zum Hauptinhalt

Landeshauptstadt: Schau der Eitelkeiten

Die Debatte um die Kosten des Stadtwerke-Festivals hat einen neuen Höhepunkt erreicht: Analyse eines Spektakels

Stand:

Der Druck auf die Potsdamer Stadtwerke (SWP) steigt: Mit Peter Schüler von den Grünen fordert erstmals ein Aufsichtsratsmitglied des kommunalen Unternehmensverbunds, die Gesamtkosten des Stadtwerke Open Airs öffentlich genau zu beziffern. „Die Kunden sollten erfahren dürfen, was das Fest kostet“, sagt Schüler gegenüber den PNN. Das Stadtwerke-Festival dauert dieses Jahr zum ersten Mal drei Tage. Bands wie ZZ Top, Thin Lizzy und die Sängerin Ute Freudenberg sind angekündigt. Der Eintritt ist frei. 80 000 Besucher, auch aus anderen Städten, kamen vergangenen Sommer zu dem Fest des Firmenverbundes mit einem Jahresumsatz von 147 Millionen Euro.

Doch die Zahl der Kritiker wächst. „Wir haben ein Problem damit, wenn die Stadtwerke solche Feste feiern“, sagt Hartmut Müller, Referatsleiter Recht bei der Verbraucherzentrale Brandenburg. Das Gratis-Fest würde beispielsweise durch das Geld von Energie-Kunden oder Badegästen der SWP bezahlt – nicht aber von Nutzern anderer Anbieter: „Einige zahlen für alle“, so Müller. Zur Weigerung der Stadtwerke, sich zu den genauen Kosten zu äußern, sagt Müller: „Ein fader Beigeschmack bleibt.“

Doch die Stadtwerke bleiben bei ihrer Haltung: Keine genaue Abrechnung der Gesamtkosten. SWP-Sprecher Stefan Klotz gibt sich nur kryptisch, wenn er sagt, dass durch die zwei zusätzlichen Tage in diesem Jahr „Mehrkosten im zweistelligen Prozentbereich entstehen“. Stadtwerke-Chef Peter Paffhausen selbst rechnet in einem Interview drei Euro pro Kunde und 310 000 Euro für Bands und Bühne aus. Das verwundert Branchenkenner. Allein ZZ Top sollen dem Vernehmen nach pro Auftritt 250 000 Euro nehmen, die Tickets für das zweite Deutschland-Konzert der Texaner in Bonn kosten 57,10 Euro.

Die Potsdamer FDP misstraue den bisher veröffentlichten Zahlen, sagt Berend Diekmann aus dem Vorstand der Partei. Er geht von Kosten jenseits der Millionengrenze aus. Neben Bandhonoraren haben Festival-Veranstalter erhebliche Zusatzkosten: Gema-Gebühren in Höhe von mehreren Tausend Euro, Abgaben an die Künstlersozialkasse, Sondersteuer für ausländische Künstler, Rechnungen von Agenturen, Toiletten, Ausschank, Sicherheitsdienste Dazu komme die Arbeit der mit Planungen beschäftigten Stadtwerke-Mitarbeiter, so Diekmann.

Wie teuer kostenlose Events sind, zeigt das Beispiel Stuttgart: Eine Tochterfirma der Stadt veranstaltete für die letzten drei Spiele der Fußball-Europameisterschaft ein Public-Viewing für 40 000 Leute. „Das kostete 620 000 Euro“, sagt Jörg Klopfer von der Stuttgart Veranstaltungsgesellschaft. Drei Leinwände standen dort nur, keine Bands traten auf.

