Landeshauptstadt: Platz zwei nach München
18 Unternehmen aus Potsdam fahren Anfang März zur CeBIT nach Hannover: Eine Branchenrundfahrt
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Wie hektisch krabbelnde Käfer sehen die Menschen aus dieser Perspektive aus. Die Kamera muss hoch über ihren Köpfen hängen, irgendwo im Eingangsbereich der Bahnhofspassagen. Bei Übertreten einer imaginären Linie hinter den Türen verwandeln sich die Köpfe plötzlich in farbige Kreise. So jedenfalls sieht es auf dem Bildschirm aus, auf dem Engelbert vom Kolke sein Produkt präsentiert: Ein Computer-System, das anhand von Videoaufnahmen den Besucherstrom in Einkaufszentren oder Kaufhäusern auszählt, die Wege jedes Besuchers nachverfolgen und die Verweildauer bestimmen kann. Das 2007 fertiggestellte Programm der Potsdamer Firma Vis-à-pix GmbH sei bereits 50-mal installiert, erklärt Firmenchef Vom Kolke – in Potsdam bisher nur in den Bahnhofspassagen. Das Ziel für 2008: „500 Installationen“. Neue Kunden erhofft sich das Unternehmen mit 18 Angestellten auch von der Computermesse CeBIT Anfang März in Hannover.
Im Vorfeld der Messe hatte Brandenburgs Wirtschaftsminister Ulrich Junghanns (CDU) gestern zu einer Unternehmensrundfahrt in der Region eingeladen. Der Minister überlies die „Reiseleitung“ aus Krankheitsgründen dann allerdings seinem Staatssekretär Wolfgang Krüger. Junghanns sieht die Hauptstadtregion Berlin-Brandenburg in der Informations- und Kommunikationstechnologie-Branche (IKT) auf Platz zwei in Deutschland: Mit mehr als 5 000 Unternehmen seien 6,5 Prozent aller deutschen IKT-Firmen hier angesiedelt – Spitzenreiter München liege bei 8,9 Prozent. In Zukunft soll die Hauptstadtregion zum „internationalen Top-Standort“ werden, hofft Junghanns.
Allein 5091 Potsdamer arbeiten in der Branche, wie eine vom Wirtschaftsministerium beauftragte Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) ergeben habe. In Brandenburg sind es demnach insgesamt 40 000 sozialversichungspflichtige Beschäftigte im IKT-Bereich.
Auf der CeBIT tritt das Land wie 2007 gemeinsam mit Berlin auf: 41 Brandenburger Unternehmen fahren nach Hannover - 18 davon kommen aus Potsdam. Die Firmen präsentieren sich zur Hälfte an den Gemeinschaftsständen von Berlin/Brandenburg oder – wie das Hasso-Plattner-Institut (HPI) – mit eigenem Stand, sagte Klaus-Peter Schulze, Chef der „ZukunftsAgentur Brandenburg“, Koordinierungsstelle für Wirtschaftsförderung.
Auch Matthes Derdack wird an der Messe teilnehmen: Die neueste Erfindung des IT-Unternehmens „Derdack“ mit Sitz in der Potsdamer WilhelmGalerie trägt den sprechenden Namen „Faster than disaster“ – „Schneller als die Katastrophe“. Es handelt sich um ein automatisiertes Alarmsystem, das bei Störfällen in kürzester Zeit Alarmmeldungen per Mail, SMS, Anruf oder Fax versendet, erklärte Derdack gestern. Derzeit habe die 1999 gegründete Firma Kunden in über 50 Ländern: „Die Exportquote beträgt 91 Prozent.“ Qualifizierte Arbeitskräfte mit sehr guten Fremdsprachenkenntnissen zu finden sei allerdings ein Problem: „Wir suchen händeringend nach neuen Mitarbeitern.“
Über Nachwuchsmangel beklagt sich auch HPI-Leiter Christoph Meinel: Zwar werden die Studienplätze des Informatik-An-Instituts der Uni Potsdam wegen des Bewerberandrangs per Numerus Klausus vergeben. Dagegen sei das Doktorandenkolleg mit insgesamt 45 Plätzen bislang noch nie voll ausgeschöpft worden. Auch mit dem Frauenanteil von nur 15 Prozent ist der Institutsleiter nicht zufrieden: Der liege zwar fünf Prozent über dem deutschen Durchschnitt, fällt aber im internationalen Vergleich entschieden schwach aus: Denn in den Nachbarländern im Osten und Westen interessieren sich doppelt so viele Frauen für ein Informatikstudium, so Meinel. Mit den Genen könne man das kaum erklären: „Das muss etwas mit der Schule zu tun haben“, spekuliert der Institutsleiter.
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