
© Manfred Thomas
Landeshauptstadt: Pelmeni und Wodka
Die Neuen Kammern sind „Filmschauplatz des Monats“: 1967 drehte Konrad Wolf hier „Ich war neunzehn“
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Sanssouci - 44 Jahre sind seit den Dreharbeiten für den Film „Ich war neunzehn“ vergangen: Der damalige Hauptdarsteller Jaecki Schwarz erkannte die Szenerie an den Neuen Kammern im Park Sanssouci am gestrigen Montag aber sofort wieder: „Hier hat die Feuerwehrkapelle gespielt und wir haben getanzt und Pelmeni gegessen“, erzählte der Berliner ergriffen von seinen Erinnerungen, kaum dass er aus dem Auto gestiegen war.
Der Anlass für den Besuch: Das frühere Gästeschloss in Sanssouci ist „Filmschauplatz des Monats Mai“ – eine Aktion im Rahmen des für 2011 ausgerufenen „Jahr des Films“. Die symbolische Fahne dafür hisste Jaecki Schwarz, der dem Fernsehpublikum als Polizeiruf-Kommissar bekannt ist, schließlich gemeinsam mit Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD), Dieter Wiedemann, dem Präsidenten der Hochschule für Film und Fernsehen „Konrad Wolf“ (HFF), und Heinz Buri, dem Marketingchef der Schlösserstiftung.
In „Ich war neunzehn“ erzählt Regisseur Konrad Wolf – angelehnt an seine eigene Lebensgeschichte – vom Emigrantensohn Gregor Hecker, einem jungen Deutschen, der mit seinen Eltern zu Beginn des Nazi-Regimes nach Moskau gezogen war und der nun in den letzten Kriegstagen 1945 als Leutnant der Roten Armee in seine frühere Heimat zurückkehrt. Der Film kam 1968 in die Kinos.
Jaecki Schwarz war beim Dreh zwar nicht 19, aber doch junge 21 Jahre alt – und Student an der Filmhochschule Babelsberg. Seine Schauspielkollegen waren aber fast ausschließlich „originale russische Offiziere“, berichtete er. Bei der ausgelassenen Feier zum 1. Mai – die Szene wurde in der Ovidgalerie der Neuen Kammern gedreht – floss auch reichlich Wodka, um die Offiziere zum Singen zu bringen, erzählte Schwarz: „Konrad Wolf hat die Stimmung gut eingefangen.“
Dass der Regisseur 1967 überhaupt in Sanssouci drehen durfte, sei eine absolute Ausnahme gewesen: Der damalige Schlösserstiftungsdirektor Jochen Mückenberger war 1965 dem XXI. Plenum der SED zum Opfer gefallen und hatte seinen Posten als DEFA-Chef für die „Abschiebestelle“ bei der Schlösserstiftung räumen müssen. „Danach hat er erstmal niemanden von der DEFA hier drehen lassen“, erzählte Schwarz. Für seinen Kumpel Konrad Wolf machte er eine Ausnahme.
Heute hat sich die Situation geändert: Etwa 100 Mal pro Jahr sind Filmteams in den Schlössern und Gärten unterwegs, in den Neuen Kammern entstand 2002 zum Beispiel „Mein Name ist Bach“, wie Heinz Buri von der Schlösserstiftung sagte. Seinen heutigen Arbeitsplatz Sanssouci habe er überhaupt auf der Kinoleinwand zum ersten Mal gesehen, erzählte der gebürtige Schweizer. In den 1970er schaute er sich als Fan des US-amerikanischen Regisseurs Stanley Kubrick (A Clockwork Orange) dessen neuen Film „Barry Lyndon“ an - gedreht unter anderem vor dem Neuen Palais.
Der Film „Ich war neunzehn“ habe ihn seit Jahren begleitet, sagte HFF-Präsident Dieter Wiedemann: in seiner Studentenzeit ab 1967 zunächst als beneidenswertes Vorbild für die „neue Art des Filmens“, in den 1980er Jahren dann bei einer soziologischen Studie anlässlich der Wiederaufführung in der DDR. „Damals habe ich zum ersten Mal begriffen, dass es in der DDR durchaus rechtsradikale Jugendliche gegeben hat“, berichtete Wiedemann von den Reaktionen des DDR–Publikums. „Der Film hat mich als politisch denkenden Menschen geprägt.“
Oberbürgermeister Jann Jakobs, der „Ich war neunzehn“ nach eigenem Bekunden noch nicht gesehen hat, lud Schwarz zu einem weiteren Besuch nach Potsdam ein und versprach dem Schauspieler, sich um ein gemeinsames Treffen mit Brunhilde Hanke zum „Konditern“ zu kümmern. Denn an die frühere Potsdamer Oberbürgermeisterin, die bis 1984 im Amt war, konnte Jaecki Schwarz sich noch lebhaft erinnern. Hanke habe ihn damals zum „konditern“ einladen wollen. Allein: In Potsdam fand sich kein passendes Café.Jana Haase
Das Filmmuseum Potsdam zeigt „Ich war neunzehn“ am 29. Mai um 18 Uhr.
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