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Potsdamer Bergmann-Klinikum: Drogennotfälle bei Minderjährigen deutlich gestiegen
72 Minderjährige wurden 2024 im Bergmann-Klinikum als Drogennotfall eingeliefert. In den Vorjahren lag die Zahl bei etwas über 50 Fällen. Partykonsum sei meist nicht der Grund, so das Klinikum.
Stand:
Die Zahlen sind alarmierend: 2024 wurden im Potsdamer Ernst-von-Bergmann-Klinikum insgesamt 72 Minderjährige wegen eines Drogennotfalls (also zum Beispiel einer Überdosis) eingeliefert. 38 davon kamen aus Potsdam, der Rest aus dem Umland. Darüber informierte das Klinikum auf Nachfrage der PNN.
Zum Vergleich: 2023 lag die Zahl der Minderjährigen, die wegen Drogen stationär behandelt werden mussten, bei 54 (davon 21 aus Potsdam). Im Jahr 2022 waren es 56 Minderjährige (davon 26 aus Potsdam). Offiziell spricht das Klinikum von stationären Behandlungen aufgrund von „psychischen und Verhaltensstörungen durch psychotrope Substanzen“.
Die Verzweiflung der Jugendlichen, die wir mit Intoxikationen betreuen, ist teils erdrückend.
Bernhard Kosak, Leiter der Kindernotaufnahme im Bergmann-Klinikum
„In den letzten drei Jahren betreuen wir zunehmend Kinder und Jugendliche mit Intoxikationen in unserer Kindernotaufnahme und auf unserer Kinderintensivstation“, sagt Bernhard Kosak, Leiter der Kindernotaufnahme im Bergmann-Klinikum. „Wir sehen pro Woche zwischen vier und fünf Patientinnen und Patienten mit Intoxikationen.“
Anders als in früheren Jahren haben Alkoholvergiftungen deutlich abgenommen, auch übermäßiger Konsum von Drogen wie Amphetaminen und Cannabis sind eher seltener. Am häufigsten seien Überdosierungen durch verschreibungspflichtige Medikamente, die zum Teil mit Alkohol oder Amphetaminen kombiniert wurden, sagt Kosak: „Es werden vor allem langwirksame Benzodiazepine, Neuroleptika und Antidepressiva eingenommen. Häufig aber auch wahllos gefundene Tabletten, wie Schmerzmittel, Hormonpräparate, Vitamine oder ähnliches.“ Opioide wie Tilidin oder Fentanyl hingegen tauchen nur selten auf.
Kosak betont, dass die meisten Drogennotfälle nicht durch Überdosierungen beim Feiern verursacht wurden, so wie es früher häufig der Fall gewesen sei: „Es handelt sich dabei oft, aber nicht ausschließlich, um psychisch erkrankte Jugendliche mit selbstverletzendem Verhalten und eben nicht (mehr) um Partyexzesse.“
Warum der Missbrauch von Medikamenten unter Minderjährigen so stark zugenommen hat, lässt sich nicht eindeutig beantworten: „Einflussfaktoren sind aus meiner Perspektive Reformbedarfe im Bildungssystem, Mangel an psychiatrischen und psychologischen Betreuungsangeboten und vielleicht auch noch die Nachwehen der Schulschließungen in der Pandemie“, sagt Kosak.
Allgemein beklagt Kosak, dass sich die Politik zu wenig um die Bedürfnisse junger Menschen kümmere: „Die Verzweiflung der Jugendlichen, die wir mit Intoxikationen betreuen, ist teils erdrückend.“
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