Landeshauptstadt: Schallschlucker wartet auf Hollywood
Wirtschaftsminister auf Tour durch die Medienstadt / Chaplin-Enkeltochter spielt in „Der Fälscher“
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Babelsberg - Applaus ist hier zwecklos. Wände und Decke der „Neue Film 2“ schlucken jedes Geräusch. In zwölf Containern hat Studio Babelsberg die Spezial-Schallisolierung aus Hollywood nach Potsdam transportieren lassen, um die riesigen ehemaligen Fabrikbauten des Karl-Marx-Lokomotivwerkes an der Großbeerenstraße damit auszustatten. Für zehn Jahre hat das Studio die beiden denkmalgeschützten Hallen gemietet, innerhalb eines Jahres wurden sie für etwa zwei Millionen Euro für Dreharbeiten hergerichtet. 21 000 Quadratmeter Fläche und damit das größte Filmstudio Europas warten nun auf Nutzer – und die sollen aus Hollywood kommen.
„Es sieht nach einem großen Film aus“, berichtete gestern Studio-Vorstandschef Carl Woebcken bei einem Besuch von Brandenburgs Wirtschaftsminister Ulrich Junghanns (CDU) am Medienstandort Babelsberg. Noch stehen unter dem Vertrag für einen 150-Millionen-Dollar-Hollywoodstreifen keine Unterschriften, ist der Filmtitel streng geheim – und gedreht wird erst einmal vor den Mega-Studios. Am 4. April soll dort die erste Klappe für die Produktion „Der Fälscher“ fallen. Der Film erzählt die wahre Geschichte des Lebemanns und Fälschers Salomon Spiranoff, der im Konzentrationslager Sachsenhausen gemeinsam mit 143 weiteren Häftlingen Geld fälschen muss. Regie führt Stefan Ruzowitzky („Anatomie“, „Die Siebtelbauern“), der österreichische Schauspieler Karl Markovics übernimmt die Hauptrolle, auf der Besetzungsliste stehen außerdem August Diehl als Mit-Häftling, Marie Bäumer als Geliebte Spiranoffs und Dolores Chaplin, Enkeltochter von Charlie Chaplin, als Luxus-Callgirl. Rund vier Millionen Euro soll „Der Fälscher“ kosten, 20 Tage Dreh sind in Babelsberg geplant. Dafür arbeiten bereits jetzt Handwerker an den zwei Holzbaracken, die jenen im KZ Sachsenhausen nachempfunden sind. Schallgedämmte Hallen braucht diese Filmcrew nicht. „Wir wollen Original-Wetter“, sagte Produktionsleiter Christian Springer.
„Der Fälscher“ allerdings ist nur ein Baustein zu dem, was Wirtschaftsminister Junghanns „Wachstumsbranche“ nennt. Ob Kinofilm, TV-Serie, Telenovela oder digitale Unterhaltungsmedien der Zukunft – die Medienbranche habe sich besonders in Babelsberg in den vergangenen zwei Jahren stark entwickelt, so Junghanns. Dabei sprechen die Zahlen für sich: Das Studio Babelsberg als größtes Unternehmen am Standort meldete für 2005 eine Hallenauslastung von 90 Prozent und schrieb erstmals schwarze Zahlen. Die UFA Film- und TV-Produktion sitzt mit 540 Mitarbeitern in Babelsberg, 340 sind für die hier gedrehten Telenovelas „Bianca – Wege zum Glück“ und „Tessa – Leben für die Liebe“ dazu gekommen. Für die seit 1992 auf dem Studiogelände produzierte Daily Soap „Gute Zeiten, schlechte Zeiten“ sind nach Angaben der UFA bisher insgesamt 210 Millionen Euro ausgegeben worden. Wie passend, dass die Darstellerinnen von „Tessa“ beim Setbesuch des Ministers gerade vor der Kamera mit Champagner anstoßen.
In Feierlaune könnte auch Stefan Schramm sein. Der Chef der Zentrum für Film und Fernsehen GmbH (ZFF) kann ein vollständig vermietetes fx.center vorweisen. Mit 93 Millionen DM wurde das futuristische Bauwerk subventioniert, lange Zeit stand es leer und galt als Förderruine. Heute sind die Mieter zufrieden – und nutzen endlich die Hightech-Ausstattung des Baus. Die Firma Exozet ist seit sieben Jahren im fx.center ansässig, 20 Mitarbeiter bearbeiten hier Filme am Computer – zuletzt entstanden bei Exozet die Visual Effects für „Sommer vorm Balkon“. Neu ins fx.center gezogen ist Micro Movies – die Firma stellt „die kleinsten Filme der Welt“ her, wie Chef Jasdan Bernward Joerges sagt. 30 bis 60 Sekunden lang sind die Handy-Filme, die bald den Platz der Klingeltöne zum Herunterladen einnehmen sollen. Mehr als 100 Clips stehen für je 1,99 Euro zur Auswahl, die meisten von Micro Movies selbst gedreht – das sei einmalig in Deutschland. Bis Ende 2006 soll es weltweit 2,5 Milliarden Handy-Nutzer geben. Die sind auch für die Werbebranche eine große Zielgruppe. „Wir verhandeln derzeit mit einem Sportartikelhersteller“, so der Micro Movies-Chef. Er ist sich sicher, eine Wachstumsbranche erwischt zu haben.
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