zum Hauptinhalt

Analyse Jann Jakobs: Politik der sturen Hand

Das Debakel um die Tourismusabgabe liegt auch an seinem Führungsstil: Was ist los mit Potsdams Oberbürgermeister Jann Jakobs?

Stand:

Er versucht, sich nichts anmerken zu lassen. Doch als Jann Jakobs, dunkelblauer Anzug, weißes Hemd, pünktlich um 17 Uhr den Blauen Salon im Stadthaus betritt, um dort den Hauptausschuss zu leiten, wirkt er angespannt. Kein Späßchen wie sonst. Und anders als üblich drückt er keinem der Stadtverordneten die Hand. Die Sitzung lenkt er sehr zügig, ja förmlich. Nein, kein offener Konflikt mit dem Stadtparlament, mit seinen Genossen, diesmal nicht. Zur Tourismusabgabe, die ihm gerade um die Ohren geflogen ist, sagt er kein einziges Wort.

Er ist ja einiges gewohnt, dieser Jann Jakobs, 59 Jahre, SPD. Seit zehn Jahren regiert er nun als Oberbürgermeister Potsdams, für diese schwer regierbare Stadt eine halbe Ewigkeit. Was hat er für Höhen und Tiefen erlebt, etwa die Stadtwerke-Affäre überstanden, die ihn hätte das Amt kosten können. Im Oktober 2010 war er wiedergewählt worden, für acht Jahre, mit einem für seine Verhältnisse triumphalen 60-Prozent-Ergebnis. Seinen langjährigen Widersacher, den Linken Hans-Jürgen Scharfenberg, hatte er endgültig deklassiert. Seitdem ist da keiner mehr, der ihm das Amt streitig zu machen versucht in seiner altersbedingt letzten Amtszeit. Vielleicht verführt das alles? Vielleicht ist das der tiefere Grund, weshalb Jakobs seitdem noch weniger Rücksichten nimmt, immer einsamer regiert, was jetzt im Debakel um die Tourismusabgabe mündete? Er nehme kaum mit, kommuniziere wenig, wurde schon länger geklagt, in der Verwaltung, in der SPD-Stadtfraktion, in der Kooperation aus SPD, CDU/ANW, Grünen und FDP, die ihm bislang die Mehrheiten sicherte. Und sie jetzt verweigerte.

Vorboten gab es, viele. Immer wieder hatte Jakobs im Stadtparlament auch gegen seine eigenen Leute gestimmt – sei es, als es zuletzt um einen neuen Workshop für den allseits kritisierten Entwurf für den Neubau des Langen Stalls in der Breiten Straße ging oder beim Streit um die Straßenreinigungssatzung. Sei es, als SPD-Kreis- und Fraktionschef Mike Schubert einen Plan vorlegte, wonach das Ordnungsamt mehr Aufgaben der Polizei übernehmen könnte. Jakobs lehnte den Antrag ab, die Stadtverordneten stimmten zu. Sei es, als Schubert vorschlug, wegen der Staus an den Einfahrtstraßen eine „Regio-Tram“ für Potsdam und das Umland zu prüfen, aber Jakobs’ Verwaltung reserviert reagierte.

Ja, es gibt auch die anderen Stimmen. Die, die es gut finden, dass Jakobs „im Potsdamer Rathaus- und SPD-Filz“ trotz der langen Zeit eben kein Parteisoldat geworden ist. Er sei „ erstaunlich anständig, ja unabhängig“ geblieben, sagt eine, die ihn lange begleitete. Doch schon in seinen Interviews zum Jahreswechsel konnte man sehen, wie da einer dabei war, abzuheben. Es war nach dem Fiasko um Plattners gescheiterte Kunsthalle am Mercure- Standort. Und Jakobs teilte aus, nach allen Seiten, gegen Hasso Plattner, der seiner Meinung nach mehr hätte aushalten müssen, gegen Ministerpräsident Matthias Platzeck (SPD), der sich hätte in die Bresche werfen müssen, gegen die Linken. Nur einer hatte keinerlei Schuld: er selbst. Persönliche Fehler? „Nein“.

