
© Andreas Klaer
Landeshauptstadt: Raser bekommen Saures
Polizei will für Sicherheit vor Schulen sensibilisieren. Stadt prüft Tempolimits auch auf Hauptstraßen
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Waldstadt - Morgendliche Kontrolle in der Waldstadt: Mit der Winkerkelle weist ein Polizist einen silberfarbenen Kleinwagen an, rechts an den Straßenrand der Friedrich-Wolf-Straße zu fahren. Der Fahrer war in der Tempo-30-Zone einige Kilometer pro Stunde zu schnell unterwegs, genug für ein Bußgeld. Doch heute ist ein Glückstag für den Fahrer, sein Portemonnaie bleibt verschont. Statt der üblichen 15 Euro Strafe gibt es für den Verkehrssünder eine Handvoll saure Drops von zwei Schulkindern in gelben Warnwesten überreicht. Außerdem bekam er die Bitte mit auf den Weg, künftig langsamer zu fahren.
Mit der gemeinsamen Aktion mit Schulkindern aus der zweiten und dritten Klasse der Waldstadt-Grundschule wollte die Potsdamer Polizei Autofahrer für mehr Aufmerksamkeit in der Nähe von Schulen sensibilisieren. Anlass war der erste Schultag nach den Ferien. Sicherheit sei ein wichtiges Thema und die Aktion ein symbolischer Akt, so Einsatzleiter Ingolf Niesler. Zwischen 7.30 Uhr und 9 Uhr stoppten die Beamten zwei Temposünder. „Die Autos fuhren zwar unter zehn Kilometer pro Stunde zu schnell, aber für Tempo 30 ist das trotzdem schon bedenklich“, sagt Niesler. Vor allem, wenn nicht genug Bremsweg zur Verfügung stehe, reiche es auch bei dieser Geschwindigkeit schon für einen Unfall, erklärt Niesler.
Unfälle auf dem Schulweg gibt es auch in Potsdam regelmäßig. Im Jahr 2015 ereigneten sich 35 sogenannte Schulwegsunfälle – weniger als ein Prozent des gesamten Unfallgeschehens. Dabei gab es 28 Verletze. Rechnet man die Ferien heraus, ist das etwa ein Unfall pro Woche. Dies beinhalte aber nicht nur Unfälle mit Autos, sondern jegliche Unfälle von Schulkindern auf dem Weg zur Schule – auch ohne dass ein Fahrzeug involviert sei, so Niesler. Die Daten für 2016 liegen noch nicht vor – allerdings erwartet er einen Anstieg. Glücklicherweise habe es seit dem Jahr 2014 in Potsdam keine tödlichen Verkehrsunfälle mit Kindern und Jugendlichen gegeben. „So soll es auch bleiben“, sagt Niesler.
Die Friedrich-Wolf-Straße ist ohnehin kein Gefahrenschwerpunkt. Am Mittwochmorgen misst die Polizei in eineinhalb Stunden nur gut 30 Autos mit der Laserpistole. Die Grundschule liegt mitten in einem Wohngebiet in einer Tempo-30-Zone. So sicher sind die Straßen nicht vor jeder Schule. Damit sich das ändern kann, hat die Bundesregierung Ende vergangenen Jahres die Rechtslage geändert: Vor Schulen, Kitas und Seniorenheimen kann nun auch auf Durchgangsstraßen leichter Tempo 30 verhängt werden – wie bisher auf Nebenstraßen. Das ermöglicht eine Verordnung der Bundesregierung, die nach der Verkündung im Bundesgesetzblatt Mitte Dezember in Kraft getreten ist. Die Behörden müssen nun nicht mehr nachweisen, dass solche sensiblen Stellen Unfallschwerpunkte sind.
Das Thema hatte die Potsdamer Stadtpolitik schon im vergangenen Jahr bewegt. Auf Initiative der CDU beschlossen die Stadtverordneten im April einen Prüfauftrag. Die Verwaltung sollte prüfen, vor welchen Schulen, Kitas oder Seniorenheimen Tempo 30 streckenbezogen angeordnet werden könnte. Ein Ergebnis dazu soll es im Juni geben. Im Rathaus wartet man unterdessen noch gespannt auf die Ankunft einer Verwaltungsvorschrift, die definiert, wie die neue Regel umzusetzen sei. CDU-Fraktionschef Matthias Finken macht weiter Druck. „Wir erwarten, dass die Stadtverwaltung den Beschluss umsetzt.“
Viele neue Schilder wird es in Potsdam wohl dennoch nicht geben. Bis auf die Grundschule Bornim liegen alle Grundschulen in Wohngebieten mit Tempo-30-Zone. Die Sportschule und das Humboldt-Gymnasium stehen in zweiter Reihe. Und vor dem Leibniz- und dem Filmgymnasium gibt es Fußgängerampeln. Schilder allein reichen Finken zufolge ohnehin nicht aus. Auch in vielen Tempo-30-Zonen seien Autos zu schnell unterwegs. „Es muss auch kontrolliert werden.“ Deshalb begrüße er auch die Aktion der Polizei am ersten Schultag.
In der Waldstadt stoppte die Polizei auch Fahrer, die sich an das Tempolimit vor der Grundschule hielten. Die bekamen dann aber statt einer Verwarnung von den Kindern ein Dankeschön und eine Süßigkeit.
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