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Christian Raschke und Uwe Klett von der Geschichtswerkstatt Rotes Nowawes e.V.

© privat/privat

Potsdamer Vereine stellen sich vor: Geschichtswerkstatt Rotes Nowawes e.V.: Lokalgeschichte erlebbar machen

Die industriell geprägten Orte Nowawes und Babelsberg haben eine ganz eigene Geschichte – diese zu erforschen und den Menschen nahezubringen, hat sich die Geschichtswerkstatt Rotes Nowawes zur Aufgabe gemacht.

Stand:

Vereine sorgen für gesellschaftlichen Zusammenhalt, prägen in ihrer Vielfalt das Gesicht einer Stadt. Vereine integrieren, sind ein Mittel gegen Einsamkeit und Anonymität. Sie fördern das Miteinander, das Wir. Um der Bedeutung von Vereinen auch in Potsdam gerecht zu werden, stellen die Potsdamer Neuesten Nachrichten (PNN) die Aktiven in der Serie „Vereinsmeierei“ vor.

Heute: Geschichtswerkstatt Rotes Nowawes e.V.. Die Fragen beantwortete Christian Raschke aus dem Vorstand.

Was sollten Potsdamerinnen und Potsdamer über Ihren Verein wissen?
Die Geschichtswerkstatt Rotes Nowawes e. V. bildete sich vor einigen Jahren als ein lokal und ehrenamtlich arbeitender Verein mit dem Ziel, die Geschichte der früheren Industriestadt Nowawes, dem heutigen Babelsberg, zu erforschen und der interessierten Öffentlichkeit nahezubringen. Uns zeichnet das Konzept der Geschichtswerkstätten aus, die Geschichte von unten praktizieren. Dabei sollen vor allem die Alltagsgeschichte und die Geschichte der ‚kleinen Leute‘ im Mittelpunkt stehen. Wie haben die Menschen hier früher gelebt, was waren ihre Sorgen, wie haben sie sich organisiert, wo machten sie Sport, in welche Kneipe gingen sie und wer bestimmte die Politik? In unserer Geschichtswerkstatt sind wichtige Arbeitsbereiche die Geschichte der Arbeiterbewegung in Nowawes und die des Nationalsozialismus sowie der Widerstand dagegen. Nowawes und Babelsberg als industrieller Standort haben eine komplett andere Geschichte als das bürgerliche preußische Potsdam auf der anderen Havelseite. Dies wollen wir herausstellen, gerade auch, weil sich Babelsberg in den letzten Jahrzehnten selbst sehr stark verändert hat. Heute, mit den sanierten Straßenzügen und dem Verschwinden der kleinen und großen Betriebe, nimmt kaum jemand Notiz davon, dass Babelsberg auch bis 1989 ein großer Industriestandort war und anders tickte. Potsdam und Babelsberg waren gegensätzlich, im Sozialen, im Politischen und auch historisch, getrennt durch die Havel, was ebenso die Bevölkerung kultivierte.

Warum ist die Arbeit Ihres Vereins bedeutsam?
Wir gestalten über digitale Hilfsmittel wie eine Webseite, aber auch über klassische Formen der Erinnerungs- und Bildungsarbeit wie Führungen, die Geschichte des Roten Nowawes für alle interessierten Personen erlebbar. Wir organisieren Führungen, Veranstaltungen und Ausstellungen und sind bei öffentlichen Stadtteilfesten anzutreffen. Wir arbeiten unter anderem mit Schulen und anderen lokalen und regionalen Institutionen zusammen. Wir schauen auf das jüdische Leben, thematisieren die Zwangsarbeit im Nationalsozialismus, ergründen aber auch das politische und sozial Leben der einfachen Leute in den unzähligen kulturellen und sportlichen Vereinen, die es einst gab. Wir archivieren unsere Erkenntnisse und stellen sie der Öffentlichkeit vor. Durch unsere Arbeit konnten wir die Geschichte des Roten Nowawes, des etwas anderen Potsdams, mehr im Stadtbild verankern, während vorher von Seiten der Stadt der Fokus auf das ausschließlich touristische und preußische Potsdam lag. Wir wollen die Geschichte, die es an jeder Ecke gibt, aufarbeiten und der Öffentlichkeit zur Verfügung stellen.