Solche Beispiele kennt auch Ulrich Wittek, Potsdamer Unternehmer und FDP- Energieexperte. Er zweifelt an der Argumentation, dass SWP-Festival diene der Kundenbindung. „Im bundesweiten Vergleich ist ein solches Fest anachronistisch“, sagt Wittek. Kundenbindungsfaktor sei vor allem ein billiger Preis. Beim Strompreisvergleich eines Internetportals erreicht die Energie und Wasser Potsdam für einen Zwei-Personen-Haushalt den 26. Platz, bei Gas den fünften Platz von zwölf Unternehmen, was nicht gerade Kunden binde. Wichtig für Kundenbindung sei zudem „individuelle Wertschätzung und Überschaubarkeit“. Als Positivbeispiel nennt Wittek die Stadtwerke von Potsdams Partnerstadt Bonn. Das Unternehmen ist seit 2003 Mitglied von Transparency International, einer weltweiten Organisation, die sich für offene Geschäftsgebaren und gegen Vorteilsnahme im Amt engagiert. „Beim Potsdamer Stadtwerke-Fest geht es dagegen um die Befriedigung der Eitelkeiten von Herrn Paffhausen“, sagt Wittek. Die Stadtwerke dagegen preisen in diesem Jahr die hohe Bandbreite der angebotenen Musik, versprechen „diesmal für wirklich jeden Geschmack etwas“. Auch der bekennende ZZ Top-Fan Paffhausen sieht nicht, dass es nur ein Fest für ihn sei: Er könne es sich doch auch leisten, zum ZZ Top-Konzert nach London zu fahren, lässt er sich zitieren.

Die Kritiker des kommunalen Unternehmens finden jedoch bislang nur wenig Gehör. „Veranstaltungen für Image- und Kundenwerbung sind zulässige Maßnahmen, verstoßen nicht gegen das Gemeindewirtschaftsrecht und sind somit von der Kommunalaufsicht nicht zu würdigen“, sagt Wolfgang Brandt, Sprecher des zuständigen Innenministeriums von Brandenburg. Die Stadtwerke selbst kontern den Vorwurf angeblich zu hoher Kosten unter anderem mit dem Verweis auf Sponsorengelder in nicht zu beziffernder Höhe, etwa vom Hauptsponsor Verbundnetz Gas AG. Ebenso verzichte man auf „Hochglanzplakatierungen“, sagt Paffhausen. Auch den in der Vergangenheit kritisierten Vip-Bereich für „Ehrengäste“ solle es nicht mehr geben, stellt SWP- Sprecher Klotz klar.

Wichtige Mitglieder des SWP-Aufsichtsrats sehen das Fest ebenso unkritisch. Einen moralischen Widerspruch zwischen steigenden Energiekosten und einer Mega-Fete kann kaum einer erkennen. „Das ist ein Kulturangebot für alle Potsdamer, das sonst so nicht zugänglich wäre“, sagt Hans-Jürgen Scharfenberg, der für die Fraktion Die Linke im Aufsichtsrat sitzt. Er ärgert sich über den „Feldzug“ der FDP gegen das Fest und betont zugleich die „Ausstrahlung“ des Festes über die Grenzen der Landeshauptstadt hinaus.

Das sieht Linda Teuteberg anders. Die Doktorandin der Rechtswissenschaften an der Uni Potsdam und FDP-Kommunalexpertin hält wenig vom Aufsichtsrat – gerade im Punkt der Offenlegung von Kosten. Die Verschwiegenheitspflicht, die für Aufsichtsräte in privaten Firmen gelte, kollidiere mit dem kommunalen Transparenzgebot. „Wenn ein Kommunalpolitiker die Kosten nennen würde, könnte er sich strafbar machen“, so Teuteberg. Dies sei ein typisches Problem bei kommunalen Unternehmen, die halb-öffentlich, halb-privat, kaum kontrolliert werden könnten. Wohl auch deswegen sieht das aktuelle FDP-Kommunalwahlprogramm eine „Offenlegung der Bilanzen“ kommunaler Gesellschaften vor.

Die Stadt als Mutter der Stadtwerke gibt sich abwartend. „Wir haben Verständnis dafür, dass es Einzelnen schwer vermittelbar ist, das Marketing auch für kommunale Unternehmen vorgenommen werden muss“, sagt Stadtsprecherin Rita Haack. Die Stadtwerke stünden mit der „Mehrheit ihrer Leistungen in einem harten Wettbewerb“. Im Aufsichtsrat unter Oberbürgermeister Jann Jakobs seien die Fest-Planungen bestätigt worden. Rita Haack sagt aber auch: „Auf den Prüfstand wäre ein solches Fest erst zu stellen, wenn es kein Interesse der Bürger daran gibt und keine wirtschaftliche Kundenbindung erreicht werden kann.“ Nach Preiserhöhungen liefert die EWP noch an 79 000 Stromkunden – und hat damit vergangenes Jahr 4500 Haushalte verloren.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
console.debug({ userId: "", verifiedBot: "false", botCategory: "" })