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Neue Wege. Rechte verlassen zunehmend die städtischen Milieus.

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Das rechte Milieu zieht sich aus Städten zurück

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Die rechtsextreme Szene sondert sich ab. Sozialwissenschaftler beobachten derzeit, dass das rechte Milieu verstärkt auf das Land zieht und sich dort in „Festungen“ einigelt. Das erklärte Gideon Botsch vom Moses Mendelssohn Zentrum in Potsdam im Rahmen des „Brandenburger Regionalgespräches“ zum Rechtsextremismus im ländlichen Raum des Leibniz-Instituts für Regionalentwicklung und Strukturplanung (IRS) in Erkner. Ein Marsch der Rechten in die Mitte der Gesellschaft sei derzeit nicht zu verzeichnen.

„Rechtsextremen Festungen“ würden sich vorwiegend in den ländlichen Räumen finden, nicht so sehr in der Großstadt, erläuterte Botsch. Zwar gebe es auch in der Stadt immer wieder rechtsextremen Aktionismus. So beispielsweise, als im vergangenen Jahr im Berliner Weitlingkiez Rechtsextremisten ein leer stehendes Geschäft gemietet hatten. Getarnt als Jugendtreff nutzten die Nazis die Räume als Neonazi-Szene-Treff. In der Folge fanden sich im Kiez entsprechende Parolen auf Wände gesprüht; Hitlers Geburtstag wurde von Rechtsextremen gefeiert.

Der Verlagerung des rechten Milieus in ländliche Gegenden messen die Sozialwissenschaftler eine größere Bedeutung zu. Hintergrund für den Rückzug sei nicht zuletzt der Nachwuchs des rechten Lagers. „Deren Kinder sind in der Stadt mit der multikulturellen Gesellschaft konfrontiert, wenn sie in die Schule kommen. Mit dem Islam, mit verschiedenen sexuellen Orientierungen. Das soll verhindert werden“, stellte Botsch fest. Das Internet, schnelle Kommunikationsmöglichkeiten, eine ausgebaute Infrastruktur erleichtere die Familienplanung im Milieu auf dem Land. „Deshalb wird dann ein Bauernhof an der Autobahn gekauft.“

Wie einer Ausbildung von rechten Milieus entgegengewirkt werden kann, beschrieb Katharina Huseman vom Theaterprojekt Schloss Bröllin. Der mittlerweile recht gut renovierte Gutshof sei eine „Insel“, in der Weite Mecklenburg-Vorpommerns. Hier fand 2012 das Projekt Held/in Dorf statt, bei dem regionale Initiativen, Künstler und auch polnische Partner angesprochen wurden. Ein Workshop befasste sich mit den Möglichkeiten der Vernetzung in der Region. Es gab eine Busreise zu Projekten, die sich gegen das rechte Milieu aussprechen. Auf ein Symposium folgte ein großes Fest, für das mit Zutaten gekocht wurde, die Teilnehmer zuvor bei einer Busreise zu den Projekten gegen Kunst getauscht hatten. Geblieben ist das gedruckte Kompendium „Region in Aktion“, in dem sozial engagierte Projekte aufgeführt sind, die sich gegen rechte und neonazistische Strömungen positionieren.

Dass die Abgrenzung und Definition des Begriffs „Rechtsextremismus“ gar nicht so einfach sei, bemerkte Andreas Grau vom Institut für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung Bielefeld. Im Zusammenhang mit einer mehrjährigen Forschungsstudie des Institutes benutzte Grau den Begriff der „gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit“. Verschiedenen ablehnenden Haltungen wie Islamophobie, Rassismus, Sexismus und Homophobie liege zwar ein gemeinsamer Kern zugrunde. Die verschiedenen Begriffe müssten jedoch getrennt betrachtet werden. Wer Schwaben im Prenzlauer Berg in Berlin ablehne, müsse noch lange kein Rassist sein, konstatiert Grau.

MMZ-Forscher Gideon Botsch hob abschließend hervor, dass in Brandenburg mit dem Handlungskonzept „Tolerantes Brandenburg“ und einer professionellen Koordinierungsstelle für Aktionen und Initiativen ein weit entwickeltes Konzept zur Abwehr des Rechtsextremismus vorliegen würde. „Brandenburgs Sicherheitsbehörden sind nicht auf dem rechten Auge blind: Verbotsverfügung gegen rechtsextreme Vereinigungen, Aufzüge und Symbole und Konzertveranstaltungen werden in Brandenburg regelmäßig ausgesprochen und haben die Szene nicht unbeeindruckt gelassen“, so Botsch in einem Bericht an den Landtag Brandenburg. Richard Rabensaat

Richard Rabensaat

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