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Landeshauptstadt: Ortsbeiräte erwägen Klage

Neue Initiative geht gegen Anhebung der Grundsteuer B vor. Womöglich muss neu abgestimmt werden

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Carmen Klockow findet klare Worte: „Wir sind von der Stadt um unser Mitspracherecht betrogen worden.“ Die Ortsvorsteherin von Neu Fahrland und vier ihrer Kollegen wollen gegen die von den Stadtverordneten beschlossene Erhöhung der Grundsteuer auf Immobilien und Grundstücke vorgehen. Dazu haben sie eine Rechtsaufsichtsbeschwerde bei der Kommunalaufsicht des Landes Brandenburg eingereicht, weil sie ihre Ortsbeiräte unzureichend an den Beratungen zur Steuererhöhung beteiligt sehen.

Konkret haben sich neben Klockow die Ortsvorsteher von Golm, Grube, Satzkorn und Uetz-Paaren beschwert. Sie alle sind der Ansicht, dass die Ortsbeiräte nicht die Möglichkeit hatten, über die Erhöhung der Grundsteuer zu beraten. „Laut der Kommunalverfassung des Landes müssten wir aber angehört werden“, sagte Klockow den PNN. Selbst rechtliche Schritte gegen die Entscheidung schließe sie nicht aus. „Wir fühlen uns übergangen“, sagte auch Hans Becker, der Ortsvorsteher von Uetz-Paaren. Sein Kollege Ulf Mohr aus Golm kritisierte, damit sei die Arbeit der Ortsbeiräte auf vorsätzliche Art missachtet worden. Ein Sprecher des für die Kommunalaufsicht zuständigen Innenministeriums sagte, die Beschwerden würden geprüft: „Wie lange das dauern wird, kann derzeit nicht gesagt werden.“

Sollten sie recht bekommen und die Kommunalaufsicht die Entscheidung für rechtswidrig erachten, müssten die Ortsbeiräte im äußersten Fall nachträglich beteiligt werden – und die Stadtverordneten die Steuererhöhung erneut beschließen.

Bei der Beratung über die Steuererhöhung – sie dient unter anderem zur Finanzierung des 160 Millionen Euro schweren Pakets für dringend benötigte neue Schulen in Potsdam – hatten die Stadtverordneten einen von der Wählergruppe Die Andere gestellten Antrag auf Einbeziehung der Ortsbeiräte mit deutlicher Mehrheit abgelehnt. Auch die Stadtverwaltung widerspricht der Meinung der Ortsvorsteher, wie Sprecherin Christine Weber sagte: „Wir halten die Kritik für unberechtigt.“ Die Ortsbeiräte hätten Eigeninitiative ergreifen und sich seit Anfang Januar in die Debatte einbringen können.

Die Auffassung stützt auch der Verwaltungsrechtler Thorsten Ingo Schmidt von der Juristischen Fakultät der Universität Potsdam. Den PNN sagte er auf Anfrage, die Ortsbeiräte in Potsdam seien laut Kommunalverfassung zwar für den Haushaltsplan der Stadt zuständig – nicht aber für Haushaltssatzungen. „Daher gehe ich davon aus, dass kein Anhörungsrecht der Ortsbeiräte besteht“, sagte Schmidt. Da es somit an der Rechtswidrigkeit des Handelns der Stadt Potsdam fehle, seien die Voraussetzungen für ein Einschreiten der Kommunalaufsichtsbehörde nicht gegeben. Allerdings bestätigte Schmidt, dass Bürger der Stadt prinzipiell gerichtlich gegen die erhöhten Hebesätze in der Grundsteuer vorgehen könnten.

Juristische Auseinandersetzungen mit der Stadt zu dieser Frage schließt neben Klockow auch Becker aus Uetz-Paaren nicht aus. Denn in den Ortsteilen habe vor dem Zusammenschluss mit Potsdam ein Hebesteuersatz von lediglich 300 Prozent gegolten – nach der Eingemeindung 2003 dann aber auf einen Schlag 480 und später 493 Prozent. Nun werde erneut erhöht – auf 520 Prozent. „Daher trifft für unsere Einwohner die Argumentation der Stadtverwaltung, es habe in den vergangenen 15 Jahren nur ganz geringe Erhöhungen bei der Grundsteuer gegeben, überhaupt nicht zu.“ Für einige Grundstücksbesitzer in den nördlichen Ortsteilen habe sich die Grundsteuer seit 2003 um fast 75 Prozent erhöht. Darüber seien die Menschen im ländlichen Raum – es geht um knapp 15 000 Potsdamer – zu Recht sauer. „Unsere Interessen müssen gehört werden – dafür sind wir schließlich gewählt worden.“ Klockow kritisierte, die Menschen im Norden müssten wie die anderen Potsdamer zahlen – doch sei die Infrastruktur dort an vielen Stellen immer noch nicht befriedigend, etwa beim öffentlichen Nahverkehr oder bei Einkaufsmöglichkeiten. Auch ihr Satzkorner Kollege Dietmar Bendyk beklagte, für die Ortsteile werde zu wenig getan: „Wir sind es leid, ständig außen vor gelassen zu werden.“ Winfried Gutschmidt aus Grube sagte, bei allen anderen Steuerfragen seien die Ortsbeiräte beteiligt worden.

Auffällig an der Initiative ist, dass bis auf den parteilosen Mohr alle bei den Wählergruppen Bürgerbündnis oder Aktionsbündnis Nord-West (ANW) organisiert sind – diese hatten schon den Beschluss zur Steuererhebung in der Stadtverordnetenversammlung abgelehnt. So sagte der Ortsvorsteher von Groß Glienicke, Franz Blaser, er halte das Vorgehen zur Steuererhöhung für nachvollziehbar – schließlich gehe es um den Bau neuer Schulen. Auch der Eicher Ortsvorsteher Ralf Jäkel (Linke) sagte, bei der Schulentwicklungsplanung sei der Ortsbeirat einbezogen worden – die Finanzierung aber gehe weit über die Zuständigkeit des Gremiums hinaus. Die Steuererhöhung war im Wesentlichen durch eine rot-rote Mehrheit möglich geworden.

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