Welches Vorurteil über Ihren Verein stimmt nicht?
Wir kommen aus unterschiedlichen politischen und zivilgesellschaftlichen Zusammenhängen. Nur weil wir uns als Geschichtswerkstatt Rotes Nowawes bezeichnen, bedeutet dies nicht, dass wir alle rot gefärbt sind. Trotzdem fokussieren uns manche auf dieses Stigma des Roten Nowawes, das von der Kaiserzeit bis heute überlebt hat. Er war zwar ein Identitätsbegriff eines Großteils der Bewohner als Synonym für eine starke Arbeiterbewegung, also durchaus mit Stolz und einer positiven Eigenschaft verbunden. Doch der Begriff des Roten Nowawes hatte auch eine große negative Assoziation. Er stand auch als eine Beschimpfung. Für die Konservativen aus Nowawes und vor allem aus Potsdam war das Rote Nowawes eine Abgrenzung zum bürgerlichen Potsdam und mit Armut, Problemen, aber auch Aufruhr verbunden.

Was ist Ihr größter Erfolg?
Als wir uns gründeten, da wussten nur wenige, was es mit dem „Roten Nowawes“ aus der Kaiserzeit und der Weimarer Republik auf sich hat. Durch unsere Arbeit wie Stadtteilrundgänge, Radtouren und den thematischen Veranstaltungen konnten wir diesen Identitätsbegriff als Synonym für eine starke Arbeiterbewegung und Kontrapunkt zu Potsdam darstellen. Heute arbeiten wir mit verschiedenen städtischen Institutionen zusammen und sind Teil der gesamtstädtischen Erinnerungskultur. Unsere Ausstellungen, Führungen und Veranstaltungen sind sehr gut besucht, das zeigt uns, dass es ein Interesse an lokaler Geschichte und vor allem an Alltagsgeschichte gibt.

Am 21. September ist Oberbürgermeisterwahl. Was wünschen Sie sich von dem neuen Potsdamer Oberbürgermeister?
Bereits positiv befasste Beschlüsse der Stadtverordnetenversammlung wie die Benennung von öffentlichen Plätzen nach Frauen aus der Nowaweser Arbeiterbewegung, die Errichtung eines Erinnerungsortes an die Bücherverbrennung in Nowawes, aber auch vieler andere Anregungen und Beschlüsse im Kontext der Erinnerungs- und Gedenkkultur wie die Kennzeichnung von Orten der NS-Zwangsarbeit müssen zeitnah umgesetzt werden. Die lokal und thematisch arbeitenden Geschichtsvereine sollten zudem in der Potsdamer kultur- und regionalgeschichtlichen Arbeit besser eingebunden werden. Da gibt es eine große Expertise, die noch zu wenig gewürdigt wird.

Wie kann man Ihren Verein am besten unterstützen?
Für die erinnerungspolitische und lokalgeschichtlich Arbeit sind wir immer auf der Suche nach Informationen und Materialien wie Fotos, Dokumenten und Erlebnissen, welche die Geschichte von Nowawes/Babelsberg darstellen. Auf Dachböden und in Kellern schlummern häufig Schätze. Ein Fotoalbum oder andere Alltagszeugnisse sind für uns wichtige Bausteine in der Arbeit. Wir leben von unseren Mitgliedsbeiträgen und der ehrenamtlichen Arbeit. Auch mit einer Spende kann unser Verein unterstützt werden. Wir sind als gemeinnützig vom Finanzamt Potsdam anerkannt.

Wo und wie kann man in Ihrem Verein mitmachen?
Bei uns können sich alle interessierten Personen einbringen, die sich mit der Nowaweser und Babelsberger Lokalgeschichte auseinandersetzen möchten. Dabei muss man kein Experte oder Historiker sein, auch ein Thema, eine Frage oder eine Idee sind bei uns willkommen. Wir treffen uns regelmäßig zu unseren Sitzungen und führen diverse Veranstaltungen durch. Entweder man spricht uns dort einfach an oder kontaktiert uns über die Webseite mit der dortigen E-Mail-Adresse.

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