Landeshauptstadt: Panzer für die Nachwuchsschulung
Der Treffpunkt Freizeit feiert seinen 60. Geburtstag – gegründet wurde die Einrichtung als Pionierhaus
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Nauener Vorstadt - Theatergruppe, Freizeitchor, Breakdance-Kurse, Romanbauwerkstatt, „Yoga für Mama und Baby“, Karate-Kurse, Trickfilmstudio, Schachschule, Amateurfunkklub und Nähwerkstatt – das sind nur einige der Angebote, die zum aktuellen Programm des „Treffpunkts Freizeit“ gehören, Potsdams ältester Jugend-Freizeit-Einrichtung. Es hat lange gedauert, bis das Haus am Neuen Garten eine solche Vielfalt entwickeln konnte, doch das eigentlich Erstaunliche ist, dass der Treffpunkt Freizeit noch immer existiert: Vom 7. bis zum 9. September feiert die Institution ihr 60. Jubiläum, mit einem Konzert am Freitag, einem Stadteil-Forum am Samstag und einem großen Familienfest am Sonntag.
Den Namen „Treffpunkt Freizeit“ trägt die Einrichtung erst seit 1990, gegründet wurde sie 1952 als „Haus der Jungen Pioniere“ für Kinder von sechs bis 14 Jahren, 1957 erhielt sie zusätzlich den Namen „Erich Weinert“. „Das Pionierhaus war eine Idee der sowjetischen Besatzer“, sagt Elisabeth Tänzler, die zusammen mit Uwe Rühling die pädagogische Leitung des Hauses innehat. „Die Potsdamer Innenstadt war 1949 ziemlich zerstört, für Kinder gab es nichts. Die Sowjets wollten aber Räume für Jugendliche schaffen, um die Nazi-Ideologie aus den Köpfen zu holen“, erklärt die 59-Jährige.
Als Standort wurden zunächst eine Villa in Sanssouci, ein Kino und sogar ein Teil des ausgebrannten Stadtschlosses diskutiert, doch 1949 entschied sich die FDJ, die Jugendorganisation der SED, für einen Neubau am Neuen Garten, der damals noch als „Zentralpark der Kultur und Erholung“ von der Roten Armee genutzt wurde. Für 2,5 Millionen D-Mark (Ost) wurde der Gebäudekomplex auf dem Areal errichtet, das damals noch bis zum Ufer des Heiligen Sees reichte; dies änderte sich erst 1997, als die Stadt das Ufergrundstück kaufte und das Teffpunkt-Gelände seinen heutigen Umfang von etwa 15 000 Quadratmetern erhielt.
Von Anfang an gab es den Theatersaal, mehrere Werkstätten und die Turnhalle, die heute noch existieren. Auch Angebote wie die Indianer AG (heute „Indianerleben“) oder der Fanfarenzug bestehen seit der Gründung. „Das Haus war nicht gleich belebt“, sagt Tänzler, „es war problematisch, die richtigen Leute als Pädagogen zu finden“.
