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Von Erhart Hohenstein: Segel-Museum in Matrosenstation geplant

Amerikanischer Yachtbauer Halsey Herreshoff besucht Potsdam und wandelt auf den Spuren seines Potsdamer Stammvaters

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Eine der weltweit bedeutendsten Yachtbauerdynastien hat ihren familiären Ursprung in der Region Potsdam: Nathanael Greene Herreshoff (1848 bis 1938), der bis heute als der bedeutendste Yachtkonstrukteur aller Zeiten gilt, stammt laut Familienchronik von Carl Friedrich Herreshoff sen. ab, der als hochgewachsener Mann in der Leibgarde Friedrichs des Großen diente. Die Stadt seiner Vorfahren wird der 79-jährige US- Amerikaner Halsey Herreshoff in den nächsten Tagen besuchen. Seine Familiengeschichte könnte auch Bestandteil eines neuen Segelmuseums auf dem Gelände der Kaiserlichen Matrosenstation Kongsnæs sein.

Schon 1968 war Halsey Herreshoff mit seinem Bruder Nat (III) in der damaligen DDR unterwegs, um nach Spuren seines Ahnen zu suchen. Durch ihre bis 1996 fortgesetzten Deutschlandreisen konnten sie einige ihrer Fragen klären, andere blieben bis heute unbeantwortet. Aktenkundig ist, dass Herreshoff sen. im westfälischen Minden, das seit 1648 zu Brandenburg-Preußen gehörte, die Bürgerstochter Agnes Mühler heiratete. Seine Ehefrau schenkte ihm am 27. Dezember 1763 einen Sohn, Carl Friedrich jun. Der Tod seiner Frau drei Jahre später warf Herreshoff sen. jedoch völlig aus der Bahn. Er wanderte nach Italien, wo er bald darauf starb. Seinen Sohn hatte er zuvor einem Freund anvertraut, der laut Familienchronik als „author and professor off notes“ in der Nähe von Potsdam lebte. Selbst der König soll sich hin und wieder nach dem Waisenjungen erkundigt haben.

Seit der deutschen Wiedervereinigung werden die Herreshoffs bei ihren Forschungen durch Claus Reichardt unterstützt. Der Vorsitzende des Potsdamer Yacht- und Schifffahrtsvereins „Royal Louise, der auch dem Akademischen Segler-Verein Berlin angehört, hatte die Familie bei einer Segeltörn in die USA kennengelernt. Die Spurensuche gestaltet sich schwierig. Weder in den Archiven der Stadt Minden noch im Bundesarchiv Koblenz oder dem Stadtarchiv Potsdam taucht der Name Herreshoff auf. Ergebnislos blieben auch die Bemühungen privater Forschungsinstitute. Dennoch hat vornehmlich Lothar Voß, der Kapitän der königlichen Fregatte „Royal Louise“, neue Erkenntnisse gewonnen. In Dessau fand er einen schriftlichen Beleg, dass Carl Friedrich Herreshoff jun. hier im „Philantropinum“ erzogen und in Handelswissenschaften ausgebildet worden war. Die 1774 von Fürst Leopold Friedrich Franz von Anhalt-Dessau gegründete, anfangs von dem berühmten Reformpädagogen Basedow geleiteten Eliteschule bestand bis 1793.

Als knapp 20-jähriger wanderte Herreshoff jun. 1783 nach Amerika aus. In Bristol (US-Bundesstaat Rhode Island) gründete er eine Yachtwerft, die zur berühmtesten der Welt aufstieg. Vor allem Nathanael (I) Greene Herreshoff, „Zauberer von Bristol“ genannt, erntete mit seinen in Konstruktion und Design neuartigen Booten hohen Ruhm. Sechsmal gewannen sie zwischen 1893 und 1920 mit Nat (I) als Skipper den legendären America’s Cup, 1930 und 1934 kamen weitere Siege hinzu. Heute besteht die Werft nicht mehr, ihre Geschichte wird jedoch im Jahr 1971 von der Familie eröffneten Herreshoff Marine Museum & America’s Cup Hall of Fame dargestellt.

Inzwischen hat Lothar Voß herausgefunden, dass es sich bei dem als Ziehvater erwähnten „professor und author“ mit hoher Wahrscheinlichkeit um den Geistlichen und Theologen Johann August Eberhard handelt. Mit der Betreuung von Herreshoff jun. befasst war auch Julius August von der Horst, der einzige von Friedrich II. in Ehren entlassene und weiter als Vertrauter herangezogene Minister. Voß versucht nun die Gründe zu ermitteln, wieso der junge Herreshoff Protektion von höchster Stelle genoss. Dies lege einen Offiziersdienstgrad seines Vaters nahe und schließe ein, dass er 1766 nicht nach Italien desertiert, sondern in Ehren aus dem Dienst ausgeschieden sei.

Für den Potsdam-Besuch Halsey Herreshoffs, der am Montag auch von Oberbürgermeister Jann Jakobs empfangen wird, hat sich Claus Reichardt als Begleiter zur Verfügung gestellt. Er möchte in der Kaiserlichen Matrosenstation Kongsnæs in Übereinstimmung mit dem neuen Eigentümer Michael Linckersdorff ein kleines Museum über das deutsche Sportsegeln einrichten, das in Potsdam und Berlin eine seiner Wurzeln hat. Dass die weltberühmteste Yachtbauerdynastie hier ihren familiären Ursprung besitzt, könnte darin dargestellt werden und wäre nicht zuletzt im Hinblick auf den Tourismus aus den USA eine besondere Attraktion.

Erhart Hohenstein

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