Von Henri Kramer, Thorsten Metzner und Sabine Schicketanz: Scharfenberg will noch nicht verzichten
Potsdamer Linke-Fraktionschef weiter zu OB-Kandidatur bereit – er räumt verspätetes IM-Outing ein
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In der Stasi-Debatte um seine mögliche Oberbürgermeister-Kandidatur hat der Potsdamer Linke-Fraktionschef Hans-Jürgen Scharfenberg eingeräumt, seine Enttarnung als ehemaliger IM zunächst verhindert zu haben. „Ich habe mich mit der Problematik ziemlich schwer getan“, sagte er dieser Zeitung. „Ich will nicht den Eindruck erwecken, ich sei besonders mutig gewesen.“ Gleichzeitig wies er Vermutungen, er werde seine Bereitschaft zur Kandidatur jetzt zurückziehen, zurück. „Ich will, dass die Linke mit den besten Chancen in die Wahl geht“, sagte er. Die Partei müsse sich „die Karten legen“. Dies könne auch bedeuten, dass er nicht kandidiere. „Ich bin bereit, mich in den Dienst der Partei zu stellen.“ Am Samstag will der Kreisvorstand über die Nominierung beraten; der Kandidat soll im Juni gekürt werden.
Scharfenberg hatte seine Vergangenheit als Stasi-Spitzel Ende 1995 in der Stadtverordnetenversammlung öffentlich gemacht. Zuvor hatte er 1992 als einer von sieben Stadtverordneten eine Überprüfung durch die Stasi-Unterlagenbehörde abgelehnt. Nach der Kommunalwahl 1993 beschloss das Stadtparlament allerdings erneut die Überprüfung aller Verordneten. So soll die aktuell rund 300-seitige Akte Scharfenbergs dem Prüfgremium bereits vorgelegen haben, als er seine Stasi-Mitarbeit einräumte.
Scharfenberg erklärte gestern, er habe die Überprüfung 1992 abgelehnt, da die PDS mit einem aus Stadtverordneten bestehenden Prüfgremium nicht einverstanden gewesen sei. Seine Partei habe ein „unabhängiges Gremium“ gefordert. Dies sei auch 1994 beim Beschluss der zweiten Überprüfung der Fall gewesen; die Stadtverordnetenversammlung votierte jedoch mit 26 Ja- zu 15 Nein-Stimmen bei einer Enthaltung dafür, dass alle gewählten Mitglieder überprüft werden – auch Scharfenberg. Das Prüfgremium gab damals Scharfenberg nicht die Empfehlung, sein Mandat niederzulegen.
Der Landtagsabgeordnete und Fraktionschef im Stadtparlament hatte von 1978 bis 1986 als IM „Hans Jürgen“ an der Akademie für Staat und Recht Kollegen und Vorgesetzte bespitzelt und auch aus ihrem Privatleben berichtet. Seine IM-Vita ist seit 1995 bekannt, aber ohne Details. Als er vor acht Jahren für die Linke für das Amt des Oberbürgermeisters kandidierte, spielte seine Vergangenheit kaum eine Rolle. Vor der OB-Wahl im Herbst dieses Jahres ist die Unsicherheit bei den Linken groß. Kreischef Günther Waschkuhn brachte einen „Plan B“ zur erwarteten Nominierung Scharfenbergs ins Spiel. In einem offenen Brief fordern zwei Genossen eine Alternative: „Sowohl sein ausschließlich auf die Opposition ausgerichteter Politikstil, sein Führungsstil und Fragen der Geschichtsbewertung, die uns in die Defensive gebracht haben, sind zu einer Belastung geworden.“ Andererseits mahnt der Ko-Bundeschef und langjährige Brandenburger Fraktionschef der Linken, Lothar Bisky, einen fairen Umgang mit Scharfenberg an, den man „nicht aufs Schafott“ führen dürfe. Entscheidend sei, was jemand konkret getan habe, sagte Bisky dieser Zeitung. „Wer anderen Menschen geschadet hat, ist nicht tragfähig.“ Vor allem dürfe es „keine Wählertäuschung“ geben. Wenn Scharfenberg im Herbst kandidiere, „muss er mit seiner Akte an die Öffentlichkeit gehen“. Im Rahmen der Stasi-Überprüfung aller Landtagsabgeordneten wird Scharfenbergs Akte wohl noch vor der OB-Wahl das Landesparlament beschäftigen. Scharfenberg will sich „der Diskussion stellen“.
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