Landeshauptstadt: Sehnsuchtsort 2.0
Wettbewerb zur Kunst am Landtagsneubau: Sanssouci-Attrappe gewinnt, Jury empfiehlt auch Platz zwei
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Innenstadt - Ein Stück Sanssouci im Innenhof des Landtagsschlosses – entworfen von einem bekennenden Schlossgegner: „Zugabe“ heißt der Titel der begehbaren Installation von Florian Dombois. Zwei Pavillons will der Kölner Künstler im Hof des Landtagsneubaus errichten – jeweils „zusammengesteckt“ aus zwei bedruckten oder bemalten Aluminiumplatten, die perspektivisch verzerrte Versionen des Schlosses Sanssouci aufgreifen.
Der Entwurf des gebürtigen Berliners, der in Köln lebt und in Zürich als Kunstprofessor arbeitet, wurde beim Wettbewerb „Kunst am Bau“ für die Ausgestaltung des Innenhofes von der Jury als Sieger gekürt. Er soll vor der Eröffnung des neuen Landtags am Alten Markt im kommenden Jahr realisiert werden.
Von einer „ebenso genialen, wie humorvollen und assoziativen Arbeit“, sprach die Juryvorsitzende Leonie Baumann, Rektorin der Kunsthochschule Berlin-Weißensee, bei der Vorstellung der drei Siegerentwürfe am Donnerstag. Die Entscheidung für Dombois sei nach einer zehnstündigen Sitzung am Mittwoch mit großer Mehrheit – zwölf von 14 Stimmen – gefallen. Baumann lobte das „Spiel mit zeitgenössischen und historischen Assoziationen“ und die „Verschiebung der Realitäten“. Gleichzeitig würden Dombois’ Skulpturen „große Attraktivität“ in den Innenhof des Landtags bringen und ein „wunderbares Fotomotiv“ abgeben, sagte Baumann.
Der Künstler selbst outete sich als Gegner der historischen Schlossfassade am Landtag: „Ich hätte das Schloss so nicht gebaut, wenn man mich gefragt hätte.“ Seinen Siegerbeitrag versteht der 45-Jährige als Versuch, zu dem Projekt Position zu beziehen. Bislang bleibe das Zeitgenössische am Landtagsneubau „hinter der Fassade“: „Mir ist wichtig, dass die Zeitgenossenschaft vor die Fassade kommt.“
Orientiert habe er sich unter anderem an der Computerspiel-Ästhetik, erklärte der Künstler den PNN. Die Pavillons erinnerten auf den ersten Blick zwar an Schloss Sanssouci. Auf den zweiten Blick werde das Attrappenhafte aber durch die Verzerrungen und die Spielfiguren-Optik deutlich: „Man merkt, dass das nirgendwo aufgeht.“ Am besten komme der Entwurf in der Sichtachse mit dem Hotel Mercure zur Geltung, sagte er augenzwinkernd: „Ich hoffe, das Hotel Mercure bleibt.“ Dombois, der zum ersten Mal ein Baukunstprojekt realisiert, bezeichnet Potsdam als „Sehnsuchtsort 2.0“: Schon die Preußenkönige hätten sich an fremden Ländern und früheren Zeiten orientiert. Auch heute gebe es den Wunsch nach Wiedererstehung eines vergangenen Potsdams, bei vielen „mehr denn je“: „Diese Sehnsucht muss man ernst nehmen, sie darf aber nicht verlogen werden.“
An diesen Spagat hat sich auch Annette Paul gewagt. Die Potsdamer Künstlerin errang beim Wettbewerb den zweiten Platz. Den Schriftzug „Ceci n’est pas un chateau“ – „Das ist kein Schloss“ – will die Bildhauerin in Goldlettern an der Fassade des Landtagsschlosses anbringen – eine Hommage an den belgischen Maler René Magritte, der auf einem seiner berühmtesten Bilder eine Pfeife mit den Worten „Ceci n’est pas un pipe“ – Das ist keine Pfeife – versah. Als „ganz sensibel und vorsichtige Arbeit“, bezeichnete Jury-Vorsitzende Leonie Baumann den Entwurf, den die Jury trotz der Zweitplatzierung zur Umsetzung empfiehlt: „Es ist der innigste Wunsch der Jury, diese Arbeit an einem Ort hier zu realisieren, wenn es auch nicht der Innenhof sein dürfte.“ Man werde den Wunsch mit der Kunstkommission des Landtags „sehr, sehr wohlwollend prüfen“, sagte Ingrid Mattern, Sprecherin des Finanzministeriums, das den Hut für den Neubau aufhat. Den dritten Platz belegte Hester Oerlemans aus Berlin mit der Arbeit „Ein neuer Garten“: Dafür hat die gebürtige Niederländerin zwei Kunstrasenteppiche nach barockem Vorbild entworfen. Beiden Ornamenten griff sie auf moderne Symbole aus dem Computer-Bereich auf.
Der Wettbewerb, für den insgesamt mit 1,3 Millionen Euro zur Verfügung stehen, davon 480 000 Euro zur Realisierung der Kunstwerke, sei die größte Investition in Kunst in dieser Wahlperiode, betonte Ingrid Mattern. Insgesamt hätten sich 385 Künstler auf den ersten Aufruf zum bundesweiten Wettbewerb gemeldet, berichtete Landtagsvizepräsidentin Gerrit Große (Die Linke), die als Vorsitzende der Kunst- und Ausstattungskommission des Landtags auch zum „Preisgericht“ gehörte. Teilnahmevoraussetzung war lediglich ein Wohnsitz in Deutschland. 100 Künstler hätten schließlich einen Entwurf eingereicht. Unter den zunächst noch anonymen Vorschlägen habe die Jury im März elf Favoriten ausgewählt, die anschließend gemeinsam mit den Künstlern in einem Kolloquium besprochen und weiterentwickelt wurden.
Von allen elf Schlussrunden-Entwürfen sollen sich die Potsdamer bei einer Ausstellung im Landtag nach der Sommerpause ein Bild machen können. Auch nach Abschluss des Wettbewerbs werde Kunst im Landtag ein Thema bleiben, sagte Gerrit Große. Geplant sei ein Fundus für den Ankauf von „hängender, stehender, liegender Kunst“. Das Verfahren dafür werde momentan besprochen.
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