Landeshauptstadt: Polizei: „Wir stehen ganz am Anfang“
Die Zahl der Prostituierten an der B 2 hat sich verdoppelt – Stadt und Polizei planen mehr Kontrollen
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Die Michendorfer Chaussee entwickelt sich seit Sommer 2008 zunehmend zum Straßenstrich – und Stadtverwaltung und Polizei sind bisher offenbar hilflos. Die Zahl der Frauen, die zwischen Potsdam und Michendorf am Straßenrand auf Freier warten und diese im Auto bedienen, hat sich nach PNN-Informationen in den vergangenen Wochen mehr als verdoppelt: Waren es im November acht, sind es mittlerweile bis zu 18 Frauen. Diese Zahl nannte eine Straßensozialarbeiterin der Beratungsstelle „Bella Donna“, die die Frauen regelmäßig betreut. Nach Recherchen von Potsdam TV bieten die Frauen auch Sex ohne Kondom an – ein erhebliches Gesundheitsrisiko für Prostituierte und Freier.
Bei einem Treffen von Vertretern der Ordnungsämter von Potsdam und Michendorf mit der Polizei Anfang Dezember wurden „verstärkte Kontrollen“ beschlossen, erklärte Polizeioberrat Mathias Tänzer, Leiter der Führungsstelle, gestern auf PNN-Anfrage. Über Art und Umfang der Kontrollen wollte er sich allerdings nicht weiter äußern. „Wir stehen ganz am Anfang und müssen uns erstmal selbst ein Bild machen“, erklärte Tänzer.
Auch im Potsdamer Rathaus gab man sich gestern beim Thema Straßenstrich nicht auskunftsfreudig: Eine PNN-Anfrage nach genaueren Informationen über die Frauen, eventuelle Bürgerbeschwerden und das geplante Vorgehen der Stadt wurde lediglich mit dem Hinweis auf die mit der Polizei vereinbarte „erhöhte Kontrolltätigkeit“ beantwortet. „Im Land Brandenburg ist dieses Gewerbe nicht beim Gewerbeamt anzeigepflichtig“, teilte Stadtsprecherin Rita Haack schriftlich mit.
Einen Sperrbezirk wolle man an der Michendorfer Chaussee, die etliche Kinder als Schulweg nutzen, jedenfalls nicht beantragen, erklärte Michendorfs Bürgermeisterin Cornelia Jung (parteilos) den PNN gestern auf Anfrage. Auch wenn im Michendorfer Ordnungsamt wie berichtet wöchentlich Bürger-Beschwerden über die offen angebotenen Sex-Dienste eingehen, fehlt der Gemeinde laut Jung „jegliche rechtliche Handhabe dagegen“.
Denn Prostitution ist in Deutschland nicht verboten. Mit dem Prostitutionsgesetz aus dem Jahr 2001 ist die rechtliche Stellung der Prostitution als Dienstleistung geregelt. Prostituierte können seitdem unter anderem ihre Bezahlung vor dem Gericht einklagen und sich gesetzlich krankenversichern.
Trotzdem wurden an der B 2 bereits Verweise erteilt, wie Torsten Ringel, der Sprecher des Polizei-Schutzbereiches Brandenburg, den PNN unlängst erklärt hatte: Denn auch wenn die Frauen über gültige Ausweispapiere, ein Gesundheitszeugnis und Gewerbeanmeldung verfügen, benötigen sie laut Bundesfernstraßengesetz eine Sondergenehmigung für die Arbeit an der B 2 – und diese habe nicht vorgelegen. Allerdings endet die Zuständigkeit der Brandenburger Polizei am Abzweig Wilhelmshorst.
Bei den Frauen handelt es sich um Bulgarinnen, die in Berlin leben, sagte Waclawa Haake, Straßensozialarbeiterin bei „Bella Donna“, der Fachberatungsstelle für Opfer von Menschenhandel im Land Brandenburg, gegenüber dieser Zeitung. Sie habe die Frauen bereits mehrfach aufgesucht und beraten – so biete Bella Donna etwa kostenlose HIV-Tests oder die Vermittlung zum Frauenarzt an. „Das wird sehr gerne angenommen“, so Haake. Die Frauen hätten früher in Berlin gearbeitet, ihren Arbeitsplatz aber wegen „zu starker Konkurrenz“ nach Potsdam verlegt. „Besondere Vorkommnisse“ wie etwa Gewaltübergriffe habe es ihres Wissens dort bisher nicht gegeben.
Die Frauen an der B2 sind laut Haake nicht die einzigen Prostituierten in der Landeshauptstadt: „In Potsdam gibt es sehr viel Wohnungsprostitution“, so die Sozialarbeiterin. Genaue Zahlen gebe es nicht: „Das wechselt oft, manche Frauen arbeiten nur an bestimmten Tagen.“ Das Finanzamt führt nach Auskunft von Finanzministeriumssprecher Gabriel Hesse keine Statistik über die Zahl der Selbstständigen in diesem Bereich. Dass die Prostituierten ungeschützten Sex anbieten, verwundert Melanie Witt vom Potsdamer Aidshilfe e.V. nicht: „Das ist sowohl für die Frauen als auch für den Freier sehr gefährlich“, warnte die Sozialarbeiterin. Jana Haase/Thomas Lähns
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