
© Andreas Klaer
Landeshauptstadt: Nur einer dankt ab
44 Potsdamer krönte die PNN im Friedrichjahr 2012: Eine Regierungsbilanz
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Es könnte alles so einfach sein. Wenn bloß nicht immer so viele mitreden wollten. Preußenkönige wie Friedrich II. wussten schon um die Vorteile von, nun ja, klaren Hierarchien beim Herrschergeschäft. Anlässlich seines 300. Geburtstags im Friedrichjahr 2012 fragten die Potsdamer Neuesten Nachrichten im Wochentakt Potsdamer nach ihren Wünschen und Ideen für die Stadt. 20 Königinnen und 24 Könige bekamen so im Laufe des Jahres die Krone aufgesetzt. Was würden sie in der Landeshauptstadt ändern, wenn sie das Sagen hätten?
Potsdam wäre, das kann man rückblickend feststellen, ein besserer Ort. Und es hätte ein Rathaus, das irgendwie besser arbeitet. Allein zehn Könige bedachten bei ihren Verfügungen die Arbeit der Verwaltung und des Stadtparlaments. Damit landete das Rathaus an oberster Stelle bei den Änderungsvorschlägen. Turbine-Trainer Bernd Schröder etwa regte ein unorthodoxes Teamgeist-Training für Rathaus und Stadtparlament an: Verwaltungsmitarbeiter und die Stadtverordneten müssten drei Tage bei Wasser und Brot gemeinsam in der MBS-Arena verbringen und unablässig den Satz „Wir sind ein Team“ schreiben. Hala Kindelberger, die Vorsitzende des Ausländerbeirats, würde mehr Migranten im Rathaus arbeiten lassen. Axel Werner, der Leiter des Mitmachmuseums Extavium, würde die „Ja-aber-Sager“ aus dem Rathaus ganz verbannen und dort nur noch „Warum-nicht-Sager“ dulden.
Die Stadt dürfe sich nicht mehr als „neoliberaler Konzern“ verstehen, „sondern als gemeines Gut, an dem alle partizipieren“, heißt es bei Kay-Uwe Kärsten vom Archiv e.V. – und Obstbauer Gerhard Neumann wünscht sich allgemein, dass die Behörden von Stadt und Land beweglicher werden: „Früher hieß es zwar: Wer nüscht macht, macht nüscht verkehrt. Aber der Spruch ist überholt.“ Ein sehr konkreter Vorschlag zur Optimierung kam aus dem Rathaus selbst, Wirtschaftsförderchef Stefan Frerichs würde dort einen Ratskeller eröffnen: „Das wäre natürlich so ein Jazz-Blues-Schuppen mit toller Live-Musik am Abend.“
Ebenfalls auf den vorderen Rängen: das Wohl von Kindern und Senioren, das bei sieben Königen eine Rolle spielte, und der Wunsch nach bezahlbaren Wohnraum, der fünfmal genannt wurde. Auch auf Potsdams Straßen würde sich einiges ändern: Mehr Parkplätze in der Innenstadt forderte etwa die Krankenpflegerin Marie-Luise Bredow, drei Könige wollten eine autofreie Innenstadt, gleich fünfmal gab es den Wunsch nach besseren Bedingungen für Radfahrer, auch funktionierender und günstiger Nahverkehr und bessere Bedingungen für den Sport wurden genannt.
Einige Könige setzten in ihren Ideen regelrechte Hilferufe ab: Wenn die Grundschulleiterin Elvira Eichelbaum etwa dafür sorgen will, „dass es an allen Schulen saubere sanitäre Einrichtungen gibt“, dann lässt das Schlimmes über den Ist-Zustand erahnen. Franz Friedrich Prinz von Preußen will endlich wieder ein Tierheim und ausreichend Hundetoiletten. Der Schlosser Peter Brumme, 50 Jahre alt und zum Zeitpunkt der Befragung seit zehn Jahren arbeitslos, wünschte sich mehr Arbeitsplätze für die Landeshauptstadt. Der Musiker Ruben Wittchow will ein Haus der Kulturen mit Bandprobenräumen, Ateliers und einer Bühne. Gisela Rüdiger, frühere Leiterin der Außenstelle der Stasi-Unterlagenbehörde, liegt die Anerkennung von Betroffenen der DDR-Diktatur am Herzen, Inselgärtner Jörg Näthe der Zustand der Freundschaftsinsel, Regisseur Rolf Losansky das verfallene Kino Charlott in Potsdam West und der drohende Parkeintritt.
Wo Könige sind, sind auch Marotten. Vorschläge für die Rubrik Skurriles steuerte etwa der Literaturhändler Carsten Wist bei: Er würde Park Sanssouci zum Lesegarten erklären – und die „Tour de France“ vor Schloss Sanssouci starten lassen. Unter der Regentschaft von Uwe Rühling vom Treffpunkt Freizeit gäbe es auf dem Heiligen See im Winter eine Eisbahn, der Astronomielehrer Arnold Zenkert würde eine Sonnenuhr auf der Freundschaftsinsel bauen lassen: „Der wandernde Schatten zeigt uns die Zeit an und erinnert uns auch ein wenig, diese sinnvoll zu nutzen.“
Ein Plädoyer für mehr Gelassenheit kam von Erich Jesse, dem Chef des Sanierungsträgers: Dazu würde er die Potsdamer mit einem neuen Edikt zum Umgang mit Problemen anhalten. „Potsdam ist nämlich eine schöne Stadt, das sollte man sich ab und zu in Erinnerung rufen.“ Immerhin ein König – Kay-Uwe Kärsten vom Archiv – war so überzeugter Demokrat, dass er seine Abdankung ankündigte. Freilich erst, nachdem seine wichtigsten Anliegen durchgesetzt sind. Es könnte alles so einfach sein.
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