In den 60er Jahren hatte das Pionierhaus schon rund 60 feste Mitarbeiter, etwa die Hälfte davon technisches Personal. „Heute sind wir noch sechs Festangestellte“, sagt Uwe Rühling, der seit einem Jahr mit dabei ist, „dazu kommen etwa 40 Ehrenamtler, die regelmäßig hier arbeiten, zum Beispiel fast alle Kursleiter.“ Der 37-Jährige weiß um die politische Belastung des Freizeit-Hauses: „Neben den FDJ-Schulungen und politischen Kursen, die Schüler besuchen mussten, gab es auch informelle Einflüsse, zum Beispiel stand hier auf dem Hof jahrelang ein sowjetischer T-34-Panzer.“
Trotzdem sei eher selten von außen politisch in die Gestaltung der Angebote reingeredet worden, sagt der 64-jährige Andreas Klee, der seit 38 Jahren den Mathe-Club des Treffpunkts Freizeit mitleitet: Die FDJ habe nur darauf gedrungen, dass zu Terminen wie der Mathe-Olympiade alle ihr Hemd und ihr Halstuch für das Foto trugen. In den 70er und 80er Jahren war das Angebot des Hauses bereits sehr groß, sagt Klee und Tänzler ergänzt: „Als ich 1988 als pädagogische Mitarbeiterin anfing, hat es hier nur so gewuselt.“
Nur zwei Jahre später sah es jedoch fast so aus, als müsse das Pionierhaus schließen: Es habe Überlegungen gegeben, alle „ideologisch angehauchten“ Einrichtungen wie das Pionierhaus einfach abzuwickeln, erinnert sich Tänzler: „Ein paar Monate lang hatten wir den Eindruck, in einem rechtsfreien Raum zu sein, keiner wusste, wie es weiter geht.“ So habe man am 13. Dezember 1989 noch einen Pioniergeburtstag gefeiert, allerdings deklariert als Weihnachtsfeier.
1990 übernahm die Stadtverwaltung die Trägerschaft, im selben Jahr wurden laut Tänzler etwa die Hälfte der Mitarbeiter aus Kostengründen in den Ruhestand oder ins Rathaus versetzt. Viele Angebote brachen damals als Folge der Sparmaßnahmen weg, aber dafür taten sich auch neue Möglichkeiten auf, zum Beispiel Computer- oder Geschichtskurse. Mit 15 bis 20 Mitarbeitern konnte sich der Treffpunkt-Betrieb Mitte der 90er Jahre wieder erholen, doch es machte sich bemerkbar, dass der Gebäudekomplex seit seiner Errichtung nicht mehr saniert worden war. Auf die Frage, was erneuert werden musste, antwortet Elisabeth Tänzler: „Alles.“
1999 entschied die Stadtverwaltung daher aus Kostengründen, den Treffpunkt Freizeit abzureißen, die Mitarbeiter sollten in anderen Einrichtungen unterkommen. Doch die Pädagogen begannen einen leidenschaftlichen Kampf für den Erhalt ihrer Institution: Ein Förderverein wurde gegründet, zahlreiche öffentliche Protestaktionen durchgeführt und über 21 000 gültige Unterschriften von Potsdamern gesammelt, um einen Bürgerentscheid zu initiieren: „Da fiel manchem Stadtverordneten schon die Kinnlade herunter, als wir den Stapel mit den Unterschriften vorlegten“, erinnert sich Tänzler nicht ohne Stolz.
Schließlich wurde der Treffpunkt für 6,5 Millionen Euro aus Mitteln des Landes, des Bundes und der EU saniert. Während der Bauarbeiten von 2002 bis 2006 ging der Betrieb weiter. Die Besucherzahlen brachen um die Hälfte ein, auf 40 000 pro Jahr. 2002 hatten die Malteser Werke aus Köln die Trägerschaft übernommen, was ebenfalls Schwierigkeiten mit sich brachte: „Sie waren gute Partner, aber die Entfernung nach Köln war zu groß“, sagt Tänzler. Entscheidungen zogen sich hin, unglückliche Personalentscheidungen seien getroffen worden und auch die katholische Ausrichtung der Malteser sei ein Problem gewesen, so Tänzler.
Da sich der Treffpunkt mit einem Defizit von jährlich bis zu 50 000 Euro zudem zu einem Verlustgeschäft für die Malteser entwickelte, wurde 2011 die Kubus GmbH, die das Bürgerhaus Schlaatz betreibt, zum neuen Träger. Die Besucherzahlen, die zuvor bei etwa 70 000 im Jahr stagniert hatten, gingen steil nach oben: 2011 konnte ein Rekord von 100 000 Besuchern erzielt werden. „Wir sind halt ein Haus mit Geschichte“, sagt Uwe Rühling, „dem vertrauen die Leute.“
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