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Wanderprediger mit rechten Parolen. Eric Graziani Grünwald hat auch in Potsdam an Pogida-Aufmärschen teilgenommen. Jetzt trommelt er im Internet für deren Nachfolgeorganisation „Freie Patrioten Potsdam“, die am 20. August eine Großkundgebung auf dem Luisenplatz angemeldet hat.

© dpa

Schlössernacht, SVB-Pokalspiel und rechte Demo: Potsdam im Ausnahmezustand

Eine rechte Demo, ein Pokalspiel und die Schlössernacht zwingen die Polizei am 20. August zu einem Großeinsatz. Knapp zwei Wochen später wird dann ein ganzer Stadtteil abgeriegelt.

Stand:

Die Potsdamer müssen sich auf verschärfte Sicherheitsmaßnahmen und eine abgeriegelte Stadt einrichten. Am 20. August, parallel zur Potsdamer Schlössernacht und zum DFB-Pokalspiel des SV Babelsberg 03 im Karl-Liebknecht-Stadion gegen den SC Freiburg, hat der rechte Pogida-Nachfolger „Freie Patrioten Potsdam“ eine Demonstration angemeldet. Ausgerechnet am Luisenplatz, dem zentralen Anfahrts- und Zugangspunkt für die Besucher der Schlössernacht im Park Sanssouci wollen die Rechten ihre Kundgebung, zu der deutschlandweit aufgerufen wird, abhalten.

Die Polizei hatte versucht, die Anmelder wegen der angespannten Sicherheitslage dazu zu bewegen, an einem anderen Tag zu demonstrieren. Doch die ließen sich nach PNN-Informationen nicht davon abbringen. Anlass ist der Anschlag von Würzburg mit IS-Hintergrund Mitte Juli. Die „Patrioten“ wollen deshalb auf den Tag genau einen Monat später ihre Kundgebung abhalten. Einfach verbieten kann die Polizei wegen des Demonstrationsrechtes den Aufzug der Rechten aber nicht. Die Blöße, einen polizeilichen Notstand auszurufen, will sich in Potsdam niemand geben. Zudem sind die von den Gerichten aufgestellten Hürden für diesen Notstand, der Demonstrationsverbote möglich machen würde, enorm hoch.

Hinter den „Freien Patrioten Potsdam“ steht ein rechter Wanderredner

Ein sogenannte Großlage ist es für die Polizei dennoch: Neben der rechten Versammlung, die von 14 bis 20 Uhr angemeldet ist, wollen die selbsternannten Patrioten auch eine kurze Demonstrationsrunde über die Schopenhauerstraße, die Breite Straße und zurück zum Luisenplatz über die Zeppelinstraße drehen. Mit Gegenprotest ist zu rechnen. Anpfiff für das Pokalspiel des SV Babelsberg 03 ist um 15.30 Uhr. Und am späten Nachmittag startet dann die Schlössernacht.

Hinter dem Pogida-Nachfolger steht Eric Graziani Grünwald, der mehrfach bei Pogida als Redner aufgetreten war. Er mobilisiert seit Wochen im Internet für die Demonstration in Potsdam und forderte „alle Patrioten Deutschlands“ dazu auf, Widerstand zu leisten gegen angeblich „fremden Terror auf das deutsche Volk“ und „gegen vom Staat gesteuerte linke Gewalt“.

Auch wegen der Urlausbezeit ist die Personallage der Polizei angespannt

Problem für die Polizei: Sie muss einen Großeinsatz stemmen – und das mitten in der Urlaubszeit, die Personallage ist also noch angespannter als ohnehin schon. Zudem ist das Personal an diesem Wochenende bundesweit knapp. Unterstützungskräfte aus anderen Bundesländern dürften wegen der ersten Runde im DFB-Pokal rar und schwer nach Brandenburg zu bekommen sein. Die Brandenburger Polizei steht deshalb vor der Herausforderung, schon früh Demonstrationsrouten abzusichern. Die Potsdamer, aber auch Besucher der Stadt müssen mit weitreichenden Verkehrseinschränkungen und Absperrungen rechnen. Herausforderung für die Polizei wird auch sein, die Touristen und Besucherbusse dennoch durch die Stadt zu lotsen.