So ist es jetzt wieder bei der gescheiterten Tourismusabgabe, an der er immer noch am liebsten festhalten würde. Alle Warnsignale vorher hatte Jakobs ignoriert. Er hat nicht wahrhaben wollen, wie in der Stadt die Stimmung kippte. Dass im Stadtparlament die einst verabredete rot-rote Mehrheit dafür wackelte. Dabei waren es nicht die Linken, sondern seine Genossen, von Händlern und Unternehmern bestürmt, die zu unsicheren Kantonisten wurden. So lief es vor der Bettensteuer-Wende auf einen Rathauskrimi hinaus: Bei der Abstimmung am 5.Juni sollte die Tourismusabgabe nicht von der Kooperation, sondern von SPD und Linke durchgebracht werden. Doch das ging nicht auf, weil nach CDU und FDP Ende der vergangenen Woche auch noch die Grünen offiziell „Nein“ sagten. Dies zu ignorieren wäre der Bruch des Kooperationsvertrags gewesen. Und ein zerbrochenes Rathaus-Bündnis plus eine rot-rote Abstimmungsniederlage zur Tourismusabgabe, das wäre für Jakobs, für seine Partei zum Fiasko im Jahr vor der Kommunalwahl geworden. Und mit welcher Mehrheit wollte Jakobs eigentlich in wenigen Monaten seinen Vize Burkhard Exner wiederwählen lassen?

Das war der politische Grund, weshalb SPD-Stadtfraktionschef Mike Schubert umschwenkte, dem Oberbürgermeister mit der Kooperation die Pistole auf die Brust setzte und ihm die Brücke hinüber zur Bettensteuer baute, die Jakobs – zunächst – nicht ging. Die Tourismusabgabe war schließlich sein Projekt. Ein halbes Jahr hatten Experten im Rathaus und ein extra beauftragter Anwalt an der Satzung getüftelt. Alles umsonst? Von einem Tag auf den anderen? So nicht, nicht mit Jann Jakobs. Er sei eben ein ostfriesischer Sturkopf, sagen Vertraute, die es wohl mit ihm meinen. „Er war schon immer so. Da hat sich nichts geändert“, meint Oppositionsführer Scharfenberg. „Für Ratschläge ist er wenig zugänglich.“

Zugleich rächt sich, dass der Kreis derer, mit denen er sich berät, arg überschaubar ist. Da ist das Oberbürgermeisterbüro unter Dieter Jetschmanegg (Spitzname: Der Entschleuniger), der auch nicht als Kommunikator und Netzwerker in die Stadtfraktionen hinein gilt. Da ist Stadtsprecher Stefan Schulz, ein treuer, loyaler Diener seines Herren. Korrektive, Kritiker, Seismographen? Kaum da, auch nicht bei seinen Beigeordneten. Zumal es auch hinter den Kulissen in der Stadtverwaltung, die er so häufig verteidigt, an der Spitze ganz enorm knirscht. Besonders das Verhältnis zu Kultur- und Schuldezernentin Iris Jana Magdowski (CDU) gilt als zerrüttet. In den Beigeordnetenkonferenzen soll sie von Jakobs, der Härte zeigen kann, regelmäßig angebrüllt werden.

Im Hauptausschuss, am Abend, setzt er dann doch ein versöhnliches Zeichen. Als auf Antrag der SPD seine Tourismusabgabe vertagt wird, als dann der Antrag abgestimmt wird, Verhandlungen mit der Schlösserstiftung aufzunehmen, um ihr eine Million Euro pro Jahr aus dem Stadthaushalt zu überweisen, da hebt auch Jann Jakobs seine Hand.

Er hat ja noch sechs Jahre vor sich.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })