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Mega-Blogger. Sascha Lobo textet im und über das Internet.

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Homepage: Revolution mit Tweets?

Sascha Lobo an der Uni über Politik im Internet

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„Warum ist eigentlich ein Chat mit Coca-Cola möglich, aber nicht mit dem Bundestag?“, fragte Spiegel-Redakteur Holger Stark. Wie politisch das Internet ist, wollten der Blogger und PR-Spezialist Sascha Lobo und die Spiegel-Redakteure Holger Stark und Christian Stöcker in einer Diskussion unlängst an der Universität Potsdam ausloten. Die Anbindung der politischen Diskussion an das Internet sei dem Bundestag bisher jedenfalls nicht gelungen, urteilte Stark. Er verwies auf die Enquete-Kommission „Internet und digitale Gesellschaft“. Die sei sich immer noch nicht so recht klar darüber, ob die freie Software Adhocracy nun für den politischen Dialog mit dem Bundestag eingesetzt werden soll oder nicht.

Es gebe viele Anzeichen für eine neue Form von Politik via Internet, konstatierten die Diskutanten: Die soeben erst geräumten Occupy-Camper im Zuccotti Park New York, deren Protestbewegung wesentlich von den Social Media des Internets profitiert habe, die „grüne Revolution“ im Iran mit Bildern niedergeknüppelter Demonstranten, die sich auf You Tube finden lassen, und eine Bundeskanzlerin, die per Twitter ihre Minister dirigiert, würden eine neue Form von Öffentlichkeit vermitteln.

Ob es sich bei den aktuellen Revolutionen in den arabischen Staaten, dem Sturz von Muammar al Gaddafi in Libyen und der Vertreibung von Ben Ali aus Tunesien tatsächlich um „Facebook“-Revolutionen gehandelt hat, ließ Lobo erst einmal offen. Sicher war sich der Werbefachmann allerdings, dass das Internet die Kommunikation weltweit beflügelt habe. Das Netz sei zunächst ein Werkzeug wie ein Brotmesser oder ein Megafon, könne aber eine eigene Dynamik entfalten. Dann würde es auch maßgeblich politische Inhalte beeinflussen. „Das Netz ist eine Art von Heimat für viele. Wer einmal den Sog der Online-Kommunikation gespürt hat, erkennt das“, erklärte Lobo, nach eigenen Angaben einer der am meisten gelesenen Blogger.

Die Doppelgesichtigkeit der verfügbaren Informationen im Netz thematisierte Christian Stöcker. Einerseits habe sich der norwegische Massenmörder Anders Behring Breivik sein krudes Weltbild aus Informationsschnipseln im Internet zusammengepuzzelt, andererseits ermöglicht das Netz aber auch politische Diskussionen, die anders nicht möglich wären. „Es gelingt nicht wirklich, Teile des Netzes zu sperren, auch in China nicht“, stellte Stöcker fest. Wer es verstehe, die Sperren zu umgehen, könne sich dann sehr frei äußern, da keine Zensur mehr stattfinde.

Über die Grenzen einer sinnvollen Öffentlichkeit im Netz waren sich die Diskutanten weitgehend einig. Wo die liegen würden, habe Wikileaks aufgezeigt. Der charismatische Gründer Julian Assange habe sich weitgehend selbst diskreditiert und habe zudem in einer Weise in politische Diskussionen eingegriffen, die wohl doch nicht sinnvoll sei. Stöcker vermutet, dass die Art und Weise des Umgangs mit dem Internet eine Generationenfrage sei. Familienministerin Kristina Schröder (CDU) sei derzeit die einzige Politikerin, die mit dem Internet aufgewachsen ist. Wenn Politiker wie der Geschäftsführer der CDU, Peter Altmaier, nun plötzlich anfingen zu twittern, so würde eine Diskrepanz zwischen Tweet-Botschaften und politischer Linie schnell auffallen und die politische Glaubwürdigkeit eher schwächen.

Die Unfähigkeit von Politikern in Bezug auf das Internet zeige sich nicht zuletzt in aktuellen Gesetzgebungsvorhaben, stellte Stöcker fest. Das „Zugangserschwerungsgesetz“, mit dem Kinderpornoseiten gesperrt werden sollten, sei hier ein beredtes Beispiel. In Kraft getreten im Februar 2010, wurde es 2011 nach Verfassungsgerichtsbeschwerden durch einen Koalitionsbeschluss aufgehoben. „Sollten nicht eher die politischen Prozesse statt der Twitter-Accounts von Politikern im Vordergrund stehen?“, fragte dann auch eine Studentin. Richard Rabensaat

Richard Rabensaat

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