Die Polizei rechnet auch mit einem höheren Aufwand für die Schlössernacht, nicht nur wegen der rechten Demonstration am Luisenplatz. Wegen der Terrorgefahr werden auch verschärfte Sicherheitsvorkehrungen getroffen. In Baden-Württemberg wird für Volksfeste und in München für das Oktoberfest schon über ein Rucksack- und Taschenverbot nachgedacht. Ob das auch in Potsdam nötig ist, wie scharf die Zugangskontrollen werden, ist allerdings noch nicht geklärt.

Vorletzter Ferientag: Stadt wird für Sicherheitstreffen abgeriegelt

Für die Potsdamer dürfte der 20. August aber nur ein Test sein. Denn zwei Wochen später, am Donnerstag, dem 1. September, ist die Landeshauptstadt dann im kompletten Belagerungszustand. An diesem vorletzten Tag der Sommerferien treffen sich in Potsdam die Außenminister der 57 Mitgliedsstaaten der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE).

Das Bundeskriminalamt und Brandenburgs Polizei bereiten sich auf einen umfangreichen Einsatz vor. Abgehalten wird die eintägige Konferenz im Dorint-Hotel. Nach Angaben des Polizeipräsidiums ist damit zu rechnen, dass der Potsdamer Norden komplett abgeklemmt wird, die Verkehrsadern aus der Innenstadt dicht gemacht werden. Im gesamten Stadtgebiet ist zudem mit massiven Folgen für den Auto-, Tram- und Busverkehr zu rechnen. Besonders betroffen sind die Anwohner im direkten Umfeld des Dorint-Hotels. Sie müssen mit weitreichenden Sicherheitsmaßnahmen wie Zugangs- und Ausweiskontrollen sowie weiteren Überprüfungen in dem Gebiet rechnen.

Im Umfeld prüft die Polizei bereits Gebäude, um dort Scharfschützen platzieren zu können. Das Bundeskriminalamt und die Brandenburger Polizei stimmen sich eng ab. Sollte auch US-Außenminister John Kerry kommen, hieß es, ist mit noch schärferen Vorgaben der US-amerikanischen Sicherheitsdienste zu rechnen.

Wer also noch Ferien hat, sollte besser erst am 2. September zurück sein.

Hintergrund: Christian Müller nicht mehr dabei

Pogida ist tot, jetzt machen die „Freien Patrioten Potsdam“ weiter. Und Pogida-Gründer Christian Müller hat sich zurückgezogen. Grund sind mehrere Gewaltstraftaten. Erst im Februar war er vom Amtsgericht zu einem Jahr Haft ohne Bewährung verurteilt worden – wegen Körperverletzung, Bedrohung und Fahrens ohne Führerschein. Wegen einer Beißerei seines Hundes bei der Silvesterfeier 2015/16 soll Müller zwei Partygäste schwer verprügelt haben. Müller legte Rechtsmittel gegen das Urteil ein. Seither wurde derIntensivstraftäter im Juni erneut angeklagt. Nach einem Trinkgelage am 20. April 2015 soll der Potsdamer am nächsten Morgen um 5.40 Uhr zugeschlagen haben – erst auf seine Freundin Anika K., dann auf einen Nachbarn. Zuletzt hat Müller Anfang Juni auf offener Straße am Bassinplatz im Rausch Anika K. brutal verprügelt – nach einem Saufgelage in einem Dönerimbiss. Zeugen hatten ihn dabei beobachtet. Ermittler halten ihn für eine tickende Zeitbombe. Trotz mehrerer Urteile und wiederholter Gewalttaten, darunter Folter und eine Scheinhinrichtung, ist er weiter auf freiem Fuß.

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