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"Absolute Mehrheit": Raab erreicht mehr Erstwähler als alle anderen

Stefan Raabs neue Polit-Talkshow hat mehr junge Menschen vor den Fernseher gelockt als alle Talks von ARD und ZDF in der vergangenen Woche zusammen. Doch die Qualität ließ zu wünschen übrig. Wirbel gibt es auch um Raabs rassistische Äußerung zu Philipp Rösler.

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„Unfug“, „Dilletantismus“ - der selbst gerne lästernde Stefan Raab musste sich im Vorfeld seiner Politik-Talkshow so manches anhören. Es entbrannte sogar eine Debatte, ob Spitzenpolitiker in eine Show wie „Absolute Mehrheit“ gehen dürfen. Doch nach der der ersten Sendung am Sonntag dürfte sich manch kritischer Parteivertreter auf den Weg zu Raab machen. Der machte zwar nichts besser als Günther Jauch, Maybrit Illner und Co. Er holte aber zumindest bei der Premiere sehr viele junge Menschen - und damit Jungwähler - vor den Fernseher: Bei den 14- bis 29-Jährigen hatte Raab mehr Zuschauer, als alle ARD- und ZDF-Talks der vergangenen Woche zusammen.

Raab scheint froh gewesen zu sein, dass am Ende überhaupt noch bundesweit bekannte Politiker in seine Sendung am späten Sonntagabend kamen. „Vielen Dank, dass Sie gekommen sind, das beweisst Pioniergeist“, begrüßte er Wolfgang Kubicki (FDP), Thomas Oppermann (SPD), Michael Fuchs (CDU), Jan van Aken (Linke) und die Unternehmerin Verena Delius in seinem Studio. Zuvor hatte Bundesumweltminister Peter Altmaier (CDU) kurzfristig abgesagt.

Der Aufhänger der teils harschen Kritik aus dem Berliner Politikbetrieb waren die 100.000 Euro, die Raab im Vorfeld für den beliebtesten Talkgast als Prämie ausgesetzt hat. Die sollte ein Gast bekommen, wenn er in einer Zuschauerabstimmung mehr als die Hälfte der Stimmen - also die absolute Mehrheit - erhält. FDP-Mann Wolfgang Kubicki gewann zwar mit 42,6 Prozent der Zuschauerstimmen deutlich vor dem Linken van Aken und SPD-Mann Oppermann. Die 100 000 Euro bekommt Kubicki aber nicht, in der nächsten Sendung geht es dafür nun um 200.000 Euro.

War es das Geld, die Aufregung im Vorfeld oder schlicht die Bekanntheit Raabs, die so viele junge Zuschauer vor den Fernseher lockte? Der 46-Jährige schaffte es jedenfalls auf Anhieb, in der für den Werbemarkt relevanten jungen Zielgruppe Branchenprimus Günther Jauch den Rang abzulaufen.Jauch konnte sich darüber freuen, mit 5,54 Millionen Zuschauern am Sonntag einen der besten Werte in seiner ARD-Zeit geholt zu haben. Auch die 1,14 Millionen Zuschauern in der für die Werbung relevanten Gruppe der 14- bis 49-Jährigen waren nicht schlecht.

Doch Raab brachte es mit seiner eine Stunde nach Jauch gestarteten Sendung sogar auf 1,28 Millionen Zuschauer zwischen 14 und 49 Jahren.

"Hoffentlich fallen Rösler nicht die Stäbchen aus der Hand"

Noch deutlicher fällt der Unterschied bei den 14- bis 29-Jährigen aus. Aus dieser Altersgruppe schalteten bei Raab rund 500 000 Menschen ein. Das waren mehr als dreimal soviel wie die
160 000 jungen Zuschauer bei Jauch. Und weil in den vergangenen Tagen bei Frank Plasberg und Sandra Maischberger je etwa 90 000, bei Anne Will und Reinhold Beckmann je 30 000 und bei Maybrit Illner etwa 50 000 Junge einschalteten, jubelte ProSieben darüber, dass ihr Frontmann mehr junges Publikum erreichte als die öffentlich-rechtlichen Talks zusammen. Inhaltlich verdiente sich Raab diesen Zuspruch allerdings nicht.

Das Gespräch über die drei Themen Steuergerechtigkeit, Energiewende und soziale Netzwerke brachte nicht mehr Erkenntnisgewinn als die Runden der ARD- und ZDF-Talker. Bei Raab kam hinzu, dass er den Diskussionsfluss gerade in der zweiten Hälfe der Sendung für Werbung oder einen Blick auf den Zwischenstand bei der Zuschauerabstimmung störend oft unterbrach.

Gerade die Zuschauerabstimmung bot aber keine Spannung: ProSieben-Nachrichtenchef Peter Limbourg präsentierte die Balken mit den Zwischenständen ohne Einschätzung, warum etwa Kubicki von Anfang an weit vorne lag und CDU-Mann Michael Fuchs weit abgeschlagen Letzter wurde. Limbourg lobte am Ende Raab stattdessen für dessen Premiere. „Wenn ich ein kurzes Kompliment machen darf, Sie können auch Politik.“ Viele im politischen Geschäft dürften dies anders sehen.

Für Empörung hat vor allem Raabs rassistischer Witz auf Kosten des FDP-Vorsitzenden Philipp Rösler gesorgt. Raab sagte in seiner Sendung: „Wenn Rösler das beim Abendessen sieht - hoffentlich fallen ihm nicht die Stäbchen aus der Hand.“ Rösler ist in Vietnam geboren und als Kind adoptiert worden. Er wuchs in Deutschland auf. Ein Sprecher der FDP wollte den Vorgang am Montag in Berlin nicht kommentieren. Aus der FDP-Spitze hieß es aber: „Ein Polittalk mit Format verzichtet auf Spielereien unter der Gürtellinie. Das wollte oder konnte 'Absolute Mehrheit' nicht.“ (AFP/dpa/Tsp)

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