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Zu Lasten der Natur. Die Nutzung von Bioenergie führt gerade in den Regenwäldern zu unkontrollierter Umweltzerstörung.

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Potsdamer Klimaforscher warnen vor zu hohen Erwartungen an das Potenzial von Energie aus Biomasse

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Potsdamer Klimaforscher haben die Erwartungen an die Nutzung von Biomasse als zukünftige Energiequelle gedämpft. In einer aktuellen Studie kommen sie zwar zu dem Ergebnis, dass im Jahr 2050 bis zu 20 Prozent des weltweiten Bedarfs an Strom und Wärme durch Energie aus Pflanzen gedeckt werden könnten, etwa die Hälfte davon aus Biomasseplantagen. Dies sei aber nur durch eine deutliche Ausweitung der Anbauflächen zu erzielen – was dann auch zu Lasten der Natur gehe. Zudem werde in optimistischen Untersuchungen zum Potenzial der Biomasse oft zu stark vernachlässigt, dass der Nahrungsbedarf angesichts einer weltweit wachsenden Bevölkerung steige.

Die Frage nach der Rolle der Biomasse ist gerade auch nach der Atomkatastrophe von Fukushima aktueller denn je. Die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) will noch vor der Sommerpause ein Gesetzgebungsverfahren zum schnelleren Umstieg auf erneuerbare Energien abgeschlossen sehen. Der Weltklimarat hat in einer in dieser Woche veröffentlichten Studie zudem geäußert, dass etwa drei Viertel aller Energie im Jahr 2050 aus alternativen Quellen – auch Biomasse – stammen könnten. „Zahlreiche Studien zeigen, dass ohne Energie aus Biomasse ambitionierte Klimaschutzziele kaum erreichbar sind“, erklärte der PIK-Forschungsbereichsleiter Wolfgang Lucht.

Die Potsdamer Experten bremsen nun aber die hohen Erwartungen an die Biomasse. Denn für eine Ausweitung der Biomasse-Erzeugung seien deutlich mehr Flächen und viel Wasser erforderlich, heißt es in der Studie, die in der Fachzeitschrift „Global Change Biology - Bioenergy“ erschienen ist. Das Projekt wurde vom Forschungsverbund der Leibniz-Gemeinschaft im Rahmen seiner Exzellenzförderung mit einer Million Euro finanziert.

Bisher sei man davon ausgegangen, dass große Ackerflächen für den Anbau von Energiepflanzen frei würden, weil es bei den Bauern große Steigerungen in der Produktivität gäbe. „Dies vernachlässigt aber, dass der Nahrungsbedarf angesichts einer weltweit wachsenden Bevölkerung steige – und zugleich beispielsweise Wasserknappheit vielerorts intensive Landwirtschaft erschwere“, so Wolfgang Lucht. Bestehende Studien sind nach Einschätzung von Lucht oft zu optimistisch und würden die Umweltkosten vernachlässigen. „Wie viel Energie zu welchen Umweltkosten erzeugt werden kann, ist daher eine wichtige und immer noch strittige Frage“, sagte der Klimaforscher. Ein Beispiel für den Konflikt zwischen Klima- und Umweltschutz dürfte das geplante Biomasse-Kraftwerk von Vattenfall in Berlin sein. Dass dafür große Mengen Tropenholz aus Liberia genutzt werden sollen, ist bei Umweltverbänden bereits auf scharfe Kritik gestoßen.

Für die Studie der Klimaforscher wurden erstmals Potenzial und Risiken der Energiegewinnung aus Biomasseplantagen in einer aufwändigen biogeochemischen Computersimulation ermittelt, erläuterte der Leitautor Tim Beringer. Eine verstärkte Einbeziehung der Biomasse würde demnach die vom Menschen genutzte Landfläche je nach Szenario um 10 bis 30 Prozent gegenüber dem heutigen Wert vergrößern. Von der Flächenumwandlung wären auch sensible Gebiete betroffen wie die Feucht-Pampa in Südamerika. Die nötige Bewässerung könnte sich zudem im Extremfall sogar verdoppeln.

Vor diesem Hintergrund fordern die Klimaforscher präventive Maßnahmen. Die Umwandlung von landwirtschaftlichen Flächen trägt nach ihrer Einschätzung nur dann zur Energiesicherheit und ländlichen Entwicklung bei, wenn sie international koordiniert und regional angepasst wird. „Nützlich sein könnte hierbei eine Zertifizierung von Biomasseproduktion“, so Lucht. „Vor allem auch die verstärkte Nutzung landwirtschaftlicher Abfälle als Biomasse anstelle von eigens angebauten Pflanzen könnte ein wichtiger Beitrag zur Nachhaltigkeit sein.“

Dass bei der Energiewende auf Biomasse nicht verzichtet werden kann, wissen auch die Autoren der Studie. „Die Erderwärmung auf zwei Grad über dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen, mit einem Ausstieg aus den fossilen Energien, erfordere wohl unvermeidbar 20 Prozent Bioenergie“, so Lucht. Speziell zur Biomasseproduktion angelegte Plantagen mit schnell wachsenden Pflanzen könnten daher in Zukunft eine besonders große Rolle spielen.

Die Forscher analysierten für die gesamte Erdoberfläche die Wachstumsbedingungen von Gewächsen wie Pappeln, Eukalyptus oder Präriegräsern – also von Energiepflanzen der sogenannten zweiten Generation. Ausgenommen waren Energiepflanzen der ersten Generation wie Mais oder Raps. Die Computersimulation zeigt die räumliche Verteilung der nach diesen Kriterien möglichen Anbaugebiete. In diesen Gebieten wäre die Produktion von Bioenergie zwar umweltverträglicher als an anderen Orten. Jedoch wären von der Flächenumwandlung eben auch sensible Gebiete betroffen.

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