Landeshauptstadt: Plastikbecher aus Roggen
Erste Bioraffinerie in Ostdeutschland wurde gestern am Institut für Agrartechnik Bornim gestartet
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Bornim - Eine kleine Fabrik sei aus den wissenschaftlichen Erkenntnissen entstanden, sagte gestern Reiner Brunsch, amtierender Direktor des Leibniz-Instituts für Agrartechnik in Bornim (ATB). Was etwas untertrieben ist, denn die bundesweit einmalige Bioraffinerie zur Produktion von Milchsäure aus nachwachsenden Rohstoffen, die gestern in Bornim ihren Betrieb aufnahm, soll jährlich bis zu zehn Tonnen der vielseitig nutzbaren Basischemikalie produzieren. Mögliche Produkte der aus Roggen gewonnenen Milchsäure sind biologisch abbaubare Kunststoffe, umweltfreundliche Lösungs- und Konservierungsstoffe, Säuerungsmittel aber auch chirurgische Implantate, Folien und Einweggeschirr.
Angesichts der Verknappung fossiler Rohstoffe wachse die Bedeutung der nachwachsenden Rohstoffe, sagte Agrarminister Dietmar Woidke (SPD) gestern zum Betriebsstart der Pilotanlage auf dem Gelände des Forschungsinstitutes. Die Anlage diene dazu, Forschungsergebnisse unter praxisnahen Bedingungen umzusetzen und ökologisch zu bewerten. Woidke sieht den Betriebsstart als weiteren Schritt zur Vorreiterrolle Brandenburgs im Bereich der nachwachsenden Rohstoffe.
Für die Landwirte sei die neue Branche ein wichtiges Zukunftsthema. Ziel sei es auch, dass durch solche Anlagen gut bezahlte Arbeitsplätze entstehen. Die Forschung geht davon aus, dass eine wirtschaftlich tragfähige Biokonversionsanlage von Landwirten im Umkreis von 20 Kilometern beliefert wird und etwa 30 Menschen Beschäftigung bietet. Das Verfahren biete zusätzliche Absatz- undWertschöpfungsmöglichkeiten für die Landwirtschaft, so könnten regionale Stoffkreisläufe entstehen.
Die erste Bioraffinerie in Ostdeutschland bietet gegenüber herkömmlichen Verfahren eine dreifach höhere Ausbeute. Aus einer Tonne Roggen soll die Anlage 100 Liter reine Milchsäure gewinnen. Interessant wird die Produktion aus Biomasse vor allem, wenn in größeren Mengen Milchsäure produziert werden soll. „Wenn man Erdöl als Rohstoff in großem Maßstab ersetzen will, reicht die Herstellung von Milchsäure aus Molke nicht aus“, erklärte Helene Foltan vom ATB den PNN. Dazu seien nachwachsende Rohstoffe ideal. Neben Roggen kommen auch andere Getreidesorten, etwa Kartoffeln, Rüben, Grünpflanzen und sonstige Biomasse zur Produktion in Frage. Die vom ATB patentierte Anlage wird nun in den kommenden 15 Jahren Milchsäure für Forschungszwecke herstellen. Unter anderem soll das Golmer Fraunhofer Institut für Polymerforschung damit beliefert werden.
Die Kosten für die Pilotanlage, die nach einjähriger Bauzeit ihren Betrieb aufnahm, belaufen sich auf insgesamt 3,2 Millionen Euro. Davon kamen 2,4 Millionen Euro aus dem Europäischen Fonds für regionale Entwicklung, den Rest haben das Land Brandenburg und das Bundeslandwirtschaftsministerium übernommen. Wie Joachim Venus von der Abteilung Bioverfahrenstechnik sagte, ist das Konzept zur Milchsäuregewinnung aus Roggen für die Großproduktion ausgereift. Nun warte man auf Investoren. Die Kosten einer großen Anlage dürften bei maximal 30 Millionen Euro liegen.
Forschungsministerin Johanna Wanka (CDU), die gestern die Anlage per Knopfdruck und unter lautem Rattern in Gang gesetzt hat, würdigte die Qualität der Forschungsarbeit des ATB. Das Institut sei in der Brandenburger Forschungslandschaft etabliert und gut vernetzt. Das Leibniz-Institut sei damit auf dem besten Wege für die im kommenden Jahr anstehende Evaluierung durch den Wissenschaftsrat. Mit der Pilotanlage verfüge das Institut über die infrastrukturelle Voraussetzung für die Bearbeitung weiterer Forschungsansätze im Bereich der Biomasseforschung. Wie wichtig die neue Forschungsanlage in Bornim ist, verdeutlichte Agrarminister Woidke schließlich mit einem Zitat von Leibniz: „Alles weltliche Übel entsteht aus dem endlichen Wesen der Natur.“ Womit die zur Neige gehenden Erdölreserven gemeint waren.
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