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Sport: „Schutz vor Gay- Propaganda“

Lukin verteidigt russische Politik vor Sotschi

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Das weltweit verurteilte Gesetz gegen „Schwulenpropaganda“, Berichte über die geplante Komplettüberwachung, ausufernde Kosten und lauter werdende Zweifel, ob genügend Schnee und Zuschauer da sein werden, um aus den Spielen ein Fest zu machen: Olympia 2014 in Sotschi hatte zuletzt mit vielen Negativmeldungen zu kämpfen. Der dreimalige Rodel-Olympiasieger Georg Hackl beschwerte sich über „menschenverachtende Bedingungen“, statt freundlicher Volunteers würden in Sotschi schon im Vorfeld der Spiele Soldaten mit Gummiknüppeln warten, die sogar Fotos verbieten.

Für derartige Kritik hat Wladimir Lukin, Präsident des russischen Paralympischen Komitees und gleichzeitig Menschenrechtsbeauftragter der russischen Regierung, kein Verständnis. „Probleme mit sexuellen Minderheiten gibt es bei den Spielen nicht, noch wird es sie geben“, sagte Lukin dem Tagesspiegel. „Das Verbot von Gay-Propaganda bezieht sich ausschließlich auf den Schutz Minderjähriger. Und das widerspricht doch weder den europäischen Werten noch dem in Europa geltenden Recht.“ Über das Gesetz, das die Aufklärung Minderjähriger über „nicht traditionelle sexuelle Praktiken“ verbietet, war in den letzten Monaten heftiger Streit entbrannt. Während große Teile der russischen Öffentlichkeit diesem zustimmen, wird es im Westen als diskriminierend wahr genommen. Russische Homosexuellen-Verbände planen nach den offiziellen Spielen aus Protest eigene „Gay-Games“ auszurichten, um auf die missliche Lage Schwuler und Lesben aufmerksam zu machen.

Wladimir Lukin glaubt dennoch an positive Impulse der Spiele für Russland. „Ich hoffe, dass die fairen Wettkämpfe der Sportler verschiedener Nationalitäten sowohl einen positiven Einfluss auf unsere internationalen Beziehungen haben als auch für mehr Toleranz bei den Russen im Bezug auf Fremde sorgen werden.“ In Moskau hatte es zuletzt Ausschreitungen gegen Einwanderer gegeben, nachdem ein junger Russe von einem aus dem Kaukasus stammenden Mann angeblich erstochen worden sein soll.

Beruhigen will Lukin die Zweifler in Bezug auf einen befürchteten Mangel an Schnee im subtropischen Sotschi. „Das Wetter könnte 2014 natürlich so sein wie um die gleiche Jahreszeit 2013 als es Plus-Grade gab. Wir lagern den Schnee in speziellen Silos ein, damit im Fall der Fälle genug zur Verfügung zu steht.“ Auch die Anlagen für Olympia und die Paralympics würden rechtzeitig fertig werden. „Die Spiele sind eine richtige Lokomotive. Die Vorbereitungen sowie die Veranstaltungen an sich ermöglichen es Russland, ein im sportlichen und touristischen Sinne voll entwickeltes Land zu werden“, sagte Lukin. Er wisse überdies, dass im Hintergrund alles getan werde, um leere Ränge – zuletzt gesehen bei der Leichtathletik-Weltmeisterschaften im August 2013 in Moskau – künftig zu vermeiden.

Da fast alle Anlagen neu errichtet werden, gelten die Winterspiele mit geschätzten Kosten von bis zu 40 Milliarden Euro schon heute als die teuersten aller Zeiten. Lukin verweist jedoch auf den „großen Stimulus für die Wirtschaft, die Wissenschaft, aber auch für die Entwicklung moderner Kommunikationstechnologien bis hin zur Internet-Infrastruktur“. Durch die Austragung würde die gesamte Region Sotschi von einem neuen Flughafen, über zahlreiche Hotels bis hin zu Straßen und Schienen runderneuert.

Als großen Schritt in die richtige Richtung sieht Lukin die Paralympics, die für Behinderte in Russland zu einer Verbesserung ihrer Lebensbedingungen beitragen sollen. Sowohl im Alltag als auch im Sport gibt es für Mobilitätseingeschränkte in Russland noch Verbesserungsbedarf. „Der paralympische Sport hat sich erst im heutigen Russland entwickelt. Dass sieht man alleine daran, dass das Paralympische Komitee erst 1995 gegründet wurde“, erklärt Lukin. Obwohl die russischen Paralympioniken keine Medaillenvorgaben hätten, hat Russland in den letzten Jahren mit regelmäßigen Wettbewerben im ganzen Land den Behindertensport gestärkt. „Dabei kommt uns entgegen, dass alleine im russischen Parlament sieben Abgeordnete sitzen, die sich aktiv an der Paralympischen Bewegung beteiligen. Drei von Ihnen waren schon Weltmeister oder Goldmedaillensieger bei vergangenen Paralympics. Sie finden auch innerhalb unserer Gesellschaft Gehör“, sagt Lukin.

Und für die Zivilgesellschaft in Russland sollen die Paralympics ohnehin einen Schritt nach vorne bedeuten, meint Lukin: „Eine so prominente Schaubühne hilft vielen, das Gefühl der menschlichen Würde, der Gerechtigkeit, des Verständnisses weiterzuentwickeln.“ Wladimir Lukin geht sogar noch einen Schritt weiter. Im ganzen Land übertragene Spiele seien „eine ethische Erziehung der russischen Jugend“, glaubt der 76 Jahre alte Funktionär. Nik Afanasjew

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