Landeshauptstadt: Schlager für den Jubilar
Martin Sabrow, Leiter des ZZF, feierte seinen 60. Geburtstag mit einer Diskussionsrunde
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Was für ein Geburtstagsständchen! Das „Lied vom kleinen Trompeter“, politische Gebrauchslyrik aus dem Jahr 1925, hatte sich einstmals Erich Honecker als Grabbeigabe gewünscht. Nun psalmodierte der kleine Projekt-Chor des Zentrums für Zeithistorische Forschung (ZZF) dieses Arbeiterlied zum Geburtstag von Martin Sabrow. Der Direktor des ZZF und Honecker-Biograf wurde am gestrigen Dienstag 60 Jahre alt; Karten für den festlich-gemütlichen Abend waren schon am Vormittag nicht mehr zu haben gewesen. Wer im Veranstaltungssaal des Potsdam Museums keinen Platz mehr bekam, musste im Foyer mit der Videoübertragung der Gala vorliebnehmen.
„Ich weiß nicht, was ich sagen soll“, war die Reaktion des gerührten Jubilars. Im Saal des Museums am Alten Markt saßen etwa 200 Gäste, Kollegen und Exkollegen, Wegbegleiter, Vertreter aus Wissenschaft, Politik und Verwaltung, Freunde. Darunter Brandenburgs ehemaliger Ministerpräsident Manfred Stolpe (SPD), der Historiker und ehemalige Minister für Kultur und Wissenshaft in Brandenburg, Hinrich Enderlein (FDP), und der SPD-Politiker Markus Meckel. Weitere Gäste durften an Sabrows Geburtstagsgeschenk teilhaben: Die Diskussionsrunde zum Thema „Geschichte bauen“ mit Potsdams Oberbürgermeister Jann Jakobs (SPD), Schlösserstiftungs-Direktor Hartmut Dorgerloh und dem renommiertem Historiker Karl Schlögel war Martin Sabrow gewidmet. Denn stets ist das sein Thema – wie Städte in ihre Geschichte eingebettet sind, mit dieser umgehen, sie deuten oder verleugnen.
Martin Sabrow, seit Dezember 2004 Direktor des ZZF, sieht sich selbst als behutsamer, doch nachdrücklicher und vor allem aufmerksamer Historiker, der dabei stets den Blick nicht nur in die Vergangenheit, sondern auch in die Zukunft richtet. Bei allem Historismus, bei aller Aufbaufreude sei immer auch die andere Seite, Gegenwart und Zukunft, zu berücksichtigen. „Wir haben in jeder Stadt einige Bauten aus schwieriger Vergangenheit. Aber wir wollen, dass man auch an der Architektur einer Stadt deren Geschichte ablesen kann“, sagte Sabrow. Dabei sei es unter Umständen hilfreich, Gebäude aus ihrer kulturellen Funktion zu entlassen.
Bei der Debatte im Saal ging es zwar gewohnt kontrovers zu, aber über die Darstellung eingespielter Positionen ging der Ansatz nicht hinaus. Man hatte sich – vermutlich auch dem Anlass der Runde geschuldet – lieb. Dennoch kam Sabrow nicht umhin, einiges kritisch anzumerken. Er sehe den Historiker als Anwalt der Geschichte. „Ein Bau verdrängt einen anderen.“ Geschichte sei dabei auch immer im Kontext eines stets unterschiedlichen Erzählfadens zu betrachten.
Inmitten dieses Fadenkreuzes ging es am Dienstagabend dann um die Frage, wie viel DDR-Kunst und -Architektur eine Stadt verträgt, was erhaltenswert ist und wie man damit umgeht. „Nicht jedes DDR-Bauwerk muss abgerissen werden“, sagte der Historiker. So wünscht sich Sabrow, zumindest das Mosaik am ehemaligen Rechenzentrum, Standort für den geplanten Neubau der Garnisonkirche, zu erhalten. „Wir erhalten ja auch die Gedenkstätten Lindenstraße und Leistikowstraße, weil sie etwas zu erzählen haben“, so Sabrow. Der oft gehörte Vorwurf, in Potsdam entstünde eine Puppenstuben-Architektur, stimme einfach nicht.
Hartmut Dorgerloh wünscht sich ein Weiterbauen in dem Sinne, wie es in jeder Epoche neue Entwicklungen und Veränderungen gab. Gelungene Beispiele für eine solche Entwicklung sieht er in den Plänen für die Garnisonkirche. „Was können die Gebäude dafür, was sich in ihnen abspielte?“, so der Schlösser-Chef. Auch das neue Stadtschloss als Landtagsgebäude sei ein gelungener Leitbau – so wie das neue Alte Rathaus, das Potsdam Museum, „mit oder ohne Käfig“.
Während Oberbürgermeister Jann Jakobs auf demokratische und vor allem schnelle Entscheidungen drängte, was die Entwicklung Potsdams Mitte betrifft, sich andererseits als Fürsprecher moderner Architektur wie das Hans Otto Theater outete, sagte Martin Sabrow: „Wir Historiker schauen immer, wie die Meinungsbildung dabei gelenkt wird.“ Dass vor der vergilbten, vernachlässigten Fachhochschule schon vor Jahren Stimmung für den Schlossneubau gemacht wurde, mit aufgezeichneten Grundrisssen, das sei solide Meinungsbildung gewesen. „Der neue Blick auf die Vergangenheit ohne ein Bedürfnis, dazu zurückzukehren oder sie komplett hinter uns zu lassen, der unterscheidet die heutige Generation von unserer Elterngeneration“, so der Historiker.
Musikalische Historie gab es nach all den Geburtstagsreden: Nach dem „Trompeter“ sang der Chor von Brecht und Weill „Das Lied von der Unzulänglichkeit des menschlichen Strebens“ und „Am Sonntag will mein Süßer mit mir segeln geh’n“ - für Sabrow, den passionierten Freizeitkapitän, wie es hieß. Steffi Pyanoe
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