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Landeshauptstadt: Potsdams ungleiche Verfahren

Immobilienaffäre: Semmelhaack durfte ohne Auflage kaufen, Jauch wurde zu Sanierung verpflichtet

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Das Rathaus verschickte ein Dementi, die Stadtpolitik tauchte ab: Fernsehjournalist Günther Jauch sorgt in Potsdam mit seinen Vorwürfen, die Stadt habe bei der Privatisierung von Immobilien den Unternehmer Theodor Semmelhaack möglicherweise bevorzugt und andere Investoren bewusst ungleich behandelt, für Aufregung.

Neu sind dabei nicht die Tatsachen, die Jauch in einem Schreiben an Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD) vom 29. September nach Enthüllungen des Magazins „Stern“ anprangert. Neu ist, dass sich mit Jauch einer zu Wort meldet, der sich selbst von den dubiosen und intransparenten Umständen der Immobilien-Privatisierung im Jahr 2000, als die Gewoba 1050 Wohnungen für 26,3 Millionen Euro an Semmelhaack veräußerte, betroffen sieht. Während Oberbürgermeister Jakobs weiterhin alle Vorwürfe zurückweist und betont, es sei bei den Grundstücksverkäufen nicht zu Unregelmäßigkeiten gekommen, bleibt unbeantwortet, wer die strittigen Verkaufsverfahren verantwortet und darüber Bescheid wusste.

Jauch hatte in seinem jüngsten bisher unbeantworteten Schreiben an Jakobs kritisiert, dass die städtische Gewoba die 1050 Wohnungen „unter Bedingungen, die nahelegen, dass außer Herrn Semmelhaack kein anderer beim Erwerb zum Zuge kommen sollte“ veräußert habe. Der Hintergrund: Die Gewoba hatte die rund 100 Immobilien in zwei Paketen angeboten. Statt sich dabei an 1997 veröffentlichte EU-Regeln für transparente Bieterverfahren zu orientieren, die zwar kein Gesetzesstatus haben, der Stadt aber vom Land zur Beachtung empfohlen wurden, wählte die Gewoba andere Wege: Das erste Grundstückspaket bot sie sechs selbst ausgewählten Unternehmen an, das zweite schrieb sie mit einer einzigen Anzeige in der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ aus. Zuvor war durch die Stadt, die aus Geldnot an die Gewoba veräußerte, der Wert der Immobilien nur pauschal ermittelt worden, teils ohne Besichtigung der Objekte. Die EU empfiehlt indes neben einer sorgfältigen Wertermittlung ein Bieterverfahren, bei dem kommunale Liegenschaften mindestens zwei Monate in mehreren Publikationen ausgeschrieben werden.

Jauch, der in Potsdam eine Reihe von Immobilien besitzt – darunter zahlreiche aufwendig sanierte Denkmale – meldete sich als Bürger und Investor bereits 2009 mit Zweifeln an dem Privatisierungsverfahren bei dem damaligen Gewoba- und heutigem Pro-Potsdam-Chef Horst Müller-Zinsius. Jauchs Beweggrund: Semmelhaack hatte ihm Immobilien zum Kauf angeboten, die zehn Jahre zuvor im Besitz der Stadt gewesen waren. Jauch, so geht aus Schreiben hervor, hatte sich schon um das Jahr 2000 als Potsdamer Investor explizit bei der Gewoba gemeldet und darum gebeten, ihn bei öffentlichen Ausschreibungen zu informieren. Das geschah offenkundig nicht. Semmelhaack zahlte 26,3 Millionen Euro für beide Pakete, die Stadt gewährte einmal zehn, einmal 20 Prozent Preisabschlag.

Zudem sieht Jauch eine Ungleichbehandlung von Investoren: Während Semmelhaack ohne Sanierungsverpflichtung kaufen konnte, hätten Stadt und Gewoba ihm regelmäßig harte Auflagen erteilt. Semmelhaack dagegen habe später unsanierte Gebäude mit Gewinn weiterveräußert. Warum die Gewoba Semmelhaack im Jahr 2000 keine Sanierungsauflagen machte, konnte das Unternehmen Pro Potsdam am Donnerstag wegen eines Umzugs nicht beantworten.

Es ist nicht das erste Mal, dass Jauch auf Missstände im Potsdamer Rathaus aufmerksam macht. 2007 hatte er Willkür und Schikane des Bau- und Denkmalamtes kritisiert. Ein von Oberbürgermeister Jakobs in Auftrag gegebener Prüfbericht des Berliner Baurechtlers Ulrich Battis hatte festgestellt, dass Ungleichbehandlung von Investoren kein Einzelfall war. Geltendes Recht sei willkürlich angewandt worden, befand Battis.

Der Unternehmer Semmelhaack mit Sitz in Elmshorn (Schleswig-Holstein) begegnet den Vorwürfen von Jauch mit Unverständnis. Zu den Umständen der Verkaufsverfahren äußerte er sich nicht. Diese habe die Gewoba bestimmt. Semmelhaack bestätigte jedoch, dass die Gewoba ihm in den Kaufverträgen keine Sanierungsauflagen gemacht habe. „Aber wir haben saniert und dafür das Doppelte des Kaufpreises investiert“, so Semmelhaack. Er habe weniger als zehn Prozent der Häuser aus den Gewoba-Paketen weiterveräußert. Die damals von der Gewoba gekauften 1050 Wohnungen machten rund 15 Prozent seines Immobilienbestandes in Potsdam aus. Dieser habe einen Wert von 400 Millionen Euro; seien die derzeit in Bau befindlichen Neubauten fertig, würden es rund 450 Millionen Euro. Gebaut habe er in Potsdam noch mehr als er jetzt im Bestand halte, doch zahlreiche Reihen- und Einfamilienhäuser seien verkauft worden, so Semmelhaack. Der „Grundstock“ sei der Bau des neuen Quartiers „Altes Rad“ in Eiche mit 1000 Wohneinheiten 1993/94 gewesen. Dort habe er rund 200 Millionen Euro investiert, so Semmelhaack. Dass die Potsdamer Immobilien heute das Doppelte wert seien als vor zehn Jahren, hänge mit der „sehr erfreulichen Entwicklung“ der Stadt Potsdam zusammen.

Mit den Gewoba-Paketen habe er im Jahr 2000 „Streubesitz“ in der ganzen Stadt erworben, samt 30 Prozent Leerstand: „Allein die Sanierung der Plattenbauhochhäuser am Humboldtring kostete zehn Millionen Euro – wären andere bereit gewesen, das zu machen? Eine Frage, auf die Jauch auch gern eine Antwort hätte.

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