Von Henri Kramer und Sabine Schicketanz: Potsdam will Ufer-Anrainer enteignen
Stadt startet mit Kaufangeboten für Uferareal formell das Verfahren / Zwangsgeld gegen Sperrer
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Gross Glienicke - Potsdam macht im eskalierten Ufer-Konflikt am Groß Glienicker See ernst: Noch in dieser Woche will die Landeshauptstadt das Verfahren für Enteignungen zugunsten des öffentlichen Uferwegs beginnen. Das bestätigte gestern Bürgermeister Burkhard Exner (SPD). An rund zehn Anrainer des Sees werde die Stadt Kaufangebote für den Uferstreifen schicken. Dies sei „formal der erste Schritt zur Enteignung“.
Willigten die Anrainer nicht in den Verkauf des Ufers an die Stadt ein, werde Potsdam beim Innenministerium des Landes den Antrag stellen, den Anrainern das „Eigentum zu entziehen, soweit wie nach Bebauungsplan nötig“. Außerdem werde die Stadt eine „vorläufige Besitzeinweisung“ verlangen – damit könnte das Innenministerium den Uferstreifen bereits während des laufenden Verfahrens der Stadt zusprechen. Sperrungen des Uferwegs wie derzeit wären dann nicht mehr möglich. Exner betonte, Enteignungen seien die „ultima ratio“. Es gebe „in jedem Stadium des Verfahrens“ die Möglichkeit einer gütlichen Einigung. Daran habe Potsdam großes Interesse. „Aber wir werden den Weg der Enteignung beschreiten, wenn es sein muss“, so Exner.
In der vergangenen Woche hatte sich der Konflikt am Groß Glienicker See zugespitzt. Vier Anrainer hatten den Uferweg, der über ihre Privatgrundstücke führt, mit Hecken und Zäunen abgesperrt. Am Abend des Ostermontags demonstrierten rund 300 Menschen gegen die Sperrungen; dabei kam es zu Handgreiflichkeiten zwischen einem Sicherheitsmann, der das gesperrte Grundstück bewachte, und einem Demonstranten. Bei der Polizei liegen nun vier Strafanzeigen vor, so Sprecherin Ingrid Schwarz – je zwei wegen Körperverletzung und Sachbeschädigung. Der Demonstrant habe wohl einen auf dem früheren Weg gepflanzten Strauch herausgerissen, daraufhin habe es die Auseinandersetzung mit dem Wachmann gegeben, so die Polizeisprecherin. Verletzte habe es nicht gegeben. Die Bürgerinitiative „Groß Glienicker See für alle“, die die Demonstration organisiert hatte, kündigte für kommenden Montag eine erneute Protestaktion an. Diese soll wieder am Abend stattfinden, dann an der Sperrung am Uferweg auf Höhe der Dorfstraße 10.
Gegen die Sperrungen ist die Stadt Potsdam mit sogenannten Beseitigungsverfügungen vorgegangen – dagegen wollten die Sperr-Anrainer Widerspruch einlegen. Damit müsste das Verwaltungsgericht Potsdam entscheiden; der Termin für das Eilverfahren soll in etwa 14 Tagen stattfinden. Außerdem will die Stadt laut Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) mit einem Zwangsgeld in vierstelliger Höhe die Öffnung des Weges erwirken. Noch am Wochenende ließ die Verwaltung an acht Stellen Sperren aufstellen. Diese „Drängelgitter“ wurden zeitweise sogar von einem privaten Wachdienst im Auftrag der Stadt bewacht. Sie dienen laut Exner dazu, weitere Arbeiten am Uferweg zu verhindern. Wer die Gitter beseite schiebe, damit Baufahrzeuge auf den Uferweg fahren können, begehe Sachbeschädigung.
Der rund 2,5 Kilometer lange Uferweg verläuft auf dem ehemaligen Postenweg der DDR-Grenzer. Für das Ufer liegt ein gültiger Bebauungsplan vor, der bei einer Normenkontrollklage nicht beanstandet wurde. Er ist somit – anders als im Parallelfall Griebnitzsee – zunächst juristisch nicht angreifbar. Der Bebauungsplan sieht auch den öffentlichen Uferweg vor. Allerdings ist dieser nicht öffentlich gewidmet. Dies hatte die damals selbstständige Gemeinde Groß Glienicke zu Beginn der 1990er Jahre irrtümlich versäumt. Nunmehr muss die Stadt Potsdam dies nachholen. Dafür benötigt sie das Einverständnis jedes einzelnen der rund 40 Seegrundstück-Eigentümer. Diese müssten eine „Grunddienstbarkeit“ für den Weg im Grundbuch eintragen lassen, so Exner.
Im vergangenen Herbst hatte Potsdam die Verhandlungen darüber mit den Anrainern begonnen. Bisher ist nach Angaben der Stadt erst ein Vertrag geschlossen worden, vier weitere stehen laut Jakobs vor dem Abschluss. Die vier Sperr-Anrainer hatten ihre Bereitschaft, mit der Stadt zu sprechen, vergangene Woche für „final beendet“ erklärt. Für Bürgermeister Exner ist dies unverständlich. Die Stadt sei „geneigt, in den Verhandlungen alle Spielräume zu nutzen“. Sie dürfe allerdings nicht nach dem Prinzip „Gibst Du mir Steg, geb’ ich Dir Weg“ verfahren. Zudem handele es sich bei den Sperr-Anrainern nicht um zu DDR-Zeiten enteignete Privateigentümer. Viele heutige Anrainer hätten allein die Rechte erworben, die Uferareale nach Mauergrundstücksgesetz zum vergünstigten Preis vom Bund zu kaufen. Die Anrainer dagegen haben der Stadt vorgeworfen, nicht auf „Augenhöhe“ zu verhandeln. Auch habe Potsdam seit 1999 nichts unternommen, um den Bebauungsplan für das Ufer umzusetzen.
Unklar blieb gestern, ob der Uferweg an einer weiteren Stelle gesperrt werden soll. An der Straße Am Park 4 und 4 a ließ ein Anrainer den Asphalt des Weges aufhacken und sperrte mit Flatterband. Die Stadt schickte Mitarbeiter, später wurde das Band wieder abgehängt. Heute soll es mit dem Anrainer Verhandlungen geben.
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