliner CDU-Politikerin Monika Grütters für die Schlösserstiftung zuständig. Das könnte die Berliner CDU stärken. Grütters ließ ausrichten, sie wolle einer Auseinandersetzung des Stiftungsrates mit diesem Thema nicht vorgreifen. Im Kulturausschuss des Abgeordnetenhauses soll die Skulpturenfrage demnächst debattiert werden.
Damit sich die Große Koalition in Berlin bewegt, müsste der Druck aus Brandenburg noch erheblich wachsen. Nach dem Sturz von André Schmitz als Kulturstaatssekretär ist die offizielle Kulturpolitik des Senats bis auf Weiteres ohne Stimme. Schmitz soll sich dem Vernehmen nach intern wohlwollend zu den Potsdamer Ansprüchen geäußert haben. Er hatte zuletzt den Vorsitz im Stiftungsrat der Schlösserstiftung inne. Dieser Posten ist vakant.
Hans-Joachim Kuke vom Potsdamer Stadtschloss-Verein würde gerne eine große Debatte über die Rückverlegung historischer Denkmäler anzetteln. Für Kuke sind die Attikafiguren auf der HU „Kriegsschäden“, genau wie die zerstörten alten Stadtschlösser. „Viele Bürger empfinden den Ist-Zustand als unbefriedigend.“ Politiker müssten dagegen erst „zum Jagen getragen werden“. Dazu trage auch bei, dass viele Volksvertreter Angst vor einer Revanchismusdebatte hätten.
Brandenburgs Generalstaatsanwalt Rautenberg sieht das ganz anders und verweist auf die Letztentscheidungsgewalt der Volksvertreter: „Diese sollten dafür sorgen, dass durch die Wirren der Zeit zwischen Weltkrieg und Wiedervereinigung Kulturgüter wieder dort hinkommen, wo sie herkamen, und niemand vom Unglück anderer profitiert.“ So hält es Rautenberg auch mit der Bibliothek des Schöppenstuhls, deren Rückgabe er ebenso fordert. Die rund 2300 Bände des ehemals höchsten Gerichts der Mark in Brandenburg/Havel waren aus Sicherheitsgründen erst von der Juristischen Fakultät der Humboldt-Universität und 1963 von der Berliner Staatsbibliothek übernommen worden – und die gehört sei 1992 zur Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Die Bibliothek sei von hohem bibliografischen und rechtsgeschichtlichen Wert. „Doch sie gehört nicht nach Berlin, sondern ist ein hohes Kulturgut des Landes Brandenburg und der Stadt gleichen Namens.“T. Loy, A. Fröhlich
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