
© Ottmar Winter PNN/Ottmar Winter PNN
Sexismus im Potsdamer Nachtleben: „Du trägst keine Schuld“
Potsdams Gleichstellungsbeauftragte Claudia Sprengel hat zum Austausch über Sexismus im Nachtleben eingeladen. Im Interview sagt sie, was noch passieren muss und was sie Betroffenen rät.
Stand:
Frau Sprengel, Sie haben am 27. Mai einen Aktionstag gegen Sexismus in der Kultur- und Nachtlandschaft organisiert. Wie war die Resonanz?
Es waren rund 30 Personen anwesend, viele von ihnen aus Bars, Clubs oder Veranstaltungsorten in Potsdam, aber auch kleinere Kollektive, die Partys oder Festivals organisieren. Dabei war eine gute Mischung aus etablierten Betrieben und alternativen Angeboten vertreten.
Alle Teilnehmenden zeigten sich sehr engagiert und kamen oft bereits mit konkreten Fragen zur Entwicklung von Awareness-Konzepten oder Handlungsleitfäden. Ich denke, ein gemeinsamer Nenner war deutlich spürbar: Wir wollen, dass alle eine gute Zeit haben können. Und genau das ist in einer Gesellschaft, in der Sexismus und andere Diskriminierungsformen existieren, nicht für alle Menschen gleichermaßen möglich. Daran möchten wir gemeinsam etwas ändern.
Wo steht die Landeshauptstadt nach Ihrer Einschätzung bei dem Thema?
Wir haben als Landeshauptstadt Potsdam eine kulturpolitische Strategie, die unter anderem das Thema Diversität in den Fokus nimmt. Als Modellkommune im Bündnis „Gemeinsam gegen Sexismus“, dem wir im vergangenen Jahr beigetreten sind, haben wir uns außerdem klar zu den Grundsätzen der Prävention und zur Bekämpfung von Sexismus und sexueller Belästigung bekannt. Diese Haltung soll sich nicht nur in unserem internen Gleichstellungsplan, sondern auch nach außen hin sichtbar widerspiegeln. Mir war es deshalb besonders wichtig, hier auch aktiv in die Stadtgesellschaft hineinzuwirken.
Sexistische Übergriffe und Diskriminierung im Nachtleben sind ein strukturelles Problem, keine individuelle Angelegenheit der Betroffenen.
Claudia Sprengel, Gleichstellungsbeauftragte der Landeshauptstadt Potsdam
Was muss noch passieren, damit sich Frauen und Menschen aus marginalisierten Gruppen im Nachtleben sicherer fühlen?
Sexistische Übergriffe und Diskriminierung im Nachtleben sind ein strukturelles Problem, keine individuelle Angelegenheit der Betroffenen. Dieses Problem sollte nicht als Belastung für Betreibende von Lokalitäten wahrgenommen werden, stattdessen sollte man gemeinsam konsequent dagegen vorgehen.
Um solchen Übergriffen wirksam entgegenzutreten, braucht es mehr als Haltung. Es braucht klare, praktische Maßnahmen auf mehreren Ebenen: Prävention, Intervention und Nachsorge.

© Andreas Klaer
Veranstaltende, Barbetreiber*innen und Sicherheitspersonal tragen hierbei eine besondere Verantwortung, denn sie gestalten die Bedingungen für alle Gäste. Zentrale Handlungsmöglichkeiten sind dabei:
- Awareness-Konzepte entwickeln und kommunizieren: Ein schriftlich fixiertes Konzept schafft Orientierung für alle Beteiligten, wie Personal, Gäste und Betroffene.
- Personal schulen und sensibilisieren, je nach Struktur und Bedarf der Einrichtung, mit Fokus auf klare Zuständigkeiten und definierte Rollen.
- Sicherheitszonen und Anlaufstellen schaffen: In größeren Veranstaltungsorten, zum Beispiel bei Festivals, kann es sinnvoll sein, sichtbare und zugängliche Schutzräume einzurichten.
- Konsequent handeln bei Vorfällen: Dazu gehört auch, wenn nötig, das Hausrecht durchzusetzen.
Menschen gehen aus, um sich fallen zu lassen, zu feiern, zu entspannen. Für viele FLINTA-Personen ist das jedoch nicht selbstverständlich. Erfahrungen mit Sexismus können einschränkend, bedrohlich oder (re-)traumatisierend wirken.
Wer als Veranstaltende oder Betreiber*in Verantwortung übernimmt, leistet nicht nur Präventionsarbeit, sondern schafft Räume, in denen sich alle willkommen fühlen können. Das ist nicht nur ethisch geboten, sondern auch wirtschaftlich sinnvoll: Gäste kommen dorthin zurück, wo sie sich sicher fühlen.
Veranstaltende und Betreiber*innen können keine perfekte Welt schaffen, aber sie können den Unterschied machen zwischen einem Ort, an dem weggesehen wird, und einem Ort, an dem Verantwortung übernommen wird.
Was sind die nächsten konkreten Schritte?
Für alle, die sich mit einer Unterzeichnung der Charta zu den Grundsätzen des Bündnisses „Gemeinsam gegen Sexismus“ bekennen, stellen wir unterstützend Materialien bereit, darunter Aufkleber und Bierdeckel mit Informationen für Betroffene und Unterstützer*innen.
Darüber hinaus soll es einen Raum für den Aufbau eines Netzwerkes geben, das den regelmäßigen Austausch zwischen den Akteur*innen aus dem Nachtleben ermöglicht. Ziel ist es, voneinander zu lernen, sich zu vernetzen und gemeinsam an nachhaltigen Strategien zur Prävention von Sexismus und sexualisierter Gewalt zu arbeiten.
Was ist Ihr wichtigster Tipp für Betroffene, die schlechte Erfahrungen in Bars oder Clubs gemacht haben?
Du trägst keine Schuld. Du hast das Recht, ernst genommen zu werden und Unterstützung zu erhalten. Sprich das Personal an oder Menschen, denen du vertraust. Hilfe findet man auch bei der Frauenberatung des Autonomen Frauenzentrums.
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