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Weniger Gäste in den Schlössern: "Potsdam ist kein Selbstläufer mehr"

Weniger Menschen haben im vergangenen Jahr Potsdamer Schlösser besucht. Eine Ursache: Die umfangreichen Bauarbeiten wirken offenbar abschreckend. Eine fehlende Tourismus-Strategie sei außerdem Schuld.

Von Peer Straube

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Potsdam - Die Potsdamer Welterbeschlösser haben in der Touristengunst verloren und einen deutlichen Rückgang der Besucherzahlen zu verzeichnen. Im vergangenen Jahr wurden knapp 960.000 Besucher registriert, fast 68.000 – 6,6 Prozent weniger als im Jahr zuvor. Gegenüber 2012, als die Jubiläumsausstellung zum 300. Geburtstag Friedrichs II. Potsdams Tourismusbranche Rekorde bescherte, fällt der Rückgang noch dramatischer aus: Damals waren 1,22 Millionen Menschen in die Potsdamer Schlösser geströmt – gut eine Viertelmillion mehr als 2014.

„Potsdam ist kein Selbstläufer mehr“, sagte Hartmut Dorgerloh, Generaldirektor der Schlösserstiftung, am Montag vor Journalisten. Als Hauptgrund für den Einbruch bei den Gästezahlen nannte Dorgerloh die umfangreichen Bauarbeiten an vielen Stiftungsschlössern. Baugerüste wirkten auf viele Touristen abschreckend. Tatsächlich haben nicht zuletzt die großen Schlösser wie das Neue Palais, Cecilienhof und die Orangerie in der Besuchergunst eingebüßt, jene Schlösser also, an denen Sanierungsarbeiten im Zuge des 155-Millionen-Euro-Masterplans zur Rettung bedrohter Preußenschlösser laufen. Doch bis auf Sanssouci und wenige andere Ausnahmen landeten auch alle weiteren Potsdamer Schlösser im Minus. Besonders viele Besucher hat im letzten Jahr die Bildergalerie verloren – um fast ein Viertel brachen die Zahlen ein.

Potsdam solle nicht als Stau-Stadt gelten

Einen Teil der Schuld gibt Dorgerloh allerdings auch der Stadt Potsdam. Er vermisse ein Tourismuskonzept, vor allem im Hinblick auf die von Jahr zu Jahr wachsende Konkurrenz aus Berlin. Das Rathaus müsse eine Strategie erarbeiten, um vom Touristenstrom in die Bundeshauptstadt zu profitieren. Inzwischen hätten die Berlin-Besucher auch im Umland unter den vielen Angeboten die Qual der Wahl. Potsdam brauche ein eigenes touristisches Profil, so Dorgerloh. Er habe derzeit den Eindruck, dass sich die Stadt zu sehr auf ihr Wachstum konzentriere, ohne dabei immer auch wirtschaftliche Interessen im Blick zu haben.

Indirekt kritisierte er auch die Verkehrspolitik der Verwaltung. Potsdam müsse darauf achten, dass es sich nicht durch restriktive Maßnahmen bei den Reiseunternehmen den Ruf erwerbe, eine Stadt zu sein, in der man nur im Stau steht. Dorgerloh spielte damit auf die jüngsten Pläne der Bauverwaltung an, die Zeppelinstraße – Teil der Bundesstraße 1 – einspurig zu machen. Potsdam sei überregional vor allem für Sanssouci bekannt, so Dorgerloh: „Wer glaubt, Weltkulturerbe ist ein Titel, auf den man im internationalen Vergleich verzichten kann, der irrt.“ Der Stiftungschef übte damit auch Kritik an Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD). Dieser hatte wie berichtet den wirtschaftlichen Wert des Titels Weltkulturerbe für eine Stadt bei einer Veranstaltung Ende letzten Jahres öffentlich in Zweifel gezogen.

Drei Jahre in Folge mehr als eine Million Besucher

Das Rathaus wies Dorgerlohs Kritik am Montag zurück und verwies auf eigene Zahlen, die einen gegenläufigen Trend zeigen. Zum dritten Mal in Folge habe die Landeshauptstadt im vergangenen Jahr bei der Zahl der Übernachtungen die Millionenmarke geknackt, sagte Stefan Frerichs, Chef der kommunalen Wirtschaftsförderung, auf PNN-Anfrage. Ausgelöst durch das Rekordjahr zum 300. Geburtstag Friedrichs II. habe sich die positive Entwicklung Potsdams im Tourismus seitdem verstetigt. Frerichs verwies zudem auf die Ergebnisse der Besucherbefragung vom vergangenen Jahr, wonach Potsdam inzwischen bei den Touristen beliebter sei als Sanssouci und Co. Die Landeshauptstadt werde abseits des Schlösserbonus inzwischen auch als eigenes Städtereiseziel wahrgenommen. Dies spreche für ein erfolgreiches Tourismusmarketing. Auch die Kritik, Potsdam setze sein Image bei Reiseveranstaltern aufs Spiel, wies Frerichs zurück. Erst vor wenigen Tagen sei die Stadt an das Fernbusliniennetz des Anbieters MeinFernbus angeschlossen worden. Dies spreche nicht für eine sinkende Attraktivität Potsdams als Reiseziel.

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Die Stadt sei bereit, mit der Schlösserstiftung an einer gemeinsamen Strategie zu arbeiten, wie man mehr Berlin-Besucher auch nach Potsdam locken kann, so Frerichs. Als ersten Schritt regte er – nicht ohne Ironie – an, dass die Stiftung auf ihren Werbeplakaten an den Berliner Flughäfen darauf hinweist, wo sich die abgebildeten Schlösser denn befinden. Auf den Fotos seien „wunderschöne Luftaufnahmen von Sanssouci“ zu sehen, so Frerichs. Leider stehe nirgends, dass sie in Potsdam zu finden sind. „Das wäre doch ein Anfang für ein schärferes Profil.“

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